Ein Hauch von Gaudí in Bremen
Herr Schmerling, warum hängen Sie sich eine Skulptur an die Praxis, und warum eine in dieser Form?
Olaf Schmerling: Meine Frau und ich sind große Barcelona-Fans. Antoni Gaudís allgegenwärtige Architektur hat der Stadt durch seine natürlichen, organisch geschwungenen Formen ihren besonderen Stil gegeben. Das Nicht-Strenge und trotzdem sehr gut Funktionierende machen seinen Baustil sehr freundlich, harmonisch und schön anzusehen. Also habe ich der Bremer Schmiedin Silvia Pohlers einige Fotos von den überall in Barcelona zu findenden Straßenwandlampen im Gaudí-Stil gezeigt, mit der Bitte, mir ein ähnliches Modell zu fertigen.
Sie sagte mir dann, dass diese nur durch Gusstechnik herzustellen sind, was die Kosten sehr hochtreiben würde. Also überlegten wir, wie wir ein alternatives Projekt mit den vorhandenen Materialien auf den Weg bringen können. Und so ist nach einer langen Zeit des Brainstormings das Lichtobjekt über der Eingangstür entstanden. Es gibt über drei LED-Lichtleisten ein dezentes Licht. Die Steuerung erfolgt über eine Zeitschaltuhr, die den wechselnden Sonnenauf- und -untergang berücksichtigt.
Wie ging es nach diesem ersten Teil des Gesamtkunstwerks weiter?
Da mich sowohl das Ergebnis beeindruckt hat als auch die Resonanz meiner Patienten positiv ausfiel, habe ich mich entschlossen, die Hauswand noch weiter in dem Stil zu dekorieren. Entstanden sind dann die Skulpturen, die an der linken und an der rechten Seite der Wand zu sehen sind. Auch hier soll etwas Lebendiges, Wachsendes dargestellt werden.
Die größere Skulptur an der linken Seite um das Fallrohr herum enthält zwei sehr schön gearbeitete Briefe, die an die ehemalige Post erinnern sollen und an die in Metall dargestellte Metamorphose des Gebäudes von der Post zur jetzigen Zahnarztpraxis – dargestellt in der Form eines aufgerollten Briefes, der über zwei Zwischenschritte eine Zahnform annimmt. Im selben Stil hat Silvia Pohlers die Türklingel und den Briefkasten entworfen und angefertigt. Der Briefkasten hat von innen eine Verriegelung, die verhindert, dass sich der obere Deckel öffnen lässt. Dadurch wird ein Überquellen durch Werbezeitschriften und Ähnliches in der Urlaubszeit verhindert, und der Postbote ist gezwungen, die Briefe bei meinem Nachbarn, einem Juwelier, abzugeben.
Ein Teil der Skulptur sieht aus wie ein Artikulator.
Mit dem Artikulator haben wir Ende letzten Jahres begonnen. Er soll das Zusammenspiel von Praxis und Labor, Anatomie und Technik sowie Medizin und Handwerk zeigen. Die besondere Herausforderung lag dabei in der Gestaltung des Artikulator-Unterteils, das durch eine recht genaue Abbildung der menschlichen Mandibula – man achte auf die foramina mentalis und mandibulae – und einem laborähnlichem Oberteil bestehen sollte. Dazwischen schweben die stilisierten Zahnreihen, dargestellt durch die Vestibulär- und die Kauflächen. Die Motorradkette an der rechten Seite soll als Stilelement die Beweglichkeit des Artikulators zeigen, andererseits soll sie versteckt meine Leidenschaft für Motorräder widerspiegeln.
Wie haben Sie die Arbeiten erlebt?
Von der anfänglichen Idee bis zum fertigen Objekt verging viel Zeit. Die war aber auch nötig um aus industriellem Stahlblech einen anatomischen Körper zu schaffen, welcher in seiner Größe am besten zum Haus passt, sodass er weder zu zierlich noch überfrachtet wirkt. Die Skulptur sollte möglichst so gestaltet sein, dass sie auch von schräg unter betrachtet gut wirkt. Unsere Ideen dazu haben haben wir viele Male besprochen, und ich muss sagen, dass es großen Spaß gemacht hat zu erleben wie aus Visionen Formen werden.
Wieso betreiben Sie solch einen Aufwand mit der Außendekoration Ihrer Zahnarztpraxis?
Dafür gibt es wohl mehrere Gründe. Zuerst wohl aus Liebe zum Handwerk. Ich bin auch gelernter Zahntechniker. Dann wollte ich damit Oslebshausen, dem Stadtteil, wo die Praxis steht, und seinen Bürgern etwas Bleibendes verleihen beziehungsweise zurückgeben, da ich hier in den letzten fast 22 Jahren sehr gerne gearbeitet und mich immer sehr wohl gefühlt habe. Die Inspiration kam aber definitiv von Gaudís Barcelona.
Sind noch weitere Elemente geplant?
In der Planung befindet sich noch ein längs an der Decke der Praxis hängender Baum. Die Realisation wird gerade mit einem Bremer Bühnenbildner besprochen.
Die Fragen stellte Marko T. Hinz.