Studie zu Dinosauriern

Raubsaurier waren echte Großmäuler

Dinosaurier sind ein beliebter Forschungsgegenstand. In diesem Juni fand man heraus, dass einige Saurier schon 100 Millionen Jahre vor den Vögeln ein Federkleid besaßen. Eine andere Frage, nämlich die, wie weit Dinosaurier ihre Rachen aufreißen konnten, ließ sich schon vor vier Jahren klären. Beides übrigens unter anderem von Forschern der University of Bristol. Um das letztgenannte Problem zu untersuchen, hatte man dort drei Saurierarten – digital simuliert – ins Maul geschaut. Ergebnis: Raubtiere waren schon in dieser frühen Phase der Erdgeschichte „großmäuliger“ als Pflanzenfresser.

Untersucht wurden die Mäuler von Tyrannosaurus rex (T. rex), Allosaurus fragilis und Erlikosaurus andrewsi. Alle drei stammen aus der Gruppe der zweibeinigen Raubsaurier, den sogenannnten Theropoden. Die Wissenschaftler zeichneten dabei auf, wie weit ihre Muskeln es den Großreptilien erlaubten, den Unterkiefer zu öffnen. Dabei zeigten sich grundsätzliche Unterschiede zwischen den fleischfressenden Arten (T. rex, Allosaurus fragilis) und der pflanzenfressenden Spezies (Erlikosaurus andrewsi): Erstere konnten ihren Kiefer deutlich weiter öffnen als der Herbivore. Aber auch zwischen den Raubtiere gab es Unterschiede: Beim T. rex dehnten sich die verschiedenen Kiefermuskeln gleichmäßig, was eine anhaltende und konstante Kraftausübung ermöglicht – „optimal, um durch Muskelfleisch und auch Knochen zu beißen“, betont Studienleiter Dr. Stephan Lautenschlager. Um sicherzustellen, dass die Computersimulation der Dinosaurierschädel realistische Ergebnisse liefert, wurden außerdem Simulationen von heute lebenden Verwandten – von Vögeln und Krokodilen – erstellt und mit Beobachtungen aus der Natur und mit Literaturangaben verglichen.

Die Kiefermuskulatur bestimmt die Beute

Ergebnis: Die Kiefermuskulatur bestimmt, wie stark oder wie schnell ein Tier zubeißen kann, was erheblichen Einfluss auf mögliche Nahrungsquellen und Beutetiere hat. In der Studie „beleuchteten wir [...] einen weiteren Faktor, der bisher nicht untersucht worden war. Nämlich welchen Einfluss die Muskulatur auf den Öffnungswinkel des Unterkiefers hat“, beschreibt Lautenschlager den Forschungsgegenstand: Muskeln können sich nur zu einem bestimmten Grad dehnen, bis sie entweder nicht mehr kontrahieren oder die Gefahr besteht, dass die Muskelfasern reißen.

Man wisse jedoch relativ wenig über die Weichteile dieser Dinosaurier, da Weichgewebe wie Muskeln, Sinnesorgane und andere Gewebe im Gegensatz zu den mineralisierten Knochen und Zähnen nicht fossil überliefert sind, so Lautenschlager. „Dennoch ist es mithilfe moderner Computersimulation möglich, mehr über die Weichteilanatomie von T. rex & Co. zu erfahren und damit auch die Biologie und das Verhalten zu rekonstruieren“, erklärt der Wissenschaftler weiter. Die Muskeln seien hier von besonderem Interesse, da sie den Antrieb für verschiedenste Funktionen wie Fortbewegung, Atmung und Ernährungsweise liefern. Die so rekonstruierten Muskeln verraten entsprechend viel über das mögliche Verhalten ausgestorbener Lebewesen. Lautenschlager: „Wie Dinosaurier ihre Mäuler geöffnet haben, stimmt mit Beobachtungen bei Vögeln und Krokodilen überein. Und die sind ja entfernt mit Sauriern verwandt.“ Durch diesen direkten Vergleich der ausgestorbenen Tierart mit ihren lebenden Verwandten sei es möglich, die Muskulatur von Dinosauriern in digitalen Modellen zu rekonstruieren.

T. rex dental

Im Maul des Tyrannosaurus rex saßen bis zu 23 Zentimeter lange, sägeblattartige Zähne, die äußerst stabil waren und mit denen er mühelos Knochen, Sehnen und Muskeln zerteilen konnte. Selbst jugendliche Tyrannosaurier besaßen schon diese stabilen Zähne, die in der heutigen Tierwelt nur noch bei den Komodowaranen vorkommen.

2012 hatten US-Forscher T.-rex-Bissspuren auf Überresten von 18 Tieren untersucht, unter anderem am pflanzenfressenden Triceratops. Die Spuren vieler Zahnabdrücke zeigten demzufolge, dass der T. rex so lange am Kopf eines Triceratops zerrte, bis sich dieser – gepanzerte – Körperteil löste und die Nackenmuskulatur zugänglich wurde. Die Paläontologen fanden Zahnspuren auf der Vorderseite einiger Schädel, die darauf hinweisen, dass der T. rex hier fein säuberlich nagte, um das Fleisch zu entfernen. Die Hauptmahlzeit war allerdings das Nackenstück des Triceratops – und um da heranzukommen, war es den Forschern zufolge das Beste, „den Kopf abzureißen“.

Realistische Darstellung: Jurassic Park

Raubsaurier gemäß Jurassic Park mit weit aufgerissenen Mäulern darzustellen, ist also richtig: Allosaurus fragilis konnte demnach eine Rachenöffnung von bis zu etwa 79 Grad erreichen, T. rex kam auf eine Maximalweite von 63,5 Grad. Die stärkste Beißkraft beim T. rex, der immerhin auf eine Kraft von 57 Kilonewton pro Quadratzentimeter kam und somit den Rekord beim Zubeißen unter den Dinosauriern hielt, lag bei einem Winkel von 30 Grad. Da der Schädel des Tyrannosaurus allerdings mit einer Länge von 1,5 Metern rund ein Drittel länger als der des Allosaurus war, konnte er auch bei dem kleineren Öffnungswinkel sein Maul in eine ähnlich große Beute schlagen wie der Allosaurus. Außerdem stellten die Forscher fest, dass der T. rex auch bei anderen Öffnungswinkeln schon einen enormen Beißdruck ausübte.

Im Fall des T. rex zeigten die Forscher zudem, dass sein Beißapparat bei einem besonders breiten Spektrum von Öffnungswinkeln hohen Druck gewährleistete. Dies erlaubte es den Tieren, wohl besonders effektiv verschiedene Größen von Happen zu zerteilen beziehungsweise Knochen zu brechen.

Beim pflanzenfressenden Erlikosaurus andrewsi war hingegen bei etwa 43,5 Grad Öffnungswinkel Schluss, wie aus den Computersimulationen hervorgeht. „Wir wissen von heutigen Tieren, dass die Räuber in der Regel ihr Maul weiter aufreißen können als Pflanzenfresser – interessant ist, dass dies auch schon bei den Theropoden der Fall gewesen zu sein scheint“, so Lautenschlager in „Bild der Wissenschaft“. In der Ära der Dinosaurier galt dem Fachmedium zufolge also bereits, was heute noch in der Tierwelt typisch sei.

Quelle: Estimating cranial musculoskeletal constraints in theropod dinosaurs; Lautenschlager, Stephan; Royal Society Open Science, vol. 2, issue 11, p. 150495; 11/2015; DOI: 10.1098/rsos.150495

mth/pm

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