Es geht um einen produktiv gestalteten Generationenwechsel
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zurückliegende Bundesversammlung hat deutlich gemacht, vor welch immensen Herausforderungen unser Berufsstand heute steht. Die wichtigsten habe ich in meiner Eröffnungsrede skizziert: Demografie, Digitalisierung, überbordende Bürokratie, Einschränkungen der Freiberuflichkeit, Innovationsschübe in Wissenschaft und Technik, politisches Zögern bei wichtigen Fragen wie bei der Zahnärztlichen Approbationsordnung und nicht zuletzt die Bedürfnisse der Patienten in einer sich wandelnden Gesellschaft.
Bei all dem stellt sich natürlich die Frage, mit welchen Kolleginnen und Kollegen wir künftig all diese Herausforderungen bewältigen wollen. Viele von uns in den Vorständen, Ausschüssen und Verbänden blicken inzwischen auf eine jahrzehntelange standespolitische Tätigkeit zurück und werden in absehbarer Zeit den Staffelstab an Jüngere übergeben müssen. Doch vielerorts fehlt der Nachwuchs. In unserer Selbstverwaltung sind wir von der Mitarbeit engagierter Kolleginnen und Kollegen abhängig. Deshalb ist es dringend geboten, rechtzeitig junge und kompetente Nachwuchskräfte durch erfahrene Mandatsträger an die Anforderungen qualifizierter Selbstverwaltung heranzuführen.
Ich habe kein Hehl daraus gemacht, dass ich mir insbesondere mehr Frauen in unseren standespolitischen Gremien wünsche. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Nahezu die Hälfte des Berufsstands ist weiblich und mehr als zwei Drittel der gegenwärtig Zahnmedizin Studierenden. 63 Prozent der unter 35-jährigen unseres Berufsstands sind Frauen. Da liegt es nahe, dass sich diese Zahlenverhältnisse auch in den standespolitischen Gremien widerspiegeln.
Ich habe dieses Thema bereits in meiner Rede auf der Bundesversammlung im November des vergangenen Jahres aufgeworfen. Und seitdem hat sich durchaus einiges bewegt: Mit der Gründung des Verbandes der ZahnÄrztinnen haben sich die Kolleginnen eine Plattform geschaffen, auf der sie ihre Anliegen innerhalb unserer Standesorganisation artikulieren. Im laufenden Studiengang 2018/2019 der Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung sind 16 der 25 Teilnehmer Zahnärztinnen. Das sind ermutigende Entwicklungen, die optimistisch stimmen.
Ermutigend ist auch, dass das Thema inzwischen in verschiedenen Medien, ob Zeitschriften oder Internetplattformen, intensiv diskutiert wird und demzufolge im Berufsstand angekommen ist. Diese Meinungsbildung unter den Kolleginnen und Kollegen ist wichtig, weil sie uns in den Vorständen von Bundeszahnärztekammer und den Landeszahnärztekammern Anregung und Ideenquelle sein kann. Standespolitik funktioniert nicht „par ordre du mufti“, sondern nur in einem lebendigen Prozess der Meinungsbildung auf allen Ebenen.
Wichtig ist jedoch auch, dass wir in diesen Diskussionen das Konstruktive nicht aus den Augen verlieren. Aktuell wird leidenschaftlich über eine Frauenquote für die standespolitischen Gremien diskutiert und es scheint, dass sich die Positionen verhärten. Das Austauschen von Ideologismen wird uns aber in der Meinungsbildung nicht weiterbringen. Ich denke, es wäre jetzt klug, einmal innezuhalten, den inzwischen auf das Pro und Contra zum Thema Quote verengten Blickwinkel zu verlassen und auch einmal andere konkrete Maßnahmen zu diskutieren, die mehr junge Kolleginnen und Kollegen für ein Engagement in der Standespolitik motivieren könnten. Denn das sollte ja das eigentliche Ziel sein.
Dabei geht es nicht um ein Gegeneinander, sondern um das Aufzeigen von Wegen für ein Miteinander, einen möglichst produktiv gestalteten Generationenwechsel im Berufsstand. Wir müssen die Frage beantworten, wie wir junge Kolleginnen und Kollegen für ein standespolitisches Engagement begeistern können. Dass die zunehmende Zahl von jungen Zahnärztinnen im Hinblick auf die Nachwuchsförderung auch die Frage nach spezifischen Förderungen von Frauen in der Standespolitik aufwirft, liegt doch eigentlich auf der Hand, oder?
Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer