Sondierungsgespräche

61 Zeilen zu Gesundheit

ck/pr
Nach zähen Verhandlungen der Durchbruch: CDU, CSU und SPD legen in einem 28-seitigen Papier die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche fest. Kollektives Aufatmen im gesundheitspolitischen Deutschland – von einer Bürgerversicherung steht in dem Papier nichts. Aber das soll noch nichts heißen: Nach dem Sonderparteitag kündigte SPD-Chef Martin Schulz für die Koalitionsgespräche Verhandlungen zur „Zwei-Klassen-Medizin“ an.

Auf 61 Zeilen haben die möglichen Koalitionäre in dem Sondierungspapier ihre Ziele in der Gesundheits- und Pflegepolitik zusammengefasst:

  • Kranke, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung müssen auf die Solidarität der Gesellschaft vertrauen können. Deshalb soll ihre gute, flächendeckende medizinische und pflegerische Versorgung von Beginn bis Ende des Lebens sichergestellt werden – unabhängig von Einkommen und Wohnort. 

  • Zusammenarbeit und Vernetzung im Gesundheitswesen werden ausgebaut. Zur sektorenübergreifenden Versorgung will man „nachhaltige Schritte“ einleiten, besonders bei der Notfallversorgung. 

  • Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören neben einer gut erreichbaren ärztlichen Versorgung auch eine wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort.

  • Notwendig sind deutlich erhöhte Investitionen in Krankenhäusern für Umstrukturierungen, neue Technologien und Digitalisierung.

  • Ziel ist die schrittweise Einführung kostendeckender Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus Steuermitteln für die Bezieher von ALG II.

  • Beabsichtigt ist, zur Parität bei den GKV-Beiträgen zurückzukehren. Diese sollen künftig wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt werden, die Zusatzbeiträge damit entfallen. 

„Kein Grund zur Euphorie“

Sichtlich erleichtert waren Ärzte und Zahnärzte, dass die Bürgerversicherung im Sondierungspapier mit keinem Wort erwähnt wird. Dennoch: „Zur Euphorie besteht bei aller grundsätzlichen Zustimmung kein Anlass“, brachte es Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten, auf den Punkt. „Es wird darauf ankommen, ob man sich darauf einigen wird, das duale System von GKV und PKV zu erhalten und das auch so im Koalitionsvertrag ausdrücklich festhält.“ Die Mediziner haben vor allem die Weiterentwicklung der Versorgung im Blick. Ärztepräsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery formuliert das so: „Mit dem Ausbau der sektorenübergreifenden Versorgung, Neuregelungen bei der Notfallversorgung und der Bereitstellung von Investitionsmitteln für neue Technologien und Digitalisierung benennen die Parteispitzen einige der wichtigsten Zukunftsthemen.“ Der Bundesvorsitzendes NAV-Virchow-Bundes, Dr. Dirk Heinrich, fordert eine Entwicklung hin zu mehr Qualität und Wettbewerb: „Grundlage dafür ist eine Beendigung der Budgetierung und eine Stärkung der Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen.“ Intelligente Instrumente zur Patientensteuerung zu entwickeln, Bürokratie abzubauen und eine funktionierende Notfallversorgung zu organisieren, sind für Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbunds, zentral. Einzig der Hausärzteverband hat bisher signalisiert, sich der Bürgerversicherung nicht pauschal zu verweigern.

Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung wird auch von den Krankenkassen sehr begrüßt. Als „überfälligen Schritt“ bezeichnen sie die schrittweise Einführung kostendeckender Beiträge aus Steuermitteln für die Bezieher von ALG II. Die SPD-Bürgerversicherung lehnen sie ab: Problematisch sei, wie Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, ausführte, dass privat versicherte Beamte individuelle Wechseloptionen in die GKV erhalten sollen. Die höheren Arzthonorare der privat Versicherten könnten dann womöglich zulasten gesetzlich Versicherter angeglichen werden. Auch der PKV-Verband stellte sich in einem Statement dagegen: „Ein Systembruch, wie ihn die SPD anstrebt, würde zu einer Einheitskasse führen und nur Verlierer erzeugen ... Es wäre der Beginn einer echten Zwei-Klassen-Medizin.“ 

