Wieder mehr Mikroplastik in Drogerieprodukten
Der Begriff Mikroplastik bezeichnet Kunststoffpartikel, die kleiner als 5 Millimeter sind. Unterschieden wird in primäres Mikroplastik, das in Kleinstform Produkten zugesetzt oder frei wird, und sekundäres Mikroplastik, das aus größerem Plastikmüll durch Sonneneinstrahlung, Strömungen und Gezeiten erst im Meer zerkleinert wurde.
Primäres Mikroplastik wird aktuell vielfältigen Kosmetika als Peeling- oder Putzkörper, Trübungsmittel oder optisches Accessoire zugesetzt. Das Problem: Aufgrund ihrer geringen Größe passieren manche Mikroplastikpartikel nach der Verwendung die Klärwerke und gelangen über das Abwasser in Flüsse und Weltmeere, wo sie je nach ihrer Dichte an der Oberfläche schwimmen (wie Polypropylen) oder auf den Boden sinken und sich dort ablagern (wie Acryl).
Gröbere Granulate werden in den Kläranlagen zwar aus dem Abwasser herausgefiltert, anschließend aber in Form von Klärschlamm als Dünger auf Feldern ausgebracht. „Von dort aus gelangen die Partikel dann in die Atmosphäre“, erklärt der emeritierte Meeresbiologe Prof. Gerd Liebezeit, der in seinen Arbeiten am Institut für Chemie und Biologie des Meeres an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg Mikroplastik bereits in diversen Lebensmitteln nachgewiesen hat. In Honig, Trinkwasser und Milch zum Beispiel – aber auch in Bier oder Softdrinks. „Im Endeffekt ist alles betroffen, was offen verarbeitet wird“, bilanziert Liebezeit nüchtern. Auch in Regen oder Schnee seiendie kleinen Kunststoffteilchen als granulares Material enthalten.
Durch Kosmetika landen pro Jahr 16.000 Tonnen Plastik im Meer
Kleinere Mikroplastik-Partikel saugen auf ihrem Wasserweg ins Meer lipophile Schadstoffe auf und reichern sich so mit Weichmachern, Pthalaten, krebserregenden Polychlorierten Biphenylen (PCB) oder auch Stoffen wie dem international geächteten Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) an. Wenn diese kontaminierten Plastikteilchen anschließend von verschiedenen Wasserlebewesen gefressen werden - was eine Vielzahl von Studien belegt - gelangen sie schließlich über Speisefische und Meeresfrüchte in die Nahrungskette des Menschen.
Die Weltnaturschutzunion IUCN schätzt in ihrem 2017 erschienenen Bericht „Primary Microplastics in the oceans“, dass jährlich mindestens 800.000 Tonnen primäres Mikroplastik in die Meere gelangt. Zwei Prozent, also mindestens 16.000 Tonnen jährlich entfallen dabei auf Mikroplastik aus Kosmetikprodukten.
Auch wenn das meiste primäre Mikroplastik im Meer durch das Waschen von Kunstfasertextilien (280.000 Tonnen/Jahr), den Abrieb von Autoreifen (224.000 Tonnen/Jahr) und Stadtstaub (192.000 Tonnen/Jahr) freigesetzt wird, hat die internationale Politik Kunststoffpartikel in Kosmetika als leicht vermeidbare Emissionsquelle ausgemacht.
In den USA regelt etwa der bereits 2015 auf den Weg gebrachte „Microbead Free Waters Act“, dass es seit Juli 2017 verboten ist, primäres Mikroplastik herzustellen oder zu verkaufen. Vergleichbare Verbote traten nun zum Jahresbeginn 2018 in Kanada und Großbritannien in Kraft, im Sommer 2018 folgen Schweden und Neuseeland.
Deutschen Verbrauchern bleiben nur Online-Petitionen
In Deutschland setzt die Bundesregierung hingegen auf eine mit der Industrie vereinbarte Selbstverpflichtung. Darin wurde im Oktober 2013 im sogenannten Kosmetikdialog zwischen dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und der Kosmetikindustrie ein schleichender Ausstieg bis zum Jahr 2020 vereinbart.
