Kleine Werkstoffkunde für Zahnärzte – Teil 3

Zirkonoxide

Heftarchiv Zahnmedizin
Annett Kieschnick
,
Martin Rosentritt
,
Bogna Stawarczyk
Zirkonoxide unterscheiden sich von den dentalen Glaskeramiken (Teil 2 der Serie) in der chemischen Zusammensetzung und daher auch in den Eigenschaften (Transluzenz/Opazität, Festigkeit). Die Indikationen sind weit gefächert und reichen von Veneers bis zu totalen Prothesen. Möglich sind sowohl zahn- als auch implantatgetragene Varianten.

Da für den klinischen Einsatz verschiedene Zirkonoxide mit teils sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Indikationen (Abbildung 1) angeboten werden, sind die Grundlagen der Materialien von enormer Bedeutung für den Anwender. Besonders wichtig ist eine Differenzierung zwischen tetragonalen und kubisch/tetragonal-basierten Zirkonoxiden, da erstere einer sogenannten Phasenstabilisierung unterliegen und dadurch eine erhöhte Festigkeit besitzen.

Andere Phase, andere Eigenschaften

Zirkonoxid als polymorpher Werkstoff kann prinzipiell in den drei verschiedenen Phasen monoklin (m), tetragonal (t) und kubisch (k) vorliegen [Rosentritt, Ilie et al., 2018; Rosentritt, Kieschnick et al., 2018; Stawarczyk, 2016]. Der Anteil der Phasen – und damit deren Hauptkomponente – bestimmt die Eigenschaften. Die Umwandlungen zwischen den einzelnen Phasen verlaufen in bestimmten Temperaturbereichen und sind reversibel. Eine oft benutzte Unterteilung der Zirkonoxide erfolgt nach den Generationen, also der zeitlichen Reihenfolge, in der die Werkstoffe am Markt verfügbar waren [Stawarczyk et al., 2017a; Stawarczyk et al., 2017b]. Von Anwenderseite verständlicher ist die Benennung der Zirkonoxide

  • über die Menge des dotierten Stoffs (zum Beispiel 3 Mol%), 

  • über die Bezeichnung des hinzu-dotierten Stoffs (zum Beispiel Y2O3) und 

  • über die resultierte Phasenkonfiguration (in Englisch zum Beispiel tetragonal zirconia polycrystal). 

So besteht das klassische Zirkonoxid der ersten Generation aus einem mit 3 Mol% Y2O3-dotierten tetragonalen polykristallinen Zirkonoxid (TZP: tetragonal zirconia polycrystal). Dieses Zirkonoxid besitzt zu circa 98 Prozent eine tetragonale Phase mit den daraus resultierenden Eigenschaften und – besonders wichtig für den Anwender – den entsprechenden Indikationen (Tabelle 1). Mit höherer Y2O3-Dotierung steigt der Anteil der kubischen Phase (4Y-TZP: circa 25 Prozent) bis auf circa 53 Prozent bei 5Y-TZP. Daher werden gelegentlich die Bezeichnungen PSZ (partly stabilized zirconia), also 5Y-PSZ, oder kubisch/tetragonales Zirkonoxid verwendet [Rosentritt, Ilie et al., 2018].

ATZ oder ZTA stehen für Zirkonoxide (Z), die mit Aluminiumoxid (A) „toughenend“ (T) = verstärkt sind (ATZ: alumina toughenend zirconia), also Werkstoffe, die häufig als Abutmentmaterial und/oder Implantatwerkstoffe verwendet werden. Manchmal werden Materialzusätze, die in nur geringen Mengen beigefügt sind, auch am Schluss der Bezeichnung angefügt (3Y-TZP-A: hier steht A für das Aluminiumoxid Al2O3). Die Anzahl, die Plazierung und die Korngröße der Aluminiumoxidkörner haben Einfluss auf die Transmission des Lichts und die Langzeitstabilität der Zirkonoxide.

