Verwechslung des Röntgenbildes
Was ist passiert?
In der Praxis gab es zwei Patienten mit demselben Namen und annähernd dem gleichen Alter. Bei einem war eine Weisheitszahn-OP (4 x Ost2) geplant. Bei OP-Beginn hatte die Assistenz das Röntgenbild auf dem Bildschirm geöffnet, aber die Schwierigkeit der OP stand nicht im Einklang mit dem Röntgenbefund. Daraufhin wurde der Behandler stutzig und kontrollierte das extrem klein geschriebene Datum des OPG. Letzteres war bereits im Jahr 2012 für die Entfernung aller Achter angefertigt worden und passte somit nicht zu dem aktuellen Patienten, der erst seit sechs Monaten in der Praxis war. So wurde die Verwechslung festgestellt.
Was war das Ergebnis?
Nach Feststellung der Verwechslung verlief die OP problemlos. Alle vier Weisheitszähne wurden komplikationslos entfernt. Allerdings hätten die Diskrepanzen zwischen Röntgenbefund und Realität einen jungen, unerfahrenen Kollegen möglicherweise überfordert. Tatsächlich befanden sich die Zähne nämlich in einer weit ungünstigeren Lage, was den Schwierigkeitsgrad der OP erheblich steigerte.
Welche Gründe können zu dem Ereignis geführt haben?
Der Berichtende gibt hier die ungenügende Kontrolle der Patientendaten einschließlich des Röntgenbildes durch den Behandler und die Assistenz an.
Hier handelt es sich um einen klassischen Fall, der bei einem funktionierenden Fehlermanagement als Instrument des Qualitätsmanagements (QM) in der Praxis hätte vermieden werden können – beginnend bei der Patientenaufnahme an der Rezeption über die aufmerksame Behandlungsassistenz (zur sachgerechten Behandlungsvorbereitung gehört in diesem Fall auch das Aufspielen des Röntgenbildes) bis zur Vergewisserung des Zahnarztes über die geplante Behandlung, die bereitgelegten Unterlagen und Instrumente sowie den zu versorgenden Patienten. Aber der Behandler verlässt sich auf die Assistenz, die Assistenz auf die Rezeption ...
Alter von Röntgenbildern
Das Röntgenbild, das hier als notwendige Basisinformation zur Verfügung stand, stammte aus 2012 und war folglich schon einige Jahre alt. Es empfiehlt sich, bei Behandlungen – insbesondere zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen –, für die Röntgenaufnahmen notwendige Informationen darstellen, aktuelle Aufnahmen zu haben, die nicht älter als sechs Monate sind.
Wie hätte das Ereignis vermieden werden können?
1. An der Rezeption
Die erste Lücke im Fehlermanagement der Praxis erfolgte an der Rezeption. Dabei ist es unerheblich, ob in der Praxis mit hand-geführter oder digitaler Kartei gearbeitet wird.
Sofern der Patient GKV-versichert ist und erstmalig im betreffenden Quartal die Praxis betritt, ist durch Einlesen der eGK eine Verwechslung eigentlich auszuschließen. Die dabei aufgespielten Daten erlauben den direkten Zugriff auf die richtige Karteikarte oder den Abgleich mit den Patientendaten auf dem Monitor.
Sollte ein Einlesen der eGK nicht mehr notwendig sein, sollten in einer sachgemäß und sorgfältig geführten Kartei die Karteikarten namensgleicher Patienten hintereinander sortiert sein, was einen Abgleich von Geschlecht und Alter leicht erm ö glicht sowie gegebenenfalls zu einer Nachfrage veranlasst.
Entsprechend ist das Vorgehen bei einer digital geführten Kartei, bei der die namensgleichen Patienten gelistet sind. Dasselbe gilt beim Datenabgleich von Privatpatienten.
2. Im Behandlungsraum bei der Behandlungsvorbereitung
Die zweite Lücke im Fehlermanagement der Praxis tat sich bei der Behandlungsvorbereitung auf. Auch hier ist ein Kontrollabgleich der Patientenunterlagen unumgänglich. Das ist hinsichtlich der Parameter Geschlecht und Alter schnell erledigt. Spätestens beim Aufspielen des digital gespeicherten Röntgenbildes sollte eine mögliche Inkongruenz der Unterlagen auffallen. Bei Vorliegen von analogen Röntgenbildern mit lesbaren Angaben zum Namen des Patienten und zum Datum der Aufnahme würde auch ein Abgleich mit den letzten Eintragungen in der Karteikarte Verwechslungen erschweren (zum Alter vorliegender Röntgenaufnahmen siehe Infokasten). Da in der Regel nur die Patientenunterlagen f ü r die anstehende Behandlung zur Verf ü gung stehen, ist zumindest bei h ä ufig vorkommenden Familiennamen das Geburtsdatum nachzufragen.
