So haftet der angestellte Zahnarzt
Wird im Rahmen einer Behandlung der zahnärztliche Standard verletzt, so kommen im Verhältnis zum Patienten stets zwei Haftungsgrundlagen in Betracht: die sogenannte deliktische Haftung und die vertragliche Haftung. Beide Haftungsebenen unterscheiden sich hinsichtlich der Person des Haftenden sowie inhaltlich.
Die deliktische Haftung:
Ob angestellt oder nicht, prinzipiell gilt: Jeder Zahnarzt, der am Patienten tätig wird, haftet bei Behandlungsfehlern gegenüber diesem Patienten. Eine fehlerhafte Behandlung gilt nämlich als Verletzung der Gesundheit des Patienten, was nach allgemeinem Zivilrecht eine unerlaubte Handlung (§ 823 BGB) darstellt. Juristisch wird dies auch deliktische Haftung genannt. An dieser deliktischen Haftung führt für den angestellten Zahnarzt kein Weg vorbei. Wer zum Beispiel als Angestellter versehentlich den falschen Zahn zieht, kann sich nicht darauf berufen, dass der Behandlungsvertrag ja mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurde. Konkret heißt das, dass der Zahnarzt trotz der Anstellung persönlich gegenüber dem Patienten haftet.
Die deliktische Haftung gleicht jedoch nur Schäden aus (Schmerzensgeld, Verdienstausfall etc.). Eine Honorarrückzahlung wegen einer für den Patienten wertlosen Behandlung kann auf diesem Weg vom Patienten nicht geltend gemacht werden.
Die vertragliche Haftung:
Aus dem Behandlungsvertrag indes haftet nur der Arbeitgeber. Denn dieser ist Vertragspartner des Patienten. Dabei haftet der Arbeitgeber auch für Fehler seines Angestellten als sogenannter Erfüllungsgehilfe. Im Gegensatz zur deliktischen Haftung umfasst die vertragliche Haftung sowohl Schadenersatz- als auch Erfüllungsansprüche.
Beispiel: Der beim Praxisinhaber Dr. Zahn angestellte Zahnarzt A führt eine misslungene Wurzelkanalbehandlung durch. Während der Patient Schmerzensgeldansprüche sowohl gegenüber Dr. Zahn als auch gegenüber A geltend machen kann (nämlich aus Delikt, gegenüber Dr. Zahn zusätzlich aus dem Behandlungsvertrag), wäre ein Nachbesserungsverlangen oder eine Honorarrückforderung nur gegenüber Dr. Zahn möglich.
Erfüllungsgehilfe auf eigenes Risiko
Die vertragliche Haftung ist also inhaltlich weitergehend als die deliktische, weil aus einem Behandlungsvertrag mehr Pflichten resultieren als aus dem allgemeinen Gesetzesrecht. So haftet der Praxisinhaber aus dem Behandlungsvertrag auch für Fehler (auch seines Angestellten) bei der wirtschaftlichen Aufklärung des Patienten, die diesen „nur“ finanziell treffen. Für derartige Verstöße haftet der angestellte Zahnarzt als Arbeitnehmer gegenüber dem Patienten nicht.
Achtung: Für eine fehlerhafte zahnmedizinische Aufklärung haftet allerdings auch der angestellte Zahnarzt aus Delikt, denn eine ordnungsgemäße Aufklärung ist erst die Rechtfertigung für den zahnärztlichen Eingriff. Dieser ist ansonsten als (vorsätzliche!) Körperverletzung zu werten. Gleiches gilt auch für atypische Pflichtverletzungen. Besudelt der angestellte Zahnarzt das teure Designer-Hemd des Patienten mit einer Zahnspülung, so zählt dies als Eigentumsverletzung zur deliktischen Haftung.
Begeht ein angestellter Zahnarzt einen Behandlungsfehler, so haftet er zwar selbst deliktisch. Der Patient wird jedoch häufig auch den Praxisinhaber in Anspruch nehmen, denn dieser hat den angestellten Kollegen im Rahmen des Behandlungsvertrags als seinen Erfüllungsgehilfen auf eigenes Risiko eingesetzt. Häufig sieht der Patient in dem Praxiseigner zudem den solventeren Schuldner, ferner lässt sich eine Honorarrückzahlung nur dem Praxiseigner gegenüber durchsetzen.
Wird ein Praxisinhaber auf diese Art zur Kasse gebeten, wird er möglicherweise versuchen, seinen Angestellten in Regress zu nehmen. Ausgangspunkt dafür kann der Arbeitsvertrag sein, dessen „Schlechterfüllung“ den Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber grundsätzlich haftbar macht. Im Klartext: Wer schlechte Arbeit abliefert, die zu negativen Konsequenzen führt, erfüllt seinen Arbeitsvertrag nicht vollumfänglich.
