„Ich wollte einen Job wie Hanni, Manni und Fred!“
zm-online: War Zahnarzt immer der Plan?
Malte Schaefer: Nein, das war nicht immer der Plan. Mein Opa hatte ein Dentaldepot, mein Vater war Zahnarzt. Als Jugendlicher hat mich die Serie „Nip Tuck“ („Schönheit hat ihren Preis“) inspiriert – darum wollte ich eigentlich plastischer Chirurg werden. Während eines Praktikums im Krankenhaus durfte ich dann mehrere Bereiche beschnuppern und schließlich bin ich doch bei den Zahnärzten gelandet.
Dort waren drei junge Zahnärzte: Hanni, Manni und Fred heißen die drei. Die hatten Spaß daran, mir alles zu zeigen, alles zu erklären und irgendwie hatten die drei eine so starke und lebensfrohe Ausstrahlung, dass sie mich damit angesteckt haben. Und dann stand fest: So einen Job will ich auch später machen!
Was wollten Sie genauso, was ganz anders machen?
Ich wollte unbedingt selbstständig und von niemandem abhängig sein. Auf jeden Fall wünsche ich mir weniger Stress, weniger Ärger und mehr Spaß an der Arbeit. Ich will nicht die große Masse bedienen, ich möchte Qualität liefern. Qualität vor Quantität.
Die Praxis hat meinen Vater krank gemacht, er hat Burn-out und wird den Beruf des Zahnarztes nicht mehr ausüben können. Mir wurde besonders bewusst, was ich möchte, als ich mit meinem Vater zusammengearbeitet habe. Da gab es wirklich viele Probleme. Vom ersten Tag an habe ich mir aufgeschrieben, wie man Arbeitsabläufe verbessern kann, wie man Schränke so einräumt, dass alles schnell griffbereit ist, wie die Praxis mit ein paar Handgriffen hübscher aussieht: Gelbe Wände wurden weiß gestrichen, Türgriffe erneuert – Kleinigkeiten eben.
Wie haben Sie sich auf die Übernahme vorbereitet?
Ich habe Bücher über Management, Marketing und Verkauf gelesen. Und schließlich bin ich auf den Betriebswirt der Zahnmedizin in Westerburg gestoßen. Die Themengebiete, die Diskussionen, aber vor allem die Kontakte haben meinen Horizont erweitert und mir enorm bei der Planung geholfen. Woher soll man als Zahnarzt wissen, wie man einen Betrieb führt, wie man Patienten gewinnt, wie man wirtschaftlich ist, wie man mit Patienten kommuniziert oder wie man einen Businessplan erstellt, der zu einem Zins von 0,4 Prozent führt?
Leider fehlt das im Zahnmedizinstudium – und lieber hätte man ein bisschen Wirtschaftslehre dazugepackt als manch anderes, was man als Student ertragen muss und nie wieder im Leben als Zahnarzt benötigt. Die Planung zusammen mit Architekten, dem Dentaldepot, den Handwerkern, dem Steuerberater und der Bank hat bestimmt eineinhalb Jahre in Anspruch genommen.
Was haben Sie von Ihrem Vater gelernt?
Durch meinen Vater habe ich die schönen Aspekte der Zahnmedizin kennengelernt. Aber auch die Schattenseiten. Und auch die Methoden, die sich bewährt haben. Zahnziehen war anfangs zum Beispiel eine Herausforderung. Ich wusste nicht mit welcher Kraft, welchem Winkel man da herangehen muss. Er hat mir dann assistiert und auch manchmal die Hand geführt, sodass ich ein Gefühl dafür bekommen konnte. Heute bin ich glaube ich schneller als er, aber darum geht es nicht.
Gut war, dass ich jemanden hatte, der mir helfen konnte. Ohne Routine ist man unsicher und das merkt der Patient. Andererseits hat es mich daran gehindert, selbstständig zu handeln – das hat mich gestört. Ich habe also jede Menge Fortbildungen und Curricula besucht, unzählige Videos angeschaut, Bücher gelesen etc. Ich bin durch Deutschland gereist, habe von Koryphäen gelernt und so konnte ich selbst entscheiden, welche Behandlungsmethode ich anwenden und wie ich meine Praxis gestalten möchte. Die Praxisplanung an sich habe ich eher alleine gemacht. Mein Vater hätte mich gerne daran gehindert, weil er Angst hatte, dass ich mich in Unkosten stürze. „Sei lieber vorsichtig“, „Du kannst doch nicht“, „Muss das jetzt schon sein?“ usw. musste ich mir anhören.
Wo waren Sie unterschiedlicher Meinung?