Der Naturschutzverband BUND kritisiert diese Haltung. „Wie wir sehen, handeln die anderen europäischen Länder“, sagt Sprecherin Nadja Ziebarth, „Deutschland bringt sich hingegen ohne Not in eine defensive Position und verhält sich rückständig.“ Die jüngere Entwicklung zeigt zudem eher ein Ein- als ein Ausschleichen: Mitte 2014 listete der Einkaufsratgeber „Mikroplastik - Die unsichtbare Gefahr“ des BUND noch 400 Produkte mit Mikroplastik. Heute sind es 790.
Was bleibt, ist der ständige Appell von Nichtregierungsorganisationen an Verbraucherminister Christian Schmidt, den internationalen Vorbildern zu folgen und ein entsprechendes Verbot auf den Weg zu bringen. An einer aktuell laufenden Online-Petition haben sich bis jetzt mehr als 26.000 Menschen beteiligt.
Rückschritt im Dentalmarkt
Im Dentalmarkt gibt es jüngst einen Rückschritt zu vermelden: Auf eine erste Welle von Berichterstattungen hatten ab 2013 alle betroffenen Zahnpastenhersteller schnell reagiert, anschließend gab es zwischen Mitte 2014 und Ende 2017 kein Mikroplastik mehr in Zahnpflegeprodukten. Dann kam das durch die TV-Gründer-Show „Höhle der Löwen“ bekannt gewordene Zahnfleischpflege-Gel Parodont auf den Markt. Eine Zutat: Polyethylen.
Eine Anfrage an die Herstellerfirma Beovita Vital GmbH, ob man sich der Problematik um Mikroplastik bewusst sei und wenn ja, warum Polyethylen trotzdem in dem Gel verwendet wird, blieb bis bisher unbeantwortet. „Dass es jetzt wieder ein Zahnpflegeprodukt mit Mikroplastik gibt, ist schockierend“, sagt Ziebarth. „Bei dieser Produktgruppe wurde damals sofort reagiert. Dass jetzt im Herbst 2017 wieder ein Produkt aufgetaucht ist, bestätigt uns in der Forderung, dass es ein Verbot geben muss.“
Bis es soweit ist, bleibt Verbrauchern nur, die Liste der Inhaltsstoffe ihrer Kosmetik auf folgende Begriffe zu kontrollieren:
PE (Polyethylen)
PP (Polypropylen)
PET (Polyethylenterephthalat)
PUR (Polyurethan)
AC (Acrylates Copolymer)
ACS (Acrylates Crosspolymer)
P (Polyacrylat)
PMMA (Polymethylmethacrylat)
PS (Polystyren)
Nylon-6
Nylon-12
EU-Strategie präsentiert (Mikro-)Plastik-Strategie
Am 16. Januar legte die EU-Kommission eine neue Plastik-Strategie vor, mit der Umwelt und Wasser vor weiteren negativen Einflüssen durch Kunststoffabfälle geschützt werden sollen - und die auch die Verwendung von Mikroplastik aufgreift. Nach den neuen Plänen sollen ab 2030 etwa alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein, heißt es. Außerdem werde man Maßnahmen ergreifen, den Verbrauch von Einwegkunststoffen zu reduzieren und „die Verwendung von Mikroplastik zu beschränken“.
Zudem soll bei der Überarbeitung der Richtlinien über die Behandlung von kommunalem Trink- und Abwasser die Problematik Mikroplastik berücksichtigt werden. So soll ein Standardtest zur Messung der Mikroplastikbelastung in Klärschlammen erarbeitet werden, heißt es in dem Strategiepapier. Auch ist es aus Sicht der Kommission denkbar, dass die Kostenübernahme aller Abhilfemaßnahmen nach dem Verursacherprinzip erfolgen könnte, also die Industrie diese bezahlt.
Bis es zu derartigen Umsetzungen kommt, müssten jedoch erst einmal mehr Informationen gewonnen werden, schließt das Papier. Noch sei zu wenig darüber bekannt, wie Mikroplastik genau in Luft, Nahrungsmittel und Trinkwasser gelangt und wie es sich auf die menschliche Gesundheit auswirkt.