„Frau Doktor, ich habe Ihnen was mitgebracht ...“
Die neuen Straftatbestände stellen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen – also auch in der Zahnarztpraxis – unter Strafe. Bestraft wird, wer als Heilberufler im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei bestimmten Handlungen, wie etwa der Verordnung und dem Bezug von Arzneimitteln oder der Zuführung von Patienten, einen anderen im inländischen oder im ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Zentrales Element der Strafbarkeit ist dabei der „Vorteil“, der sehr weit zu verstehen ist. Er umfasst jede materielle wie immaterielle Zuwendung.
Allerdings: Nicht jede Vorteilsgewährung ist strafbar! Vielmehr ist erforderlich, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb gewährt wird. Hierin liegt die sogenannte Unrechtsvereinbarung, die Dreh- und Angelpunkt der Strafbarkeit ist. Es handelt sich um ein auslegungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal, das durch die Rechtsprechung Konkretisierung erfährt. Hierin liegt das Kernproblem der neuen Straftatbestände für Zahnmediziner.
Wird eine Gegenleistung erwartet oder nicht?
Was also, wenn etwa ein Zahnarzt von einem Patienten nach Abschluss der Behandlung eine Flasche Wein als Dank für seine Leistung erhält? Die Weinflasche stellt eine materielle Zuwendung und damit einen Vorteil dar. Es fehlt in diesem Fall jedoch an einer Unrechtsvereinbarung, da der Patient nach abgeschlossener Behandlung durch Geschenke nicht mehr auf den Zahnarzt im Sinne einer Bevorzugung des Patienten einwirken kann. Die Annahme der Weinflasche ist daher in dieser Konstellation strafrechtlich unproblematisch.
Anders könnte die Beurteilung ausfallen, wenn der Patient durch das Geschenk Einfluss auf seine künftige Behandlung nehmen möchte. Weniger klar liegt der Fall auch, wenn ein Patient bereits zu Beginn einer Behandlung beschenkt. Denkbar ist, dass er durch Geschenke das besondere Wohlwollen seines Behandlers erlangen möchte, um in den Genuss einer bevorzugten Behandlung, beispielsweise bei der Terminvergabe oder Ähnlichem, zu kommen.
Ob bei einer Bejahung der Unrechtsvereinbarung in einem derartigen Fall tatsächlich mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist, kann derzeit nicht beantwortet werden. Bagatellgrenzen in diesem Bereich werden in der Literatur zwar diskutiert, wurden von der Rechtsprechung bislang jedoch noch nicht konkretisiert. Der Gesetzgeber hat die Regelungen gegen Korruption recht abstrakt und dadurch wenig anschaulich gefasst. Weitere Beispiele sollen die Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten aufzeigen:
Vorteilsnahme bei Fortbildungen
Nach der Berufsordnung dürfen Zahnärzte geldwerte Vorteile für die Teilnahme an Fortbildungen durchaus annehmen – etwa von Unternehmen im Dentalbereich. Voraussetzung ist aber, dass sie angemessen sind und über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren nicht hinausgehen. Zulässig ist danach etwa die Übernahme der Kosten für eine Zugfahrkarte oder ein Flugticket sowie die Übernahme der notwendigen Übernachtungskosten in angemessener Höhe für den an der Fortbildung teilnehmenden Zahnarzt selbst.
Unzulässig ist nach dieser Regelung beispielsweise die Übernahme von Reisekosten für eine Begleitperson. Dasselbe gilt für die Übernahme von Kosten für „Verlängerungstage“, ein kostspieliges Rahmenprogramm oder die Unterbringung in einem Luxushotel.
Zusammenarbeit mit der Industrie
Im Fokus des Interesses stehen hier vor allem Anwendungsbeobachtungen, bei denen niedergelassene Zahnärzte die konkrete Wirkung eines Arzneimittels in alltäglichen Behandlungssituationen dokumentieren und ihre Erkenntnisse im Rahmen einer planmäßigen Zusammenarbeit an Pharmaunternehmen weitergeben. Dies ist in der Zahnmedizin weit weniger der Fall als bei Humanmedizinern, dennoch sollten auch Zahnärzte vorsichtig sein. Grund: Es kann der Verdacht aufkommen, dass hier in unlauterer Weise Einfluss auf das Verordnungsverhalten des Zahnarztes genommen wird.