Der innerbetriebliche Schadensausgleich:
Damit aber würde der angestellte Zahnarzt das eigentlich gerade beim Praxisinhaber verortete (und über die Honorarvereinnahmung ja auch entsprechend abgegoltene) Unternehmerrisiko aufgebürdet bekommen. Zudem sind im Rahmen täglicher Leistungserbringung gegenüber dem Arbeitgeber Fehler geradezu unvermeidbar und können nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts daher nicht genauso sanktioniert werden wie die Schlechterfüllung eines einmaligen Dienstes.
„Das kann ja mal passieren.“
Das Bundesarbeitsgericht hat daher eine interne Haftungsverteilung nach dem Grad des Verschuldens erarbeitet, den sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleich. Grob unterteilt ist der angestellte Zahnarzt nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht verantwortlich für leichte Fahrlässigkeit („Das kann ja mal passieren.“). Er haftet hingegen voll für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit („Das darf einfach nicht passieren!“). Die Verschuldensgrade dazwischen werden zwischen den Arbeitsvertragsparteien aufgeteilt, was im Einzelfall gegebenenfalls ein Arbeitsgericht festlegen muss.
Je nach Haftungsverteilung wird die „Außenhaftung“ (also etwa eine Rückzahlung des Arbeitgebers als Praxisinhaber an die KZV oder eine Schmerzensgeldzahlung des angestellten Zahnarztes an einen Patienten) zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgeglichen. Beispiel: Wenn der angestellte Zahnarzt also den falschen Zahn gezogen hat, wird er aufgrund grober Fahrlässigkeit regelmäßig seinem Arbeitgeber die Honorarrückzahlung an die KZV zu erstatten haben.
Andererseits können Fehler bei der Einbringung eines Zahnimplantats durch den Angestellten zu Schadenersatzansprüchen des Patienten führen, für die im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nur der Arbeitgeber haftet.
Der Freistellungsanspruch:
Im Innenverhältnis zwischen Praxisinhaber als Arbeitgeber und angestelltem Zahnarzt steht dem Angestellten gegenüber dem Praxisinhaber bei Inanspruchnahme durch einen Patienten wegen leichter Fahrlässigkeit ein sogenannter Freistellungsanspruch zu. Hierbei ist der Zahnarzt als Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer von der Haftung freizustellen, wenn nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich der Arbeitgeber intern haftet.
„Das darf einfach nicht passieren!“
Wird andersherum der Praxisinhaber und Arbeitgeber wegen eines Behandlungsfehlers seines Angestellten vom Patienten belangt, kann der Praxisinhaber allerdings im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht einfach den gesamten Betrag vom Gehalt seines Angestellten einbehalten. Insoweit sind nämlich stets die Pfändungsfreigrenzen zu beachten.
Die Berufshaftpflichtversicherung:
Es liegt auf der Hand, dass vor dem Hintergrund der komplexen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Haftung eine wohldurchdachte Berufshaftpflichtversicherung (auch) für angestellte Zahnärzte notwendig ist.
Der Praxisinhaber ist grundsätzlich verpflichtet, seinem Haftpflichtversicherer auch seine Angestellten zu melden und diese mit zu versichern. Hierbei ist sorgsam zu prüfen, ob sich wirtschaftliche Deckungslücken ergeben können. Ist etwa die Angestelltentätigkeit im Fall grober Fahrlässigkeit des Angestellten nicht mitversichert (mit dem Argument, dass in diesem Fall nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich ja im Endeffekt der Angestellte haftet), so kann sich dies als „Bumerang“ erweisen. Dann nämlich, wenn der Patient den Praxisinhaber in Anspruch nimmt und der Angestellte wegen nicht hinreichenden Vermögens nicht oder nur bedingt fähig ist, den Regress seines Arbeitgebers zu erfüllen.
Angestellte Zahnärzte müssen sich nicht zusätzlich selbst berufshaftpflichtversichern, es sei denn, sie werden daneben auch selbstständig tätig. Allerdings: Berufsrechtlich müssen alle selbstständigen und angestellten Zahnärzte haftpflichtversichert sein. Zwar ist es gleich, ob sie dies über den Arbeitgeber oder selbst veranlasst sind. Dennoch ist es wegen der Haftung bei grober Fahrlässigkeit ratsam, sich auch als angestellter Zahnarzt freiwillig abzusichern.
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