„Kammer ist nicht immer Sonnenschein“
„Im Gegensatz zur Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie zur Deutschen Krankenhausgesellschaft ist die Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nur sporadisch vertreten. Interessiert sich der G-BA überhaupt für die Pflege?“ – mit dieser provokanten Frage eröffnete Moderator Thomas Grünert die Podiumsdiskussion:
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, reagierte gelassen: Seiner Meinung nach ist ein ganzheitliches Konzept dringend erforderlich, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. „Zur Anerkennung eines Berufsstands gehört auch das Vertrauen einer Gesellschaft, dass berufsständische Angelegenheiten eigenverantwortlich geregelt werden können“, sagte Hecken. Daher sei eine „institutionalisierte und durch eine Mitgliedschaft im G-BA legitimierte Vertretung für die Pflege als identitätsstiftendes Instrument für den Beruf nicht zu unterschätzen“.
Zustimmung gab es vom Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dietmar Oesterreich: „Seit 27 Jahren mache ich nun Kammer. Und zwar aus dem Antrieb heraus, das Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu wollen“, sagte er. Genau darauf komme es bei einer starken Selbstverwaltung an: „Warten Sie nicht darauf, dass jemand Fremdes für Sie entscheidet, entscheiden Sie selbst!“ Generell hält Oesterreich das gesamte Gesundheitssystem für zu stark formalisiert. Es werde zu wenig auf die Kräfte der Berufsstände geachtet. „Wir haben die Möglichkeit, intrinsisch aus uns heraus zu gestalten“, betonte Oesterreich. „Wer soll Qualität definieren, wenn nicht wir?“
„Ich brauche Sie alle!“
Direkt nach seinem Amtsantritt äußerte sich Spahn zu einem zentralen Bereich seiner künftigen Arbeit – der Altenpflege. Und stellte klar: Das wird nicht leicht. „Ich möchte als Minister so ehrlich sein zu sagen, das ist nicht so einfach zu machen!“ Auch er sei für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und für mehr Ausbildungsplätze – aber das müsse eben auch finanziert werden.
Nachdrücklich sprach sich Spahn für einen „positiven Grundton“ in den kommenden Diskussionen aus: „Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wo wir stehen und was wir besser machen können.“ Und ergänzte, dass er dafür Unterstützung benötigt. „Ich brauche Sie alle dafür, dass Sie uns Druck machen!“ Er verstehe dies als Angebot für eine gute Zusammenarbeit.
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag die Schaffung von 8.000 zusätzlichen Pflege-Stellen im Rahmen eines Sofortprogramms vereinbart. Benötigt wird nach Angaben von Experten aber ein Vielfaches. So sind laut dem aktuellen Pflege-Thermometer rund 17.000 Stellen offe
Der ehemalige Präsident des Deutschen Pflegerats und designierte Pflegebevollmächtigte des Bundes, Andreas Westerfellhaus, gilt als großer Verfechter einer Bundespflegekammer. „Eines meiner ersten Interviews hatte die Überschrift ‚Schluss mit der Fremdbestimmung‘“, erzählte Westerfellhaus. „Ich kann einfach nicht verstehen, dass man einigen Berufen die Kompetenz zuspricht, ihre berufsständigen Angelegenheiten selbst regeln zu können, es der Pflege aber abspricht.“
In Niedersachsen wurde mit dem „Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege“ die Etablierung einer Landespflegekammer bereits auf den Weg gebracht. Katrin Havers ist Vorsitzende des dortigen Einrichtungsausschusses. „Mir ist wichtig, dass der Anspruch nach Selbstbestimmung unser Selbstverständnis durchdringt“, sagte sie. Pflegerelevante Entscheidungen verliefen, „völlig anders {...] wenn sie von berufsfremden Akteuren getroffen werden“. „Mit einer Pflegekammer bekommen wir ein sehr starkes Gestaltungswerkzeug an die Hand“, erläuterte Havers. Das sei einerseits eine große Chance, andererseite natürlich eine große Herausforderung. Sie glaubt, dass eine eigene Kammer das Berufsverständnis verändern und weiterentwickeln wird.
Doch Kammeraufgaben seien „nicht immer Sonnenschein“, mahnte Oesterreich. „Sie müssen als Kammer Standards setzen, Sie müssen Berufsrecht durchsetzen – und das freut nicht alle Mitglieder, wenn Sie die an ihre Pflichten erinnern – dennoch gehört es zu Ihren zentralen Aufgaben.“ Oesterreich appellierte an das gegenseitiges Verständnis der Berufsstände füreinander – und das erreiche man am besten über Kooperationen. „So gibt es bereits zahlreiche gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Mundgesundheit mit den Pflegeberufen.“ Sein Rat zu guter Letzt: „Wenn Sie die Bundespflegekammer vielleicht schon in fünf Jahren errichtet haben, dann behalten Sie auch die Gemeinwohlinteressen im Blick! Auch das gehört dann zu Ihrer Verantwortung!“