Übersicht möglicher Zirkonoxide im Vergleich (Circa-Angaben)

 

3Y-TZP

4Y-TZP

5Y-TZP

Y2O3-Anteil mol%

3

4

5

Kubisch %

-

25

50

Tetragonal %

98

75

50

Transluzenz %

35

45

49

Biegefestigkeit MPa

1000

750

600

Indikation

mehrgliedrig

Veneer bis ≤3gl

Veneer bis ≤3gl

Provisorische Befestigung

ja

ja

ja

Vorbehandlung vor Befestigung

50< μm / 1 bar

50< μm / 1 bar

50< μm / 1 bar

Zementierung

ja

ja

ja

Selbstadhäsive Befestigung

Ja (evtl. mit MDP-Adhäsiv)

Ja (evtl. mit MDP-Adhäsiv)

Ja (evtl. mit MDP-Adhäsiv)

Adhäsive Befestigung

Ja mit MDP-Adhäsiv oder tribochemischen Verfahren

Ja mit MDP-Adhäsiv oder tribochemischen Verfahren

Ja mit MDP-Adhäsiv oder tribochemischen Verfahren

Quelle: Martin Rosentritt; Tabelle 1

Umwandlung und Dotierung

Die normalerweise bei der Abkühlung auftretende Phasenumwandlung von tetragonal zu monoklin kann durch eine Dotierung mit Oxiden verhindert werden. Das geforderte Phasengefüge wird dadurch bei Raumtemperatur im tetragonalen oder kubisch-tetragonalen Zustand stabilisiert. Über die Art und Menge an dotierten Oxiden kann die Phasenkonfiguration (tetragonal, kubisch) definiert werden, aber auch die Größe und Form der Körner und somit letztlich für den Anwender wichtige Eigenschaften wie Festigkeit oder Transluzenz. Oft wird die Dotierung für dentale Anwendungen mit Y2O3 durchgeführt.

Durch die Energie, die beispielsweise Risse bei der Verarbeitung (Strahlen, Schleifen) oder im klinischen Einsatz (Abrasion) erzeugen, kann sich das Zirkonoxid an der Rissspitze von tetragonal zu monoklin umwandeln. Hierbei findet eine Volumenexpansion statt. Der Riss wird initial gestoppt (Abbildung 2), das heißt, es werden höhere Kräfte benötigt, bis der Riss weiter fortschreitet und der Werkstoff frakturiert [Rosentritt, 2016]. Eine vergleichbare Stabilisierung kann für teilstabilisierte Zirkonoxide (PSZ) mit kubisch-tetragonaler Phase nicht nachgewiesen werden. Deren Festigkeit ist demnach geringer. 3Y-TZP Zirkonoxide weisen Dreipunktbiege-Festigkeiten um etwa 1.000 MPa auf, vergleichbare 5Y-TZP nur etwa 600 MPa (Tabelle 1).

Zirkonoxide mit tetragonaler Phase zeigen Alterungserscheinungen (hydrothermale Degradation oder „Low temperature degradation“), die durch Kaukräfte gefördert werden. Bei der hydrothermalen Degradation kommt es durch Diffusion von Wasser in das Material zu spontanen Phasenumwandlungen, was im Ergebnis zum Herauslösen von Körnern und Mikrorissen führt. Verstärkt werden diese Alterungseffekte in der Regel durch Verunreinigungen, eine unregelmäßige Verteilung der Dotierung oder falsche Sintertemperaturen [Stawarczyk et al., 2013]. Der Effekt war erstmals an Hüftimplantaten beobachtet worden und wird aktuell in einer klinischen Studie am Universitätsklinikum Erlangen von Prof. Dr. U. Lohbauer untersucht. Ob die hydrothermale Degradation tatsächlich eine signifikante klinische Relevanz in der Zahnmedizin zeigt, ist bislang unklar – sie beträfe in diesem Fall vor allem die Verwendung von Zirkonoxiden mit einem hohen Anteil tetragonaler Phasen (Generation I) als monolithisches Material. Bei der Verwendung als Gerüstmaterial ist das Zirkonoxid durch die Verblendung weitgehend geschützt. 

Die hydrothermale Degradation kann auch beim Autoklavieren oder bei der Reinigung von Abutments, Abutmentkronen oder Implantaten ausgelöst werden. Bei PSZ tritt nach aktuellem Kenntnisstand keine derartige Alterung auf [Rosentritt, Behr et al., 2018]. 

