Eine Praxisübernahme ziemlich bester Freunde

„Konzept- und kopflos agieren? Das kann ja jeder!“

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Beide kennen sich aus dem Studium und starten 2019 gemeinsam in das Abenteuer eigene Praxis. Die Zahnärzte Lisa Piecha und Fabian Godek sprechen hier über tolerable Macken, wie sie das übernommene Team für sich gewinnen wollen und über die zentrale Erkenntnis vieler Gründerworkshops.

Frau Piecha, Herr Godek, Sie kennen sich aus dem Zahnmedizinstudium in Göttingen und wollen 2019 gemeinsam die Einzelpraxis von Frau Piechas Vater als BAG übernehmen. Wie kam es zu dieser Idee?

Fabian Godek: Wenn man während des Studiums und darüber hinaus so viel Zeit miteinander verbringt – wir waren Behandlungspartner seit dem 7. Semester und haben anschließend auch gemeinsam im Uniklinikum Göttingen gearbeitet – merkt man ziemlich schnell, ob eine gemeinsame berufliche Zukunft unter guten Freunden klappen könnte. 

Lisa Piecha: Da Fabian und ich aus der gleichen Stadt kommen – wir kannten uns vor dem Studium nicht –, wir uns während des Studiums mit allen Macken und Talenten gut kennengelernt haben und in unserer Heimat eine tolle Praxis steht, die auf einen Nachfolger wartet, standen die Sterne einfach gut. Anfangs haben wir diese Gedanken immer recht vorsichtig und hypothetisch formuliert, aber uns dann irgendwann gefragt: „Wären wir nicht verrückt, wenn wir diese Chancen nicht nutzen würden?“ Alles in allem war es ein glücklicher Zufall oder Schicksal, wie immer man das sehen möchte.

Godek: Natürlich müssen solche Entscheidungen wohlüberlegt sein und dürfen nicht leichtfertig getroffen werden, aber auf sein Bauchgefühl sollte man dabei ruhig hören. Deswegen war irgendwann auch nicht mehr die Frage, „ob“ wir dieses gemeinsame Projekt verwirklichen, sondern „wie“ und „wann“. Ende 2017 haben wir dann den Entschluss gefasst, die Praxis von Lisas Vater am 1. Januar 2019 zu übernehmen und 2018 die Übernahme zu planen und zu arrangieren.

Haben Sie eine Neugründung von Anfang an ausgeschlossen? 

Piecha: Für mich war schnell klar, dass ich die Chance, das eigene Familienunternehmen in zweiter Generation fortzuführen, nutzen möchte. Außerdem bin ich quasi in der Praxis groß geworden – manche Patienten kennen mich, seit ich ein kleines Kind war. 

Godek: Während des Studiums habe ich eigentlich immer mit dem Gedanken gespielt, irgendwann eine eigene Praxis zu gründen. Aber wie das so ist: Gedanken entwickeln sich weiter und neue Möglichkeiten ergeben sich. Mittlerweile sehe ich es als große Chance, das Projekt Existenzgründung gemeinsam mit Lisa, einer kompetenten Kollegin und guten Freundin, anzugehen. So können nicht nur die Aufgaben und Verantwortlichkeiten verteilt werden, sondern auch der fachliche und der menschliche Austausch im Berufsalltag kommen nicht zu kurz.

Warum haben Sie sich für eine warme Übergabe entschieden?

Godek: Durch die Tatsache, dass Lisa und ich bereits jetzt in der Praxis arbeiten, besteht aus unserer Sicht für die langjährigen Patienten so die Möglichkeit, sich besser an uns und die neue Generation zu gewöhnen. Veränderungen, die wir in der Praxis etablieren wollen, werden dann auch vom ehemaligen Chef mitgetragen, was nach außen ein deutliches Signal darstellt.

Piecha: Auch für das bestehende Team ist es unserer Meinung nach sinnvoll. Die Mitarbeitenden lernen uns, unsere Vorlieben und vielleicht auch manche Marotte besser kennen und können so die Gesamtsituation besser einschätzen. Jeder Mitarbeitende kann sich langsam an die Lage gewöhnen und sich auch mit eigenen Ideen in den Veränderungsprozess einbringen. Außerdem – machen wir uns doch nichts vor – die Vorstellung, auf den Rat eines erfahrenen und immer noch motivierten Zahnarztes bauen zu können, der uns auch in schwierigen Momenten stets zur Seite steht, ist sehr beruhigend.

Was haben Sie geplant, damit das bestehende Team den Chefwechsel annimmt? Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie hier?

Piecha: Uns ist ein steter Austausch zwischen dem Team und uns extrem wichtig. Dazu zählt vor allem, so transparent wie möglich zu sein, damit jede Mitarbeitende über den aktuellen Stand der Planungen und unsere Vorstellungen informiert ist. Das erreichen wir über regelmäßige Teamsitzungen, morgendliche Besprechungen oder bei einem gemeinsamen Kaffee.

Godek: Zentral ist für uns aber auch, die richtige Einstellung in Sachen Personalführung und Mitarbeiterkommunikation zu haben. Die Zeiten des autoritären Führungsstils sind zum Glück lange vorbei. Wir sehen die Mitarbeitenden als wichtigsten Bestandteil der Praxis an und möchten sie, so oft es geht, in die Entscheidungsprozesse einbeziehen. Aus diesem Grund führen wir anonymisierte Umfragen durch, in denen wir sie ganz gezielt nach Verbesserungsvorschlägen fragen, um die Schwachpunkte der Praxis nach und nach zu reduzieren und damit zu einem attraktiven Arbeitgeber zu werden, bei dem man auch zukünftig gerne arbeitet.

