Knochendichte Raumforderung im Sinus maxillaris
Odontogene Kieferhöhlenerkrankungen können entzündlicher, zystischer und neoplastischer Genese sein. Ihre korrekte Einordnung erfordert neben anamnestischen, klinischen und radiologischen Informationen auch die histopathologische Beurteilung.
Anamnese
Ein 54-jähriger Patient wurde unserer Klinik zur Abklärung einer unklaren, scharf begrenzten Raumforderung der linken Kieferhöhle vorgestellt. Diese fiel als Zufallsbefund im Rahmen einer Computertomografie auf, die zur Untersuchung eines unklaren Schwindels angefertigt wurde. Aus der Allgemeinanamnese ergaben sich bei Depression, arterieller Hypertonie, Psoriasis und Vorhofflimmern keine Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang.
Klinischer Befund
Hinsichtlich einer typischen und wegweisenden Kieferhöhlenbeschwerdesymptomatik, wie Dauerschmerz, Palpationsschmerz im Bereich der linken Kieferhöhle, Rhinorrhoe oder eine Sensibilitätsstörung im Innervationsgebiet des N. infraorbitalis, zeigte sich bei der extraoralen Untersuchung kein auffälliger Befund.
Bei der intraoralen Untersuchung wurde eine chronische generalisierte moderate Parodontitis festgestellt. Die Zähne 26 und 27 zeigten sich in der Sensibilitätstestung negativ und schwach perkussionsschmerzhaft. Zahn 27 war zudem zweitgradig gelockert.
Radiologischer Befund
Das OPG (Abbildung 1) offenbarte eine knochendichte Verschattung im Bereich des linken Sinus maxillaris im Bereich 26 und 27. Die Zähne wiesen zudem periapicale Osteolysen auf. An Zahn 26 zeigte sich eine caries profunda.
Das Computertomogramm (Abbildungen 2, 3 und 4) zeigte in der linken Kieferhöhle eine scharf begrenzte, glattwandige, exophytisch gestielte, etwa die Hälfte der Kieferhöhle ausfüllende Raumforderung mit knochenisodenser Begrenzung. Die Binnenstruktur wies ein von Zahn 27 ausgehendes, zentral hypodenses Zentrum auf. Die basale Kieferhöhlenschleimhaut stellte sich geschwollen dar.
Therapie
Zur differenzierten Untersuchung des Befundes erfolgte die Exstirpation der Raumforderung über einen transantralen Zugang mit gleichzeitiger Extraktion der Zähne 26 und 27.
Die Untersuchung der Asservate zeigte das histopathologische Bild einer radikulären Zyste mit exostotischen Anteilen und schwerer florider Begleitentzündungsreaktion (Abbildungen 5 und 6). Auf Basis der klinischen und histologischen Befunde ergab sich die Diagnose einer radikulären Zyste ausgehend von 27 mit einer chronischen floriden Begleitinfektion und reaktiv proliferierender Osteosklerose.
Diskussion
Die radikuläre Zyste macht über die Hälfte aller Kieferzysten aus und zählt damit zu den häufigsten odontogenen Kieferzysten. Im Bereich des Oberkiefers treten sie insbesondere im anterioren Bereich auf (Shear 1994). Bei der radikulären Zyste handelt es sich um eine inflammatorische Zyste, die im Bereich des Periapex eines avitalen Zahns aus einem apikalen Granulom entsteht. Der chronisch entzündliche Reiz kann eine Proliferation von residuellen epithelialen Malassezs’chen- Zellnestern induzieren.
Es kommt zur Entstehung einer plattenepithelial ausgekleideten Zyste (Bakos et al. 2014). Klinisch bleiben radikuläre Zysten im Oberkieferbereich, sofern nicht infiziert, in der Regel zunächst asymptomatisch. Bei Größenprogredienz kann es zu Schwellung, Verdrängung und Lockerung von Zähnen sowie bei Ausbreitung in die Kieferhöhle zu sinusitischer Symptomatik oder Sensibilitätsstörung des Nervus infraorbitalis kommen (Sagit et al. 2011).
Als diagnostische Mittel werden neben der sorgfältigen Befunderhebung verschiedene radiologische Untersuchungen diskutiert: Die Orthopantomografie stellt nicht die erste Wahl in der Röntgendiagnostik der Kieferhöhlen dar, da eine Beurteilung der Kieferhöhlen nur im basalen Anteil unter Einschränkungen möglich ist. Ebenso wird die okzipitomentale Schädelaufnahme (NNH) nicht in erster Linie empfohlen, weil die genaue Lokalisation möglicher Befunde aufnahmebedingt ausgeschlossen ist. Zur exakten Beurteilung der Kieferhöhlen werden heute dreidimensionale Verfahren empfohlen. Die niedrige Strahlenexposition ist bei der DVT und CT im Niedrigdosisprotokoll miteinander vergleichbar. Beide Verfahren eignen sich zur Klärung von Fragestellungen im Hochkontrastbereich und werden als diagnostische Mittel empfohlen (Keutel et al. 2014).
Histologisch zeigt sich das Bild einer plattenepithelial ausgekleideten Zyste mit Proliferation der Reteleisten und chronischer plasmazellreicher und florider Entzündung (Bakos et al. 2014). Atypisch beim vorliegenden Fall ist die der Zyste angrenzende ausgeprägte Knochenneubildung im Bereich der Kieferhöhle, welche als Folge einer länger bestehenden, chronisch floriden Entzündung zu werten ist.
Differenzialdiagnostisch sind nichtodontogene Zysten der Kieferhöhle wie Mukozelen und Schleimretentionszysten, odontogene Tumore wie die Keratozyste, das Ameloblastom, das odontogene Myxom, ein Osteom, das ossifizierendes Fibrom oder ein Zementoblastom abzugrenzen.
Bei großen Prozessen der Kieferhöhle ist die Entfernung des Befundes über einen transantralen, osteoplastischen Zugang mit Replantation des Knochendeckels angezeigt. Können Zähne als Fokus identifiziert werden, so sollten diese einer chirurgischen Therapie zugeführt werden (Reinert und Krimmel 2014).
Fazit für die Praxis
Fazit für die Praxis
Knochendichte Raumforderungen der Kieferhöhle können vielfältiger Genese sein
Die zahnärztliche klinische Untersuchung kann erste Hinweise auf die vorliegende Entität liefern
Für die Diagnostik und Operationsplanung gelten DVT und Computertomografie als Standard
Postoperativ werden röntgenologische und klinische Kontrollen empfohlen, Richtlinien bezüglich zeitlicher Intervalle existieren nicht.
Dr. Dr. Valentin Wiedemeyer
Dr. Nils Heim
Dr. Dr. Markus Martini
Abteilung für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie des Uniklinikum Bonn
Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn
Valentin.wiedemeyer@ukbonn.de
Literaturverzeichnis:
1) Bakos G, Fend F, Adam P. Pathologie odontogener Kieferhöhlenerkrankungen, MKG-Chirurg. 2014; 7:185–194
2) Keutel C, Heuschmid M, Reinert S. Bildgebende Verfahren bei Kieferhöhlenerkrankungen. MKG-Chirurg. 2014; 7:177–184
3) Sagit M, Guler S, Tasdemir A, Somdas M. Large radicular cyst in the maxillary sinus. Journal of Craniofacial Surgery. 2011; 22(6):64–65
4) Shear M. Developmental odontogenic cysts. An update. J Oral Pathol Med. 2014; 23:1–11
5) Reinert S, Krimmel M. Therapie odontogener Kieferhöhlenerkrankungen. MKG- Chirurg. 2014; 7:195–205