Lichtstreuung und Lichtbrechung

Die Lichtstreuung und -brechung spielt eine entscheidende Rolle für die ästhetischen Eigenschaften der Zirkonoxid-Restaurationen (Abbildung 3). 3Y-TZP-Oberflächen erscheinen oft matt und opak, da viel Licht reflektiert wird. Der hohe Brechungsindex an den Grenzen zwischen den einzelnen Körnern und die Ausrichtung der tetragonalen Kristalle spielen hierbei eine besondere Rolle. Viele Grenzflächen, wie sie beispielsweise bei kleinen Korngrößen, Poren oder Al2O3-Beigaben entstehen, tragen zur Streuung bei. Zirkonoxide mit kubisch-tetragonaler Phase (4Y-TZP, 5Y-TZP) besitzen eine verbesserte Lichtstreuung und somit bessere ästhetische Eigenschaften.

Es gilt also: Tetragonale Zirkonoxide (3Y-TZP) besitzen eine hohe Festigkeit, aber eine eingeschränkte Transluzenz. Kubisch-tetragonale Zirkonoxide (5Y-TZP oder 4Y-TZP) sind in der Transluzenz verbessert, aber in der Regel in der Festigkeit reduziert. In der klinischen Anwendung spielt zudem die Verarbeitung eine wichtige Rolle: Die korrekte Einhaltung der Sinterparameter ist von entscheidender Bedeutung für die Ausbildung der Phasen und damit die Qualität der Zirkonoxidrestaurationen [Stawarczyk et al., 2013]. 

Konditionierung und Stabilität

3Y-TZP-Materialien erlauben aufgrund ihrer hohen mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Bruchzähigkeit geringe Wandstärken (teilweise bis 0,3 mm) und damit eine minimal-invasivere Präparation. Prinzipiell sind Zirkonoxide zur adhäsiven und selbstadhäsiven Befestigung oder Zementierung freigegeben [Rosentritt, Lohbauer et al., 2016]. Restaurationen aus 4Y-TZP- oder 5Y-TZP-Materialien können durch die adhäsive Befestigung an Stabilität gewinnen – es entsteht ein fester Verbund zwischen Zahn und Restauration und damit ein stabiler Zahn-Keramik-Komplex. Generell wird empfohlen, Brücken aus Zirkonoxid adhäsiv zu befestigen.

Restaurationen aus Zirkonoxid können nicht mit Flusssäure geätzt werden. Daher müssen sie vorsichtig gestrahlt werden (50 µm/< 1 bar). Für eine Zementierung oder für eine Befestigung mit selbstadhäsiven Befestigungskompositen, die Phosphorsäure-modifizierte Monomere wie MDP enthalten, ist keine weitere Konditionierung nötig. Werden Zirkonoxide adhäsiv befestigt, ist eine Konditionierung zwingend nötig. Diese kann entweder tribochemisch (Rocatec) oder mit Adhäsiven, die Phosphorsäure-modifizierte Monomere (zum Beispiel MDP) enthalten, erfolgen. Das MDP-Monomer, das in manchen Universaladhäsiven enthalten ist, stellt eine stabile chemische Verbindung zwischen Zirkonoxid (über P-O-H-Gruppen) und dem Befestigungsmaterial (über C=C-Bindungen) her. Ein alternativer Verbund kann auch über Glasbeschichtungen erzielt werden (zum Beispiel Hotbond zirconnect, DCM) [Rosentritt, 2015; Rosentritt, 2017].

Härte und Oberfläche 

Zirkonoxide besitzen mit circa 1.200 HV eine sehr hohe Härte und zeigen klinisch keine oder nur sehr geringe Verschleißeffekte. Jeder prothetischen Restauration mit Zirkonoxid sollte daher eine gründliche okklusale und funktionelle Analyse vorangestellt sein. Werden die Oberflächen der Zirkonoxide entsprechend poliert und glasiert, sind keine negativen Verschleißauswirkungen auf die Antagonisten zu erwarten [Rosentritt, Behr et al., 2018]. Bei verblendeten Restaurationen können durch eine optimale Konstruktion und zahntechnische (Herstellung von Gerüst und Verblendung) wie zahnärztliche (Einschleifen und Politur) Verarbeitung Chipping-Probleme vermieden werden.