3. Durch den Behandler
Die dritte Lücke im Fehlermanagement der Praxis ist dem Behandler selbst anzulasten. Es ist aus vielerlei Gründen nachvollziehbar, dass er nicht selbst nochmals die interne Kontrolle „richtiger Patient“ vornehmen will. Aber es käme beim Patienten sicher positiv an, wenn er gerade bei durch Namensgleichheit gegebener Verwechslungsgefahr locker in Ton und Formulierung in Richtung Assistenz und Patient nachfragt. (Beispiel: „Nicht dass wir bei Ihrem Nachnamen eine Verwechslung haben und den falschen Zahn ziehen. Ihr Geburtsdatum ist der x.x.? Sie müssen wissen, auch bei uns gilt: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“). Jeder vernünftige Patient wird es einem danken.
Fazit
Durch das Schließen nur „einer Lücke“ hätte das Ereignis vermieden werden können (siehe Abbildungen).
Risiko- und Fehlermanagement
Risikomanagement
Risikomanagement ist nach den Vorgaben der sektorenübergreifenden QM-Richtlinie des G-BA ein wichtiges und verpflichtend umzusetzendes Instrument des Qualitätsmanagements. Es bedeutet, die in der Praxis individuell bestehenden Risiken gemeinsam mit dem Team zu besprechen, zu identifizieren und zu analysieren. Bei der Ermittlung sollten alle Mitarbeiter einbezogen werden, um im Team diese Risiken zu bewerten und Lösungen zur Bewältigung und Steuerung festzulegen. Dabei ist auch zu bestimmen, wer für die Überwachung des jeweiligen Risikos verantwortlich ist. Risikomanagement ist ein kontinuierlicher Prozess. Die Gesamtverantwortung verbleibt beim Praxisinhaber, der auch eventuell erforderliche Schulungen veranlasst.
Beim Risikomanagement gelten die folgenden vom G-BA festgelegten Mindeststandards:
Risikostrategie festlegen und darlegen
Risiken identifizieren und analysieren
Einbeziehung aller, auch der Patientenperspektive
Risiken bewerten
Risiken bewältigen, steuern und überwachen
Verantwortlichkeiten festlegen
Führungsaufgabe
Schulung
Risikokommunikation
Implementierung, Evaluation und ggf. Anpassung der Maßnahmen
Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen [G-BA, 2014]
Fehlermanagement
Auch das Fehlermanagement ist als Teil von Risikomanagement ein wichtiges und verpflichtend umzusetzendes Instrument des Qualitätsmanagements entsprechend den Vorgaben der QM-Richtlinie des G-BA.
Beim Fehlermanagement wird festgelegt, wie man mit Fehlern oder Beinahefehlern in den Abläufen umgeht. Diese können oft bereits im Vorfeld vermieden werden, etwa dadurch, dass der Ablauf von wichtigen Behandlungen klar festgelegt ist. Geschehene Fehler können analysiert und genutzt werden, um Verbesserungen umzusetzen; beispielsweise bei organisatorischen Abläufen, in der Qualifikation des Praxisteams oder in der Kommunikation miteinander im Team, aber auch mit dem Patienten. Hierzu gehören auch die Erläuterung zu Medikationen, die Vermeidung von Verwechslungen und Rezeptionsversehen sowie die Aufklärung allgemein und die Informationsweitergabe an den Weiterbehandler.
So kann ich mitmachen
„CIRS dent – Jeder Zahn zählt!“ (CIRS: Critical Incident Reporting System) ist ein Online-Berichts- und Lernsystem von Zahnärzten für Zahnärzte. Auf der Website www.cirsdent-jzz.de können dort angemeldete Kolleginnen und Kollegen auf freiwilliger Basis, anonym und sanktionsfrei über unerwünschte Ereignisse aus ihrem Praxisalltag berichten, sich informieren und austauschen.
Ziel ist es, so aus eigenen Erfahrungen und denen anderer Zahnärzte zu lernen. Damit leistet jeder Teilnehmer einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit. Rund 5.800 Zahnärzte haben sich bereits registriert und 160 Berichte eingestellt. Machen auch Sie mit – es lohnt sich!
Zur Anforderung eines neuen Registrierungsschlüssels, etwa im Fall eines Verlusts, können sich Praxisinhaber an ihre zuständige Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) oder an cirsdent@kzbv.de wenden. Privatzahnärztlich tätige Kollegen und die Leiter universitärer zahnärztlicher Einrichtungen erhalten die Registrierungsschlüssel von ihrer (Landes-)Zahnärztekammer. Die Mitglieder der Bundeswehr erhalten ihre Registrierungsschlüssel von ihren Standortleitern.
Literaturliste
1. G-BA, Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement www.g-ba.de/informationen/richtlinien/87/
2. G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Qualitätsmanagement-Richtlinie vertragszahnärztliche Versorgung: Umsetzung des § 137 Absatz 1d Satz 1 SGB V vom 23.01.2014www.g-ba.de/downloads/ 40–268–2668/2014–01–23_ZAEQM-RL_137–1d_TrG.pdf