Zahnärztekammer Hamburg warnt

„Wer sich auf dieses Angebot einlässt, handelt rechtswidrig!“

Eine Firma bietet 25 positive Bewertungen für 999,99 Euro an, mit dem Argument, der Kauf sei moralisch vertretbar - schließlich handele der Zahnarzt aus Notwehr. Richtig ist: Er verstößt gegen die Berufsordnung.

„Liebe Ärzte, liebe Ärztinnen, wir kennen Ihr Dilemma“, beginnt die E-Mail, die die Firma „WeComBlue“ derzeit bundesweit an deutsche Zahnärzte verschickt. Gemeint ist die Zwickmühle, in der sich viele Zahnärzte befinden, wenn es um Online-Bewertungen geht.

So fühle WeComBlue mit allen Zahnärzten mit, die „tagtäglich Ihr Bestes geben, um jeden Patienten die bestmögliche Behandlung zu bieten“ und sich dann „ärgern, wenn Sie abends nach Hause kommen und eine schlechte Bewertung von einem verärgerten Patienten oder gar von einem Wettbewerber, der Ihnen böswillig schaden will, vorfinden.“ Gegen diese Negativ-Bewertungen müsse man vorgehen, so die Intention der Firma in den Werbemails. Indem man positive Bewertungen dagegen setze.

WeComBlue: „Bewertungen kaufen ist sinnvoll – nicht um Kunden hinters Licht zu führen, sondern um sein wahres Leistungsvermögen in der Öffentlichkeit zu präsentieren“

Die Masche hinter dieser Verkaufsstrategie ist neu: Wurde der Kauf von positiven Online-Bewertungen sonst nur als „versteckte“ Dienstleistung angepriesen, versucht WeComBlue keineswegs zu verschleiern, dass es sich um fiktive Bewertungen handelt, die ohne jeglichen Kontakt des vermeintlichen Patienten zum Zahnarzt verfasst werden.

So wird auf der Firmen-Webseite offensiv die Frage diskutiert, ob der Kauf von Bewertungen moralisch vertretbar sei. Natürlich, so das Fazit des Anbieters: „Bewertungen kaufen ist aus Sicht des Unternehmers eine wichtige und sinnvolle Maßnahme – nicht um Kunden hinters Licht zu führen, sondern um sein wahres Leistungsvermögen in der Öffentlichkeit zu präsentieren.“

Bewertungen zu kaufen sei daher „beinahe schon Pflicht um den potentiellen Kunden zu zeigen, dass er bei diesem Unternehmen in guten Händen ist und eben nicht betrogen wird“. Und das Kaufen von Bewertungen sei schließlich wichtig, „um die Arbeitsplätze und die Existenz des eigenen Unternehmens zu schützen“.

Kurz: „Der Zahnarzt verstößt mit gekauften Bewertungen gegen die Berufsordnung. Punkt.“

Dr. Peter Kurz, Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer Hamburg, warnt Zahnärzte eindringlich davor, sich auf so eine Offerte einzulassen: „Wir halten das Angebot für eindeutig rechtswidrig. Denn die Berufsordnung sagt klar, dass der Zahnarzt eine irreführende Werbung weder veranlassen noch dulden darf.“

Genau dies sei bei dem Angebot aber der Fall, „weil ganz eindeutig, jemand eine Bewertung verfasst, der kein Patient der zu bewertenden Praxis ist“, erläutert Kurz. „Eine unbeteiligte Person, die im Netz nach einem neuen Zahnarzt sucht und Bewertungen liest, geht aber davon aus, dass die Bewertungen von Patienten der Praxis stammen“ - so entstehe die Irreführung, die laut Berufsordnung verboten ist.

„Dem Zahnarzt sind sachangemessene Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Berufsrechtswidrige Werbung ist dem Zahnarzt untersagt. Berufsrechtswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung. Der Zahnarzt darf eine berufsrechtswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden und hat dem entgegen zu wirken.“

§ 21 (1) Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer, Stand 11. November 2017

Kurz wurde erst vor wenigen Tagen durch einen Zufall auf die Firma WeComBlue aufmerksam - das Maling tauchte auch bei der Zahnärztekammer Hamburg im Postfach auf. Nach Rücksprache mit Kollegen aus anderen Kammern war schnell klar,dass in mehreren Bundesländern gezielt E-Mails an Zahnärzte verschickt wurden. In Westfalen-Lippe warnt die Kammer ihre Mitglieder bereits in einer Information vor dem unredlichen Angebot.