Zu Wort meldete sich auch wieder der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der die Eckpunkte zur Bürgerversicherung vorgelegt hatte: „Der Kampf für die Bürgerversicherung muss weiter gehen. Auch in einer möglichen GroKo. „Bei Bildung, Rente, Arbeit, Fachleute: SPD-Handschrift“, twitterte er. Im SPD-Organ „vorwärts“ legte er nach: „Die Bürgerversicherung ist das von der Bevölkerung gewünschte Ende der Zwei-Klassen-Medizin.“ Auf dem SPD-Sonderparteitag in Bonn versprach Schulz den Genossen, die Honorarangleichung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung durchzusetzen.ck/pr

Nach den Sondierungs- ist vor den Koaltionsgesprächen. Auf ihrem Sonderparteitag am 21. Januar in Bonn votierte die SPD für Koalitionsverhandlungen: Mit rund 56 Prozent (362 Ja-, 279 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung) waren die Befürworter jedoch nur knapp in der Überzahl.

„Aufgabe ist, unser duales System patientenorientiert zu verfeinern!“

„Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD zeigen eine sachliche Analyse der anstehenden Herausforderungen der nächsten Legislaturperiode im Bereich von Gesundheit und Pflege. Die Bundeszahnärztekammer begrüßt, dass das Gesundheitssystem mit Augenmaß verbessert und die Patientenversorgung in Deutschland gestärkt werden sollen. Unser duales deutsches Krankenversicherungssystem patientenorientiert entsprechend den gesellschaftlichen Veränderungen zu verfeinern, ist eine wichtige Aufgabe. Ein reformiertes duales Gesundheitssystem kann die anstehenden Herausforderungen bewältigen.

Wir Zahnmediziner sind gerne mit Fachexpertise, da wo sie hilfreich sein kann, dabei. Denn unser Fachbereich gilt als Benchmark im Sinne der Prävention. Dennoch gibt es auch in der Zahnmedizin noch Raum für Optimierungen: bei der Versorgung vulnerabler Gruppen – zum Beispiel in der Pflege – oder beim Abbau überflüssiger Bürokratie. Wir sind bereit für einen pragmatischen, klugen Diskurs.“

„Die Rückkehr zur Parität ist vernünftig!“

„Die KZBV begrüßt, dass Union und SPD in den Sondierungsergebnissen zum Themenfeld Gesundheit ihr Hauptaugenmerk auf die Versorgung gerichtet haben. Mit dieser Fokussierung sehen wir deutliche Schnittmengen mit der in unserer Agenda Mundgesundheit verankerten Zielsetzung, Versorgung qualitativ hochwertig, flächendeckend und wohnortnah sicherzustellen. Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland lassen sich jedoch nur realisieren, wenn die Menschen, die in ländlichen Räumen und einkommensschwachen Regionen leben, nicht von der Versorgung abgekoppelt werden. 

Hier ist es dringend geboten, die Versorgung durch freiberuflich tätige Vertragszahnärzte in bewährten Praxisstrukturen weiter zu fördern. Es wird aus unserer Sicht darauf ankommen, die spezifische Situation des zahnärztlichen Versorgungssystems viel stärker zu berücksichtigen. So haben im zahnärztlichen Bereich MVZ für Patienten nur dann einen Mehrwert, wenn sie arztgruppenübergreifend ausgerichtet sind.

Zur Frage der zukünftigen Finanzierung unseres Krankenversicherungssystems wurden mit der Rückkehr zur Parität bei den Beiträgen sowie mit der schrittweisen Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung aus Steuermitteln für ALG-II-Bezieher sachorientierte und vernünftige Lösungen für die Weiterentwicklung unseres bewährten dualen Krankenversicherungssystems erarbeitet.“

ck/pr

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