Aspergillom der Kieferhöhle nach Wurzelfüllung
Die 21-jährige Patientin hatte bei ihrem Hauszahnarzt eine Revision der Wurzelfüllung an Zahn 15 erhalten. Dabei wurde akzidentiell Wurzelfüllmaterial über den Apex in die Kieferhöhle luxiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin beschwerdefrei. Der Hauszahnarzt überwies die Patientin in eine HNO-Klinik mit der Bitte um Fremdkörperentfernung. Dort wurde versucht, den Fremdkörper endoskopisch über das Ostium naturale zu entfernen. Da dies nicht gelang, wurde die Patientin zur weiteren Therapie in eine oralchirurgische Praxis überwiesen. Ein Termin für die geplante Operation wurde zeitnah vereinbart, aber von der Patientin nicht eingehalten.
Eine Wiedervorstellung erfolgte erst sieben Monate später, nun aber als „Schmerzpatientin“. Der Zahn 15 war perkussionsempfindlich und die Patientin beklagte ein zunehmendes Druckgefühl über der Kieferhöhle rechts, das durch Klopfen in der Region zu provozieren war. In der präoperativen Panoramaschichtaufnahme war der apikale Fremdkörper deutlich erkennbar (Abbildung 1). In Analgosedierung erfolgte die operative Entfernung des nicht erhaltungswürdigen Zahns. Da die Entfernung des Fremdkörpers über die Extraktionsalveole nicht gelang, wurde ein Zugang über der fazialen Kieferhöhlenwand angelegt.
Nach Entfernung des Knochens wurde bereits der durch die Kieferhöhlenschleimhaut schimmernde Fremdkörper sichtbar (Abbildung 2), der gemeinsam mit einem Teil der deutlich verdickten Schleimhaut entfernt wurde. Bei der anschließenden Inspektion der Kieferhöhle imponierte eine Ansammlung von zystischem Granulationsgewebe, das ebenfalls entfernt und zur histopathologischen Aufbereitung eingesandt wurde (Abbildung 3). Die Kieferhöhle wurde endoskopisch nach Granulationsresten untersucht und durch Spülung gereinigt. Da das Ostium naturale weit offen war, konnte auf eine Infundibulotomie verzichtet werden. Das faziale Fenster wurde mit einer resorbierbaren Membran mit langer Standzeit verschlossen, das Periost geschlitzt, Fenster und Alveole plastisch gedeckt (Abbildung 4). Der Patientin wurden zusätzlich ein orales Antibiotikum, abschwellend wirkende Nasentropfen und Analgetika rezeptiert. Überdies wurde auf ein zweiwöchiges Schneuzverbot hingewiesen. Die histopathologische Untersuchung ergab unspezifische granulomatöse Infiltrate mit ausgedehnten Nekrosen sowie septierte Hyphen im Sinne eines Aspergilloms. Der Fremdkörper entsprach wie erwartet einem Materialrest der Wurzelfüllung. Die Patientin wurde in einen engen ambulanten Recall eingebunden. Die Nahtentfernung erfolgte nach zehn Tagen. Nach drei Monaten kam die beschwerdefreie Patientin zur Kontrolle.
Diskussion
Ein Aspergillom (Syn. Aspergillus-Myzetom) ist die kolonialiserte, lokale und abgeschottete Form der Aspergillose. Diese Schimmelpilzinfektion kann sowohl in natürlichen als auch in pathologischen Hohlräumen des Körpers vorkommen. Häufig sind hierbei die Nasennebenhöhlen oder das Lungengewebe betroffen. Bei immunkompetenten Patienten treten Aspergillome relativ selten auf, wobei – kausal vermutlich durch die vermehrte Gabe von Antibiotika und die verbesserte 3-D-Bildgebung bedingt – in den vergangenen Jahrzehnten ein Anstieg beobachtet wurde [Khongkhunthian et al., 2001]. So leiden circa zehn Prozent der Patienten mit chronischer Sinusitis ursächlich an einem Aspergillom [Burnham et al., 2009].
