Weniger Zahnarztpraxen, steigende Zahnarztzahlen – wie passt das zusammen?
Eine drohende Unterversorgung zeichnet sich bislang nur vage ab. Nimmt man jedoch die neuesten Zahlen zur Situation in den Planungsbezirken zur Hand, wird dieses aus der Betroffenenperspektive gefühlte Problem erstmals durch belastbare Zahlen greifbar. Die Erklärung liegt jedoch ausweislich der Zahlen der Körperschaften nicht im Mangel an zahnärztlichem Nachwuchs begründet. Vielmehr zeigt sich eine ungleiche Verteilung insbesondere von Stadt zu Land, die sich in Zukunft weiter verstärken wird.
Stellt man auf die abnehmende Anzahl der Praxen ab, muss daher die Frage nach möglichen Versorgungslücken bezogen auf die heutige Versorgungsstruktur mit einem Ja beantwortet werden. Von 2007 bis 2017 reduzierte sich bereits die Zahl der an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Zahnärzte bundesweit um 5.000 Niedergelassene. Problemverschärfend wirkt sich die Altersstruktur aus. 2017 waren 24 Prozent der zahnärztlich tätigen Zahnärzte zwischen 55 und 64 Jahren alt, 10 Prozent waren bereits 65 Jahre und älter. Die gute Nachricht lautet: Die Zahnmedizin ist ein toller Beruf, den man erfolgreich bis ins höhere Alter ausüben kann. Die schlechte Nachricht: Es werden trotzdem mehr Praxen aufgegeben als übernommen oder neu gegründet. In diesem Szenario sind die Praxen auf dem Land überproportional betroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass zukünftig die Quote nicht nachbesetzter Kassenzahnarztsitze bei 30 Prozent liegen wird.
Die Situation wird derzeit noch maskiert durch den Umstand, dass viele Zahnärzte zwar vor dem üblichen Ende ihres Arbeitslebens stehen, jedoch vermehrt noch weitere Jahre bis ins hohe Alter tätig sind, weil sonst kein Zahnarzt mehr vor Ort ist. Ich habe allergrößten Respekt vor diesen Zahnärztinnen und Zahnärzten. Aber in der Konsequenz macht es die professionspolitische Aufgabe der Sicherstellung der Versorgung noch größer.
Interessant ist jedoch, dass bei Betrachtung der Anzahl der behandelnd tätigen Zahnärzte sich ein anderes Bild zeigt. Denn gemäß den Zahlen der KZBV nimmt die Anzahl der behandelnd tätigen Zahnärzte weiter zu. Das führt nun zu dem Effekt, dass bei gleichzeitiger Abnahme der Anzahl der niedergelassenen Zahnärzte die Anzahl der angestellten Zahnärzte weiter ansteigen wird. Wie zukünftig die Verteilung auf die einzelnen Ausübungsformen Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder Z-MVZ aussehen wird, muss sich zeigen.
30 % nicht nachbesetzte Kassenzahnarztsitze
Diese Entwicklung wird voraussichtlich dafür sorgen, dass die anzunehmende Versorgungslücke in der Realität deutlich geringer ausfallen wird, allerdings um den Preis einer erhöhten Mobilität der Patienten. Da die Anzahl der pro Niedergelassenen möglichen angestellten Zahnärzte kürzlich auf bis zu vier angehoben wurde, sind in den nächsten Jahren rein rechnerisch keine Versorgungsprobleme zu befürchten. Nur – wo keine Praxis mehr ist, kann es auch keine angestellten Zahnärzte mehr geben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in einigen wenigen Planungsbereichen Grund zur Sorge besteht. Im Hinblick auf die drohenden Versorgungslücken gilt es daher, die Imbalance städtisch/ländlich in den Griff zu bekommen.
Es ist nur logisch, dass sich weder die Zahnärzte noch die Patienten zwischen Flensburg und München gleichmäßig verteilen. In Frankfurt und Berlin teilen sich 700 bis 900 Patienten einen Zahnarzt, im Saarland sind es dagegen 1.400 bis 1.600. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Unterversorgung bestimmter Gegenden Deutschlands nicht nur Zahnärzte betrifft, sondern auch weitere Facharztgruppen, vor allem aber die Hausärzte. Gemäß Bundesgesundheitsministerium werden ab dem Jahr 2025 jährlich zehn Millionen Arzttermine nicht vergeben werden können. Rund 25 Prozent der Arzttermine insgesamt entfallen dabei auf die Zahnärzte.
Die jungen Gründer stehen in den Startlöchern
Eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang lautet also nach wie vor: Wie kann es gelingen, junge Zahnärzte für die eigene Niederlassung zu motivieren oder sogar für eine Tätigkeit als Landzahnarzt zu gewinnen? Hier werden die Ergebnisse der diesjährigen OPTI-SummerSchool hochinteressant. 80 junge Zahnärztinnen und Zahnärzte, davon die meisten als angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte tätig, machten sich fit rund um das Thema Niederlassung.
Die schöne Nachricht: Die allermeisten Teilnehmer der SummerSchool wollen sich in den nächsten drei bis fünf Jahren niederlassen. Auf die Frage nach den aus ihrer Sicht größten Herausforderungen nannten sie an erster Stelle: Personalfindung (in Zeiten des Personalmangels, der ja bei der Tätigkeit in der Praxis bereits hautnah erlebt wird), dann die Standortbindung, Existenzängste (auch im Hinblick auf den Wettbewerb zu MVZs) und die Bürokratie. Interessant war die Einschätzung, dass für die Selbstständigkeit eine selbstbestimmte Work-Life-Balance spricht. Will man also die Niederlassung fördern, sind die primären professionspolitischen Aufgaben genannt. Ansonsten ist zu befürchten, dass sich der Trend zu Großstrukturen weiter verstärken wird.
In diesem Sinne…
Ihr Christian Henrici