Eine gemeinsame Definition für Europa

Das Manifest der Freiberuflichkeit

nb/ck/pr
Zahnärzte sind Freiberufler! Aber was bedeutet das überhaupt? In Rom haben EU-Politiker mit dem „Europäischen Manifest der Freien Berufe“ die Merkmale der Freiberuflichkeit definiert.

Was sind Freiberufler? Auf der Konferenz am 1. Dezember 2017 in Rom kamen die Mitglieder des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zu diesem Ergebnis:

  • Die Freien Berufe erbringen geistig-ideelle (intellektuelle) Dienstleistungen auf Grundlage einer besonderen beruflichen Qualifikation oder Befähigung,

  • die Erbringung dieser Leistungen ist durch ein persönliches Element gekennzeichnet und erfolgt auf Grundlage eines Vertrauensverhältnisses,

  • die Tätigkeiten werden in eigenverantwortlicher und fachlich unabhängiger Weise ausgeübt,

  • sie sind von einem Berufsethos geprägt und sowohl dem jeweiligen Auftraggeber als auch dem Gemeinwohl verpflichtet,

  • und sie unterliegen einem System der beruflichen Organisation und Kontrolle.

Europa will die Freiberuflichkeit stärken

Ziel ist, auf Basis einer gemeinsamen Definition die Freiberuflichkeit in Europa zu stärken. Bislang wird die Freiberuflichkeit in den Mitgliedsstaaten nämlich unterschiedlich definiert und ausgelegt. Ein gemeinsames Verständnis gibt es bisher nicht.


Arno Metzler: Das System der Freien Berufe muss wertebasiert ausgeprägt werden

Dass man sich auf EU-Ebene bemüht, die gemeinsame Definition der Freien Berufe voranzutreiben, ist neu. Grund dafür ist die Erkenntnis, dass die Anerkennung von Besonderheiten der Freien Berufe - wie etwa das Berufsgeheimnis, Kooperationsregeln, Werberegeln, das Vertrauensverhältnis - immer wieder daran scheitern, dass jedes Land etwas anderes unter einem Freien Beruf versteht, wie Arno Metzler, Berichterstatter im EWSA und Sprecher der Freien Berufe, erläutert.

„Auf nationaler Ebene hatten wir bis in die 1990er Jahre das gleiche Problem, bis mit dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz eine Legaldefinition im Konsens mit den Betroffenen etabliert werden konnte„, sagt Metzler. “Nur wenn die Gruppe, die Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein soll, eindeutig zu beschreiben ist, kann sie Bezugspunkt dieser Regel sein. Hier müssen wir den EU-Rechtssetzern helfen. Im eigenen Interesse muss das System der Freien Berufe als wertebasiertes System ausgeprägt werden, um dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen zu können, aber die „Markenidentität“ nicht zu verlieren.“


Übereinstimmung besteht häufig in dem Verweis auf die besondere Qualifikation, den geistig-intellektuellen Charakter der Dienstleistung sowie die Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit bei Angehörigen eines Freien Berufs. Das betrifft auch das besondere Vertrauensverhältnis, die Gemeinwohlverpflichtung und das Merkmal der persönlichen Erbringung.

Weniger Übereinstimmung findet man hingegen beim Berufsrecht, bei der beruflichen Selbstverwaltung, der Notwendigkeit einer Registrierung, beim beruflichen Verhaltenskodex oder bei ethischen Grundsätzen. Insbesondere sind die aus dem deutschen Sprachraum stammenden Definitionen umfangreicher und enthalten mehr Kriterien als Definitionen aus anderen EU-Mitgliedstaaten.


Florian Lemor: Das Vertrauensverhältnis ist prägendes Abgrenzungsmerkmal

RA Florian Lemor, Hauptgeschäftsführer der BZÄK und Vertreter der deutschen Zahnärzteschaft im EWSA, ergänzt: "Das besondere Vertrauensverhältnis der Zahnärztinnen und Zahnärzte zu ihren Patienten ist prägendes Abgrenzungsmerkmal zu gewerblichen Tätigkeiten. Es begründet den Status als Freiberufler. In Deutschland führt dieser Status auch dazu, das - jedenfalls bisher - bestimmte, auf gewerbliche Tätigkeiten abzielenden Regelungen (zum Beispiel zum Fremdkapital und zur Fremdsteuerung durch Berufsfremde) kein Anwendung auf die Zahnärzteschaft finden.

Solche Entwicklungen würden das empfindliche Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient negativ beeinflussen. Da Europa die Kategorie der Freien Berufe - und damit auch deren besondere Vertrauensstellung - nicht anerkennt, war und ist es dringend erforderlich, unser Verständnis von Freiberuflichkeit auch in Europa zu verankern. Sonst höhlen EU-Gesetzgebungsvorhaben wie das sogenannte EU-Dienstleistungspaket dieses Verständnis vollständig aus. Der Kommerzialisierung der Heilberufe wären Tür und Tor geöffnet."