Nicht selten treten diese Pathologien, meist einseitig, im Zusammenhang mit zahnärztlichen Eingriffen auf, besonders wenn diese die apikale Region betrafen [Falworth et al., 1996; Khongkhunthian et al., 2001]. Hervorzuheben sind hier überpresste Wurzelfüllmaterialien mit Zink, die das Wachstum von Aspergillus-Spezies besonders fördern [Matjaz et al., 2004]. So wurden in einer Studie [Tomazic et al., 2016] 84 Prozent der Patienten mit Aspergillomen in der Kieferhöhle mit einer Wurzelkanalbehandlung in Verbindung gebracht. Darüber hinaus können Eingriffe, die die Sinusmembran perforieren, zu mukozilliärer Paralyse führen. Dies wiederum hat zur Folge, dass die selbstreinigende Drainagefunktion des Sinus gestört wird und so eine Pilz-Besiedlung wahrscheinlicher wird [Sato et al., 2010; Burnham et al., 2009]. So wurden Aspergillome auch in Verbindung mit Implantationen und Extraktionen im Oberkieferseitenzahnbereich oder knochenaufbauenden Maßnahmen beschrieben [Khongkhunthian, et al., 2001; Harada et al., 2017; Sohn et al., 2009; Burnham et al., 2009; De Foer et al., 1990]. Die digitale Volumentomografie (DVT) liefert hier aussagekräftige Informationen über Lokalisation und Größe [Torul et al., 2018].
In der Regel wächst das Aspergillom, besonders bei immunkompetenten Patienten, nicht invasiv. Hiervon ist jedoch das invasive Aspergillom respektive die invasive sinunasale Mykose abzugrenzen, die häufig bei immunkompromittierten Patienten vorkommt. Diese kann zur Destruktion des umliegenden Knochens, zu Ausfällen beziehungsweise zur Zerstörung der Hirnnerven [Winkler et al., 2002] und bei einer hämatogenen Streuung sogar zu Multiorganbefall und Tod führen.
Die Therapie eines Aspergilloms sollte durch eine chirurgische Exzision erfolgen. Häufig wird die Ausräumung über den transantralen Zugang verwendet, aber auch endoskopische Methoden sind möglich [Guivarc‘h et al., 2015.; Ogata et al., 1997]. Eine Studie [Chonillon et al., 2018] beschrieb Vorteile eines endoskopischen Zugangs durch die Fossa Canina gegenüber allen anderen Techniken. Die Vorzüge wurden in der optimalen Einsicht der Sinuswände, der Operation unter Lokalanästhesie, der Erhaltung der physiologischen Anatomie des Ostium naturale und der einfachen Entfernbarkeit möglicher Fremdkörper – besonders dentaler Herkunft – gesehen.
Eine systemische antifugale Therapie ist meist nicht nötig – mit der Ausnahme, dass die Symptome nach chirurgischer Therapie persistent bleiben [Sohn et al., 2009] Eine begleitende antibiotische Therapie wird allerdings empfohlen, um bakterielle Superinfektionen zu vermeiden [Fallworth et al., 1996].
Dr. Moritz Boeddinghaus
Fachzahnarzt für Oralchirurgie
Kieferchirurgie Königsallee Dres. Bonsmann/Diener/Becher & Kollegen
Königsallee 68, 40212 Düsseldorf
moritzboeddinghaus@gmail.com
PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, M.A., FEBOMFS
Leitender Oberarzt / Stellvertretender Klinikdirektor
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Fazit für die Praxis
Bei persistierenden Beschwerden der Kieferhöhle nach zahnärztlichen Behandlungen oder Eingriffen im Oberkiefer ist an eine iatrogene dentogene Sinusitis zu denken.
Die Unterscheidung zwischen odontogenen und rhinogenen Sinusitiden ist für die weitere Behandlung und die Operationstechnik entscheidend.
Die Operationstechnik sollte so gewählt werden, dass die auszulösende Ursache gut zu entfernen ist.
Literaturliste
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