Das ging von A bis Z. Die Zusammenarbeit war wirklich nicht leicht und es war eine wirklich deprimierende Zeit für alle Beteiligten. Ich hatte tausend Ideen im Kopf, war super motiviert, und mein Vater hatte keine Kraft, irgendetwas zu ändern: „Das kannst du später alles anders machen.“ Von anderen bekam ich dann zu hören „Never change a running system, ist doch alles super!“, und die damaligen Angestellten waren auch nicht begeistert, wenn sie auf einmal Mehrarbeit leisten oder höflich und wertschätzend mit den Patienten am Telefon sprechen sollten, was sie früher nie mussten und was auch nie bemängelt wurde.
Täglich herrschte Chaos. Um den Patientenausfall zu kontrollieren, wurden zwei oder drei Patienten gleichzeitig einbestellt und manchmal mussten die Patienten dann ein bis zwei Stunden warten. Ich wollte hochwertige Zahnmedizin liefern und habe mich wirklich inkongruent gefühlt. Ich war nur der „Junior“, und irgendwie darin gefangen. Das mag kindisch klingen, aber ich war teilweise richtig zornig, deprimiert. Ich bekam mein festes Gehalt (meine besten Angestellten bekommen heute mehr), ich konnte nichts erschaffen, nichts ändern und ich musste warten, bis es hieß: „Ich höre auf, willst du meine Praxis kaufen oder willst du lieber woanders etwas Neues aufmachen?“
Haben Sie am Ende das Team Ihres Vaters übernommen?
Zwei Angestellte habe ich übernommen und darüber bin ich froh. Das alte Team hatte kein Interesse an meinen Ideen und der damit verbundenen Mehrarbeit. Blöd, denn bei mir gibt‘s mehr Gehalt und mehr Urlaub.
Sie haben Ihre Praxis aufwendig umgestaltet und komplett digitalisiert.
Natürlich kann auch eine alte Praxis gut funktionieren, aber Ich wollte die Praxis unbedingt erneuern, damit ich mich dort wohlfühlen kann. Mein Haus würde ich genauso gestalten und einrichten. Und wenn ich schon mal anfange, dann mache ich das das doch gleich richtig, oder? Die Digitalisierung erleichtert mir Arbeitsabläufe und ich muss nicht mehr die Handschrift meines Vaters entschlüsseln. Das DVT wollte ich haben, da ich viel implantiere, vor allem navigiert. Der Patient muss deswegen nicht extra zum Radiologen, die Wege verkürzen sich. Die Laser habe ich meinem Vater abgekauft, der immer schon an Technik interessiert war. Zusammen mit all den anderen Hightech-Geräten biete ich meinen Patienten im Umkreis eine wunderbare Nische und eine fortschrittliche Zahnmedizin. Natürlich hat das auch seinen Preis.
Welche unvorhersehbaren Situationen gab es bei der Gründung?
Jede Menge. Alles wurde teurer und alles hat länger gedauert als geplant. Woher sollte ich wissen, dass mich die Beleuchtung alleine 30.000 Euro kosten wird?
Geräte, die ich zusammen mit der Praxis gekauft habe, gingen auf einmal kaputt. Wieder unvorhersehbare Kosten. Und dann fragt man sich, ob man einen sechs Jahre alten Steri für 2.000 Euro reparieren lässt oder sich für 8.000 Euro gleich einen neuen kauft.
Was sollten Gründer unbedingt bedenken?
Da gibt es sehr, sehr viele Aspekte. Lernt von den Besten, besucht so viele erfolgreiche Praxen, Fortbildungen wie möglich. Und man sollte lieber länger planen, bevor man alles überstürzt. Den Betriebswirt kann ich auf jeden Fall empfehlen, da man die Zahnarztpraxis anschließend einfach aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.
Vita Malte Schaefer
1988 in Saarbrücken geboren
2004 Praktikum Winterbergklinik
2008 Abitur Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium
seit 2009 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Orale Implantologie (DGOI)
2009 Studienbeginn Zahnmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
2013 Curriculum Zahnärztliche Hypnose
2014 Staatsexamen Zahnmedizin
2015 Curriculum Implantologie (DGOI)
2015 Course of study in „Oral Implantology“ New York University College of Dentistry
2016 Mitglied International Congress of Oral Implantology (ICOI)
2016 Fortbildung zum Betriebswirt der Zahnmedizin und weitere in den Bereichen Implantologie, Chirurgie, Sinuslift, Existenzgründung, Kommunikation, Ästhetische Zahnmedizin, Laserzahnmedizin, Endodontie und Hospitationen bei diversen Zahnärzten
2015 bis 2017 Assistenzzahnarzt in der Zahnarztpraxis Dr. Michael Schaefer
seit Januar 2017 selbstständig