Diese Zahnärztin jettet um die Welt!
Die meisten Berufstätigen sind mit einer Tätigkeit voll ausgelastet. Sie arbeiten jedoch hauptberuflich als Kinderzahnärztin und nebenberuflich als Stewardess bei der Lufthansa. Warum zwei Jobs?
Dr. Alexandra Wolf: Ursprünglich wollte ich nur ein Jahr als Zahnärztin aussetzen, sozusagen ein Sabbatical machen und mir dabei meinen Kindheitstraum erfüllen und als Stewardess durch die Welt fliegen. Mir gefiel die Tätigkeit als Flugbegleiterin und das Reisen um den Globus sehr. Das Jahr verging dabei so schnell, man könnte sagen, „die Zeit verging wie im Flug“ – danach wollte ich die Fliegerei gern beibehalten. Lufthansa bietet verschiedene Teilzeitmodelle an, und als Zahnärztin ist es auch möglich, in Teilzeit tätig zu sein, so dass sich beides gut miteinander kombinieren ließ.
Selbst wenn Sie beide Tätigkeiten in Teilzeit ausführen – dennoch könnte ich mir vorstellen, ist es nicht einfach, alles in Einklang zu bringen. Wie organisieren Sie Ihren Alltag?
Ja, das ist nicht immer leicht. Ich bin ein sehr organisierter Mensch und plane Termine und Events gern Monate voraus, das ist schon einmal eine gute Grundlage. Die Praxis, in der ich jetzt tätig bin, hat ein sehr modernes Schichtsystem, mit dem es möglich ist, regulär mehrere Tage am Stück frei zu haben. Der Schichtplan läuft nach einem bestimmten Schema ab, somit weiß ich schon das ganze Jahr über, wann ich arbeiten muss und wann ich frei habe. In die freien Zeiten lege ich mir dann die Flüge hinein.
Welche Hindernisse müssen Sie dabei ausräumen?
In erster Linie für beide Tätigkeiten zwischen zwei Großstädten pendeln. Schwierig wird es, wenn ich Fortbildungen, berufliche oder private Termine zusätzlich unterbringen muss. Erschwerend kommt hinzu, dass solche Veranstaltungen manchmal über ganz Deutschland verstreut sind, aber irgendwie bekommt man immer alles gelöst.
Berufswunsch Stewardess und dann ein Zahnmedizinstudium – das klingt paradox. Warum haben Sie sich damals so entschieden?
Ich habe nach dem Abitur zwei Jahre im Ausland gelebt, der Reisedrang war zu dieser Zeit dann erst einmal gestillt. Meine Schulkameraden befanden sich alle im Studium und auch ich wollte dann unbedingt studieren, an die Uni gehen und wieder lernen. Schon lange während der Schulzeit hatte ich den Wunsch Richtung Medizin/Zahnmedizin zu gehen. Diesen Traum wollte ich mir damals auch erfüllen.
Die meisten Absolventen wählen den Weg in die Niederlassung. War das für Sie nie ein Thema?
Es ist schon immer mal wieder ein Thema gewesen. Ich möchte allerdings noch mehr Erfahrungen sammeln. Außerdem gibt man für die Selbstständigkeit viel Freizeit auf und nimmt allerhand unternehmerische Verantwortung und Bürokratie auf sich.
Warum wollen Sie nicht einen der beiden Berufe in Vollzeit ausfüllen?
Ich war in beiden Berufen jeweils für eine bestimmte Dauer in Vollzeit tätig. Die Kombination aus beidem ist für mich das Richtige. Wenn ich nur eine der Tätigkeiten machen würde, würde mir etwas fehlen.
Es ist schön, mal nur an einem Ort zu sein, die Kollegen regelmäßig zu sehen und täglich neuen Herausforderungen im Praxisalltag zu begegnen. Anderseits schätze ich es, auf jedem Flug neue Kollegen kennenzulernen, Abläufe nach einem festgelegten und fundierten Verfahren auszuführen und an verschiedenen Orten der Welt sein zu können.
Das will ich noch genauer wissen: Welche Eigenschaften schätzen Sie am Beruf der Zahnärztin? Und welche Eigenschaften schätzen Sie am Beruf der Stewardess besonders?
Als Zahnärztin kann man nachhaltig mit seinem Wissen und Können Menschen von Schmerzen befreien und ihnen dadurch eine bessere Lebensqualität bieten. Es ist schön, dass man täglich verschiedenste Disziplinen innerhalb der Zahnmedizin ausführen kann. Auch die Tätigkeit an sich ist sehr abwechslungsreich und fordernd. Außerdem bereitet es oft Freude, wenn man Patienten regelmäßig wiedersieht beziehungweise sie über eine längere Zeit begleitet.
Als Stewardess schätze ich es, Menschen innerhalb kurzer Zeit glücklich machen zu können und den Flug zu einem angenehmen und professionellen Reiseerlebnis werden zu lassen. Es ist spannend mit vielen verschiedenen Crewkollegen zusammenzuarbeiten und, dass man innerhalb weniger Stunden gleich eine enge Verbundenheit und Vertrautheit zu den Kollegen aufbaut, die man mit Arbeitskollegen in der Zahnmedizin erst nach mehreren Monaten hat. Zudem schätze ich die enorme Hilfsbereitschaft unter den Kollegen, die einheitlichen, strukturierten Vorgehensweisen und dass es untereinander keinen Neid oder Konkurrenzdruck gibt.
Und: Ich gehe nach einem Umlauf von Bord und nehme keine mentale Arbeit mit nach Hause, sondern kann mich wieder auf einen völlig neuen Flug mit neuen Gästen und neuer Crew freuen.
Sie arbeiten in einer Praxis für Kinderzahnheilkunde. Inwiefern können Sie dort von Ihrer Tätigkeit als Stewardess profitieren?
Wenn Eltern sich beschweren und aufbrausend werden, dennoch freundlich zu bleiben und nach einer Lösung zu suchen.
Gibt es andersherum Situationen, in denen Sie als Stewardess von Ihrer Tätigkeit als Zahnärztin profitieren können?
Vielleicht bei medizinischen Notfällen. Wobei ich da zum Glück noch keine ernsthaften Vorfälle an Bord hatte.
Warum würden Sie den Job als Zahnärztin niemals aufgeben?
Die Festlegung auf die Fliegerei wäre mir auf Dauer zu risikoreich und würde dann kein Highlight mehr in meinem Alltag sein. Man kann relativ schnell flugunfähig werden, man muss körperlich sehr fit und belastbar sein, zum Beispiel hinsichtlich der Zeitunterschiede, der Nachtflüge und der nicht-zirkadianen Rhythmik. Außerdem ist die Fliegerei immer wirtschafltichen Schwankungen ausgesetzt.
Die Zahnmedizin selbst ist facettenreich und ein sicheres Fundament. Die Menschen werden immer Zahnärzte brauchen – egal ob nur zur Vorsorge oder für Therapien. Man kann sich seinen Tag entsprechend der eigenen Arbeitsbelastungsfähigkeit bis ins hohe Alter gestalten und vielseitig tätig sein, nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Forschung, im Öffentlichen Dienst, in politischen Einrichtungen, bei der Krankenkasse, in der Industrie und sogar im Journalismus.
Die Fragen stellte Navina Bengs.