Die Kommission sieht - wie zuletzt in den Plänen zum EU-Dienstleistungspaket sichtbar - die Freien Berufe als Teil der regulierten Berufe. Eine Differenzierung in Freie Berufe und andere regulierte Berufe findet nicht statt.

Geplant ist, dass der EWSA ab dem 1. Februar eine neue Kategorie Freie Berufe installiert und seinen Vorschlag dann als Initiative in die Europäischen Institutionen einbringt.

„Deutsche Ärzte müssen sich keine Sorgen machen“

Das Ziel der EU-Kommission: das Wirtschaftswachstum in Europa ankurbeln. Ihr Instrument: das EU-Dienstleistungspaket. Damit will sie bürokratische Hürden für Unternehmer und Freiberufler abbauen – sagt sie zumindest. Kritiker – darunter die Bundeszahnärztekammer – werfen ihr dagegen das genaue Gegenteil vor.

Denn in Deutschland werden Berufsvorschriften bereits auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft – durch die Berufskammern, die Selbstverwaltung sowie die Landes- und die Bundesregierung – und das verpflichtend auf Basis des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise des Europäischen Gerichtshofs. Ein sogenannter Richtlinienvorschlag zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit künftiger Berufsregeln wurde von den Gegnern des EU-Dienstleistungspaketes daher stark kritisiert. Am 4. Dezember hat der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments (IMCO) über diesen Richtlinienvorschlag abgestimmt – und sich für Sonderregeln für die Gesundheitsberufe ausgesprochen.

Dr. Andreas Schwab, Mitglied im EU-Parlament und im IMCO-Ausschuss, hat sich dafür eingesetzt, dass der Vorschlag der EU-Kommission politisch entschärft wird: „In meinem Berichtsentwurf habe ich gefordert, dass die Gesundheitsberufe von der Richtlinie ausgenommen werden. Das hat allerdings keine Mehrheit gefunden. Dennoch glaube ich, dass wir mit dem Kompromisstext, der im Binnenmarktausschuss jetzt angenommen wurde, die Belange der medizinischen Heilberufe vollumfänglich aufnehmen“, sagte der CDU-Europaabgeordnete.So müssen nun die Mitgliedstaaten im Falle einer berufsrechtlichen Regelung, die die Heilberufe oder die Patientensicherheit betreffen, stets das Ziel eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes berücksichtigen. „Solche Verhältnismäßigkeitsanforderungen an Berufsregulierungen sind auch nichts Neues“, erläutert Schwab. „EU-Mitgliedstaaten sind bereits nach der Berufsqualifikationsanerkennungsrichtlinie verpflichtet, bei der Einführung neuer Berufsregeln in ihren Ländern eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen.“Außerdem habe die EU-Kommission im Rahmen ihrer Transparenzinitiative bereits festgestellt, dass die Berufsregeln in Deutschland „verhältnismäßig“ sind. „Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission ist damit nicht gegen Deutschland gerichtet, sondern richtet sich in erster Linie an die Mitgliedstaaten, in denen die Verhältnismäßigkeit von Berufsregulierungen noch nicht der Normallfall ist. In Deutschland müssen wir uns keine Sorgen machen.“

Dennoch galt es den Richtlinienvorschlag zu entschärfen: „Die Kommission wollte zum Beispiel, dass die Mitgliedstaaten ‚wirtschaftliche Auswirkungen‘ als Kriterium für die Verhältnismäßigkeit einer Dienstleistung als Regelung einführen“, erläutert Schwab. „Das Kriterium ‚wirtschaftlich‘ wurde jetzt gestrichen, da die Verhältnismäßigkeit einer Regulierung von Gesundheitsberufen in der Tat nicht an wirtschaftlichen Auswirkungen gemessen werden sollte.“ Des Weiteren werde klargestellt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ein hohes Niveau an Gesundheitsschutz im Rahmen der Berufsreglementierung der medizinischen Heilberufe zu garantieren. „Dazu ist eine praktische Konkordanz zwischen zwei Rechtsvorschriften geschaffen worden, nämlich der Dienstleistungsfreiheit einerseits und der in Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführten Verpflichtung, einen hohen Gesundheitsschutz zu gewährleisten, andererseits“, ergänzt Schwab.

Und wie geht es weiter? In den nächsten Monaten werden EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union sich auf einen gemeinsamen Text verständigen müssen. „Da wir uns in vielen Punkten bereits mehr oder weniger einig sind, denke ich, dass die Trilogverhandlungen mit der EU-Kommission recht zügig voranschreiten werden“, gibt sich Schwab optimistisch. „Ich hoffe, dass wir die Verhandlungen bereits im Sommer diesen Jahres erfolgreich zu einem Ende bringen können und dass die Richtlinie dann zügig in Kraft treten kann.“

nb/ck/pr

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