Vor der Teilnahme sollte geprüft werden, ob die angebotene Vergütung bezogen auf den von ihm erwarteten Aufwand angemessen ist. Wird beispielsweise für das Ausfüllen eines Dokumentationsbogens, das zwanzig Minuten Arbeit erfordert, ein iPad als Gegenwert versprochen, dürfte die Vergütung als unangemessen hoch einzustufen sein.
Vorsicht ist auch geboten, wenn die Anwendungsbeobachtung zwingend die Umstellung auf ein anderes Arzneimittel erfordert. In diesem Fall ist die zahnärztliche Verordnungsfreiheit nicht mehr gewährleistet.
Überweisungen von und an Kollegen
Der Paradefall einer verbotenen Zuweisung gegen Entgelt liegt vor, wenn ein Zahnarzt für die Überweisung eines Patienten an einen Oralchirurgen eine Prämie erhält.
Auch Zahnärzte in einer Praxisgemeinschaft dürfen sich nicht zur gegenseitigen Zuweisung von Patienten verabreden. Die Praxisgemeinschaft ist durch die getrennte Berufsausübung ihrer einzelnen Mitglieder gekennzeichnet. Anders ist dies bei der Gemeinschaftspraxis, wo die Mitglieder sich gerade zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Juristisch strittig ist die Empfehlung eines Kollegen auf Nachfrage des Patienten.
Kooperation mit Heil- und Hilfsmittelerbringern
Zahnärzten ist es untersagt, abgesehen von ihrem Sprechstundenbedarf, Hilfsmittel in der Praxis zu lagern. Ausnahmen gibt es nur, sofern es um die Versorgung in Notfällen geht (Depotverbot). Der Gesetzgeber möchte so sicherstellen, dass sich Anbieter von Hilfsmitteln nicht durch Depots in Praxisräumen Vorteile im Wettbewerb verschaffen können.
Vergütet werden darf nur die zahnärztliche Leistung
Die genannten Beispiele sind keinesfalls abschließend, sie sollen lediglich einen Eindruck von möglichen Fallstricken geben. Es kann hilfreich sein, sich bei der Zusammenarbeit mit anderen zu fragen, ob man dadurch einen Vorteil erhält, das heißt eine Vergütung über die erbrachte zahnärztliche Leistung hinaus?
In Zweifelsfällen sind die Landeszahnärztekammern die geeigneten Ansprechpartner, um zumindest die berufsrechtliche Zulässigkeit eines geplanten Verhaltens abzuklären.
André Martin
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Kanzlei Fuchs & Martin, Würzburg/Volkach
Online-Broschüre von BZÄK und KZBV
Hilfreich ist auch eine Online-Broschüre der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die juristische Aspekte zum Thema Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen und in Zahnarztpraxen erklärt. Anhand von Fallkonstellationen werden Zahnärzte dort für Unrechtmäßigkeiten im Praxisgeschehen sensibilisiert.
Was sagt das Gesetz
Die beiden wichtigsten Regelungen finden sich in der Berufsordnung und im Sozialgesetzbuch.
Zahnärztliches Berufsrecht: Laut Berufsordnung sind Zahnärzte verpflichtet, in allen vertraglichen und sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre zahnärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patienten zu wahren. Ergänzend regeln die Berufsordnungen ein Verbot der Zuweisung gegen Entgelt. Außerdem dürfen Zahnmediziner ihren Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Kollegen, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen. Verstöße gegen berufsrechtliche Pflichten können von einer Rüge über die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis hin zur Durchführung eines berufsgerichtlichen Verfahrens führen.
In der Folge können eine berufsrechtliche Verwarnung, aber auch eine Geldbuße bis zu 50.000 Euro oder im schlimmsten Fall die Feststellung der Unwürdigkeit für die Ausübung des Berufs erfolgen.Sozialrecht: Für Vertragszahnärzte finden sich besondere Regelungen gegen Korruption im Gesundheitswesen im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V). So regelt § 73 Abs. 7 , dass sie sich für die Zuweisung von Versicherten kein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile versprechen oder gewähren lassen oder selbst versprechen oder gewähren dürfen. Den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen stehen im Fall eines Verstoßes ebenfalls Sanktionsmöglichkeiten zu, die von einer Verwarnung über einen Verweis und Geldbußen bis zu 50.000 Euro bis zur Anordnung des Ruhens der Zulassung reichen. Bei besonders grober Verletzung der vertragszahnärztlichen Pflichten kommt auch eine Entziehung der Zulassung in Betracht.