Versorgung gemeinsam nach vorne bringen!
Mit besonderer Spannung hat die Zahnärzteschaft Mitte Mai den ersten Auftritt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beim Frühjahrsfest von KZBV und BZÄK in der britischen Botschaft verfolgt. Wir haben die – zumindest vorläufige – Beendigung der Systemdebatte um die Einführung einer Einheitsversicherung ebenso begrüßt wie die Fokussierung der Regierung auf versorgungspolitische Ziele. Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen, war schon immer das Ziel des Berufsstands. Aus Sicht der KZBV bedarf es dazu jedoch unbedingt eigenständiger Steuerungselemente und gesetzlicher Lösungen. Durchaus sinnvolle Regelungen im ärztlichen Sektor sind nämlich keinesfalls auch 1:1 für den zahnärztlichen Bereich geeignet. Unser Berufsstand benötigt maßgeschneiderte Antworten, die den speziellen Belangen der zahnärztlichen Versorgung Rechnung tragen. Ich habe dem Minister daher eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der KZBV angeboten. Dafür benötigen wir jedoch adäquate Rahmenbedingungen, die jeden Kollegen tagtäglich anspornen, ihren verantwortungsvollen Beruf mit Leidenschaft auszuüben. Zugleich müssen sie junge Kollegen überzeugen, das Risiko von Niederlassung und Selbstständigkeit bewusst auf sich zu nehmen.
Auf ein besonders markantes Beispiel für eine eklatante politische Fehlsteuerung habe ich den Minister dann auch erneut hingewiesen: Die aktuelle Ausgestaltung rein zahnärztlicher Medizinischer Versorgungszentren. Diese MVZ stellen eine Gefährdung der flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung dar. In wenigen Jahren haben sich etwa 500 solcher Einrichtungen gerade dort etabliert, wo schon heute Überversorgung herrscht – in Großstädten, Ballungsräumen und einkommensstarken ländlichen Gebieten. Die Zielsetzung des Gesetzgebers, mithilfe der MVZ die Versorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern, ist – jedenfalls im vertragszahnärztlichen Bereich – krachend gescheitert! Statt junge Kollegen zur Niederlassung auf dem Land zu motivieren, werden solche Großversorgungsstrukturen gesetzlich gefördert und deren Sogwirkung in die Städte potenziert. Dabei belegt eine Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte zum Berufsbild junger Zahnärzte, dass angehende Kollegen, anders als viele junge Ärzte, den ländlichen Raum als Arbeitsort durchaus in Betracht ziehen: 80 Prozent aller Befragten wollen gerne in ihrer Heimatregion arbeiten. Das sind bemerkenswerte Ergebnisse! Hier liegt das Potenzial, die sich anbahnende Unterversorgung aufzuhalten! Ebenso beobachten wir mit wachsender Besorgnis, wie Finanzinvestoren die Kettenbildung von MVZ und damit Konzentrationsprozesse forcieren und immer häufiger Gründer und Träger solcher gewerblichen Strukturen werden. Die Vergewerblichung unseres Heilberufs wird so aktiv vorangetrieben. Ich bleibe dabei: MVZ haben im zahnärztlichen Bereich nur dann einen Mehrwert, wenn sie fachübergreifend ausgestaltet sind!
Eine weitere Forderung an die Politik ist die Abschaffung der leistungsfeindlichen Degression. Sie konterkariert geradezu politisch gewünschte Versorgungsziele wie etwa Präventionsmaßnahmen, die Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen und die aufsuchende Versorgung. Versorgungsanreize zu setzen, die dann durch Degression gleich wieder einkassiert werden, ist ein Widerspruch in sich, der schnellstmöglich aufgelöst werden muss!
Die Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis ist ein weiteres zentrales Anliegen der Zahnärzteschaft. Gemeinsam mit der Wissenschaft haben wir unlängst ein neues Versorgungskonzept für eine moderne Parodontitistherapie entwickelt. Ziel ist es, eine Parodontitisprävention im Rahmen der Individualprophylaxe für Kinder- und Jugendliche einzuführen und hinsichtlich der Parodontitistherapie die Weiterentwicklung des Leistungskatalogs zu erreichen. Auch im G-BA macht sich die KZBV mit Nachdruck für eine solche Versorgungsverbesserung stark. An die Politik richten wir erneut den Appell, unser Konzept aufzugreifen und mit entsprechender Gesetzgebung zu unterstützen!
Eine besondere Herausforderung ist auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Unser Berufsstand ist hier gut aufgestellt: Wir sind technikaffin und zugleich offen und begeisterungsfähig für Innovationen. Mit dem 10-Punkte-Papier der KZBV hat sich die Vertragszahnärzteschaft einen klaren Handlungsauftrag gegeben. Unabdingbar sind dabei der Aufbau einer sicheren Kommunikationsstruktur und die Ausgestaltung in den Händen der Selbstverwaltung.
Unser Angebot an den Bundesgesundheitsminister und die Politik gilt: Lassen Sie uns gemeinsam die Konzepte der Zahnärzteschaft zur Gestaltung der Versorgung diskutieren und die Versorgung gemeinsam nach vorne bringen!
Dr. Wolfgang Eßer
Vorsitzender des Vorstands der KZBV