Auch Kurz hat an die Hamburger Kammermitglieder nun eine schriftliche Warnung herausgegeben. „Der Einkauf von Bewertungen von Personen, die nicht Patienten der Praxis sind und daher keine Bewertung abgeben können, stellt eine irreführende Werbung und damit einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht und Berufsrecht dar“, heißt es in dem Newsletter. Und weiter: „Der Zahnarzt, der sich auf ein solches Angebot einlässt, verstößt damit gegen die Berufsordnung.“

Wie kann der Zahnarzt seinen guten Ruf wiederherstellen?

Der Fall zeigt, dass Online-Bewertungen für die Bewerteten tatsächlich ein Dilemma darstellen. „Das Thema bewegt viele Zahnärzte“, bestätigt Kurz. Er habe mit vielen Kollegen in Hamburg gesprochen, die betroffen sind, wenn sie ungerechtfertigte Negativ-Bewertungen erhalten. Der Wunsch, diese schnell durch positive Bewertungen ausgleichen zu wollen, liegt nahe. Kein Wunder also, dass WeComBlue mit ihrem Verkaufsargument genau hier ansetzt und diese Betroffenheit ausnutzt.

WeComBlue - Das Geschäft mit dem guten Ruf

Laut Impressum sitzt die Firma in Hongkong. Angepriesen werden auf der Firmenwebseite "ausschließlich hochwertige und individuelle Bewertungen von deutschsprachigen, geprüften Produkttestern". Dafür verlangt der Anbieter für eine Arztbewertung 69,99 Euro - für 25 Bewertungen werden 999,99 Euro fällig.

Sind alle gekauften Bewertungen 5-Sterne-Bewertungen? "In der Regel ja", schreibt WeComBlue auf der Webseite. "Sollte Ihr aktueller Bewertungsschnitt allerdings unter 4,0 sein können sie auch Bewertungen erhalten die über diesem Schnitt liegen. Wir machen dies damit Ihr Profil nicht unter Verdacht gerät und potentielle Kunden nicht weitere negative Bewertungen schreiben in denen sie sich über die plötzlich steigende Anzahl an positiven Bewertungen beschweren."

Zu dem Hinweis der Zahnärztekammer Hamburg, dass der Zahnarzt mit gekauften Bewertungen gegen die Berufsordnung verstoße, wollte WeComBlue keine Stellung beziehen. Auf eine Anfrage der zm reagierte der Anbieter (bisher) nicht.

„Auch wenn der Wunsch verständlich ist, schnell seinen guten Ruf herstellen zu wollen, mit gekauften Bewertungen geht das nicht“, betont Kurz. Er empfiehlt Zahnärzten sich gegen falsche Tatsachenbehauptungen und Negativ-Bewertungen zur Wehr zu setzen. „Grundsätzlich gilt, dass Bewertungsportale nur zulässige Bewertungen veröffentlichen dürfen. Bewertungen, die auf falschen Tatsachen beruhen, muss man daher nicht auf sich sitzen lassen“, betont Kurz.

Schwieriger sei es dagegen, gegen Negativbewertungen vorzugehen, die lediglich die Einschätzung des Patienten wiedergeben, wie zum Beispiel „der Zahnarzt war mir nicht freundlich genug“, „mir hat die Stimmung in der Praxis nicht gefallen“, oder „die Begrüßung fand ich nicht gerade nett“. Kurz empfiehlt hier, tatsächlich mit mehr positiven Bewertungen diesen negativen Bewertungen entgegenzutreten - aber natürlich mit realen Patienten. „Zahnärzte können zufriedene Patienten ermuntern, eine Bewertung abzugeben. Das dauert in der Regel bestimmt etwas länger, bis auf diese Weise 25 neue Bewertungen zustande kommen, kostet dagegen aber auch keinen Cent.“

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