Fazit

Wichtige Punkte für den erfolgreichen Einsatz der Zirkonoxide sind neben der Kenntnis der Werkstoffe und deren Verarbeitung folgende Aspekte:

  • Unterscheidung und indikationsbezogene Auswahl der verschiedenen Zirkonoxide unter Berücksichtigung der Festigkeiten und Transluzenzen 

  • Differenzierung zwischen monolithischen und verblendeten Versorgungen 

  • Zirkonoxid-gerechte Präparation und Gestaltung (abrunden, scharfe Kanten und Frühkontakte vermeiden) 

  • kontrollierte Verarbeitung und eine auf ein Mindestmaß reduzierte Bearbeitung, um Defekte und Risse zu vermeiden

  • sorgfältige Politur und Glasur

  • gezielte Auswahl der optimalen Befestigungsstrategie (Strahlen, Adhäsivsystem)

Zahnärzte und Zahntechniker sollten ihr Fachwissen und ihre Erfahrung gemeinsam gezielt einsetzen, um den Überblick über die Vielfalt der Zirkonoxide zu behalten und diese Materialien im Sinne des Patienten erfolgreich anzuwenden.

Weitere Informationen finden Sie unter www.werkstoffkunde-kompendium.de.

Prof. Dr. Dipl. Ing. (FH) Martin Rosentritt

Universitätsklinikum Regensburg
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg
martin.rosentritt@ukr.de

Annett Kieschnick

Freie Fachjournalistin
Helmholtzstr. 27, 10587 Berlin

PD Dr. Dipl. Ing. (FH) Bogna Stawarczyk

Klinikum der Universität München
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Wissenschaftliche Leiterin Werkstoffkunde
Goethestr. 70, 80336 München

Literaturliste

Rosentritt M. Zirkonoxid richtig vorbereitet! Materialkundliche Grundlagen für die klinische Anwendung. Quintessenz Zahntechnik 2015; 2015 (41 (12)): 1544–1550

Rosentritt M. Alternative Zirkonoxidkeramik. Quintessenz Zahntech 2016; 42 (6): 729–730

Rosentritt M. Erfolgreich befestigen. Einige Grundlagen zum Thema festsitzender Verbund. Quintessenz Zahntechnik 2017; 2017 (43 (6)): 744–753

Rosentritt M, Behr M, Strasser T et al. Zirkonoxide als Implantatwerkstoff? Quintessenz 2018; 69 (12): 1420–1430

Rosentritt M, Ilie N, Lohbauer U. Werkstoffkunde in der Zahnmedizin. Moderne Materialien und Technologien; 2018

Rosentritt M, Kieschnick A, Hahnel S, Stawarczyk B. Werkstoffkunde-Kompendium. Zirkonoxid. Berlin: Apple ibook; 2018

Rosentritt M, Lohbauer U, Ilie N. Wie befestigen? ZWR 2016; 224–227, DOI: 10.1055/s-0042-105724

Stawarczyk B. Werkstoffkunde-Update: Zirkonoxid und seine Generationen - von verblendet bis monolithisch. Quintessenz Zahntechnik 2016 (6): 740–765

Stawarczyk B, Keul C, Eichberger M et al. Three generations of zirconia: From veneered to monolithic. Part I. Quintessence Int 2017a; 369–380, DOI: 10.3290/j.qi.a38057

Stawarczyk B, Keul C, Eichberger M et al. Three generations of zirconia: From veneered to monolithic. Part II. Quintessence Int 2017b; 441–450, DOI: 10.3290/j.qi.a38157

Stawarczyk B, Ozcan M, Hallmann L et al. The effect of zirconia sintering temperature on flexural strength, grain size, and contrast ratio. Clin Oral Investig 2013; 269–274, DOI: 10.1007/s00784-012-0692-6

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Annett Kieschnick

Freie Fachjournalistin
Helmholtzstr. 27
10587 Berlin
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Prof. Dr. Martin Rosentritt

Leiter Forschung
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensburg
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Prof. Dr. Dipl. Ing. (FH) Bogna Stawarczyk

Wissenschaftliche Leiterin Werkstoffkunde
Klinikum der Universität München
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
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