Wie sieht Ihr Praxiskonzept aus? Welche Prozesse wollen Sie umgestalten? Wo wollen Sie Schwerpunkte legen?

Godek: Genau diese Fragen sehen wir als zentrale Punkte bei der Übernahme/Neugründung einer Zahnarztpraxis. Konzept- und kopflos agieren – das kann ja jeder. Um unsere Vorstellung aber zu realisieren und zu justieren, haben wir uns bewusst dafür entschieden, gemeinsam mit der OPTI Zahnarztberatung ein Konzept zu entwerfen, das sich aktuell in der Bearbeitungsphase befindet.

Piecha: Wir möchten unseren Patienten ein Konzept bieten, bei dem der Service-Gedanke einen besonderen Stellenwert einnimmt. Uns ist wichtig, dass sich die Patienten nicht wie bei einem typischen Arztbesuch fühlen, wenn sie die Praxis betreten. Nach dem Motto: Anders und besser als erwartet. Dazu gehört mittelfristig auch, dass die Patienten in unserer Praxis einen Partner für sämtliche zahnmedizinischen Fragestellungen finden.

Godek: Aber generell gilt natürlich: Konzepte dürfen und sollen sich weiterentwickeln.

Sind bauliche Veränderungen oder Investitionen in neue Technik geplant?

Godek: Über unseren „Osterurlaub“ haben wir bereits einige Veränderungen in der Praxis vorgenommen. So wurde ein Server installiert und die bisher analog mit Karteikarten arbeitende Praxis digitalisiert. Darüber hinaus haben wir in eine neue, digitale Röntgenanlage investiert. Wir halten dies für einen notwendigen Schritt, um Prozesse effizienter und simpler zu gestalten, und möchten auch zukünftig unseren Patienten aktuelle und innovative Technik bieten.

Piecha: Deswegen sind wir sehr froh, dass wir durch die Unterstützung meines Vaters dieses Projekt bereits jetzt realisieren konnten, und freuen uns jeden Tag aufs Neue, wenn er von der Qualität der digitalen Röntgenbilder schwärmt (lacht). In einem nächsten Schritt möchten wir dann gegen Ende des Jahres, also kurz vor unserer Übernahme, die Behandlungszimmer modernisieren und ihnen einen neuen Look verpassen – auch als optisches Signal für unsere Patienten, dass sich hier etwas verändert. Darauf freue ich mich besonders.

Wie andere Gründer haben Sie nach dem Studium diverse betriebswirtschaftliche Workshops und Gründer-Seminare besucht. Was waren dabei die zentralen Erkenntnisse?

Piecha: Ich denke, unterm Strich muss man sich einfach trauen. Natürlich sollte man auf den Rat von erfahrenen Kollegen und die Tipps verschiedener Referenten hören, aber man muss für sich persönlich den richtigen Weg finden und darf sich dann nicht zu sehr beirren lassen. Auch wenn neue Abläufe oder Ideen nicht direkt auf Begeisterung stoßen, weil es die vergangenen 20 Jahre auch anders funktioniert hat, darf man sich nicht verunsichern lassen. Ich denke, man sollte sich immer zwischen Flexibilität und Konsequenz bewegen. Natürlich gehört einfach etwas Mut dazu, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Wir sind in der glücklichen Lage, diesen Weg gemeinsam mit einem tollen Team und einem guten Mentor zu gehen. Und ganz wichtig ist, ich weiß nicht ob es dafür auch Seminare gibt: Spaß an der Sache zu haben!

Godek:  Studierende der Zahnmedizin werden zwar in Deutschland fachlich hervorragend auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet – mit der beruflichen Realität hat dies jedoch kurioserweise leider in den seltensten Fällen etwas zu tun. Jeder von uns sollte sich so früh wie möglich mit den Themen BWL und Unternehmertum beschäftigen, denn jeder sollte natürlich auch eine wirtschaftliche Motivation haben. Hier gilt es, über den Tellerrand zu schauen und von anderen Berufen zu lernen. Nebenbei fällt das oft schwer. Mir hat es zum Beispiel sehr geholfen, während der OPTI SummerSchool eine Woche nur die relevanten Themen der Existenzgründung kennenzulernen. Die dabei gewonnenen Kontakte helfen, neben dem ganzen fachlichen Austausch auch einfach mal unter Kollegen zu fragen „Wie machst du das?“. Generell ist uns ein breit gestreutes Netzwerk extrem wichtig.

Laut Investmonitor des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) liegen Sie beide voll im Trend: Die Zahl der Praxisgründer unter 30 Jahren ist seit 2013 um mehr als ein Drittel gestiegen. Spüren Sie eine besondere Aufbruchsstimmung bei den Kollegen?

Piecha:  Unserer persönlichen Erfahrung nach verhalten sich Kolleginnen und Kollegen in unserem Alter eher etwas abwartend und zurückhaltend, was die Gründung einer eigenen Praxis angeht. In unserem Freundes- und Kollegenkreis sind wir jetzt auch die ersten, die diesen Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Aber aus Gesprächen wird auch immer wieder deutlich, dass die Existenzgründung mittelfristig auf der To-do-Liste steht. Aber natürlich reicht das nicht aus! Die Gegebenheiten und der Zeitpunkt müssen passen – und das war bei uns einfach der Fall.

Die Fragen stellte Marius Gießmann.

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