Westliche Ernährung fördert Knochenverlust bei Parodontitis
Schon vor etwa zehn Jahren haben epidemiologische Studien Parodontitis mit Adipositas in Zusammenhang gebracht [Chaffee und Weston, 2010; Suvan et al., 2011]. In der Folgezeit versuchte man, konkrete Wirkmechanismen zu identifizieren. So wurden adipöse Versuchstiere mit Parodontitis-Bakterien infiziert und die Zerstörung von Alveolarknochen untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Verlust an Alveolarknochen bei den adipösen Tieren größer war als bei den Normalgewichtigen [Amar et al., 2007].
Wie wirkt die Ernährung auf entzündliche Prozesse?
In einer Studie der Columbia Universität, New York, hatten Forscher den parodontalen Knochenverlust an adipösen Mäusen untersucht, die mit unterschiedlichen hochkalorischen Diäten ernährt und nach zehn Wochen mit Porphyromonas gingivalis infiziert wurden [Muluke et al., 2016]. Es handelte sich dabei einmal um eine mit Palmitinsäure angereicherte, fettreiche Ernährung und einmal um eine fettreiche, auf Ölsäure basierende, mediterrane Diät, die die zweite Gruppe erhielt. Die dritte Gruppe bekam als Kontrolle eine normal-kalorische Ernährung.
In der aktuellen Jenaer Studie nun ging es darum, wie sich unterschiedliche Ernährungsweisen auf systemische entzündliche Prozesse und den Knochenstoffwechsel bei einer modellhaft ausgelösten Parodontitis an normalgewichtigen Mäusen auswirken.
Studiendesign
Wie schon in der amerikanischen Studie von Muluke et al. wurden die Versuchstiere randomisiert auf drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt eine mit Palmitinsäure angereicherte westliche Ernährung, die zweite eine ölsäurehaltige, mediterrane Diät und die dritte Gruppe eine kohlenhydratreiche Kost. Die drei Diäten waren isokalorisch, die Versuchstiere im Unterschied zur amerikanischen Studie alle normalgewichtig.
Über fünf Wochen lang infizierten die Forscher die Mäuse mit Porphyromonas gingivalis. Nach Ablauf von 16 Wochen Studiendauer untersuchten sie im Blutserum der Tiere Entzündungsparameter und Knochenremodellierungsmarker. Zudem ermittelten die Wissenschaftler an den Knochen immunhistochemisch die Aktivität der Osteoklasten und der Osteoblasten.
Ergebnisse
Bei der Jenaer Studie an normalgewichtigen Mäusen kam es nur teilweise zu ähnlichen Ergebnissen wie 2016 in der Studie mit adipösen Versuchstieren.
Die US-Forscher hatten die entzündungsfördernden Zytokine Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-alpha) und Interleukin-6 (IL-6) im Blut der fettleibigen Versuchstiere untersucht. Beide werden mit Parodontitis-assoziiertem Knochenschwund in Verbindung gebracht [Pischon et al., 2007; Pacios et al., 2012]. Die TNF-alpha-Spiegel waren in allen Gruppen erhöht, die mit Porphyromonas gingivalis geimpft wurden. In der Palmitinsäure-Gruppe allerdings am höchsten.
Die Auseinandersetzung mit dem Keim führte in allen geimpften Gruppen zu verringerten Knochenstoffwechselmarkern.
In der aktuellen Studie waren im Blutserum der normalgewichtigen Tieren keine Unterschiede hinsichtlich der Entzündungs- und Knochenremodellierungsmarker zwischen der Palmitin- und der Ölsäuregruppe im Unterschied zur kohlenhydratreichen Kost messbar.
Die immunhistochemische Untersuchung der Knochen allerdings zeigte in der Gruppe der westlichen, Palmitinsäure-angereicherten Ernährung einen signifikanten Anstieg der Osteoklastenanzahl nach Infektion mit P. gingivalis. Die Osteoblastenanzahl verringerte sich in allen Gruppen nach Kontakt mit dem Keim. Das Knochenvolumen war bei den westlich ernährten, normalgewichtigen Mäusen vermindert. Eine Umstellung auf eine Ölsäure-basierte Ernährung konnte das wieder ausgleichen.
Mehr Knochenabbau bei gesättigten Fettsäuren
Schon bei den adipösen Mäusen zeigte sich, dass der alveoläre Knochenverlust nach Impfung mit P. gingivalis in der Gruppe der mit Palmitinsäure angereicherten hochkalorischen Kost signifikant höher war, verglichen mit der Palmitinsäure-Gruppe, die mit einem Placebo geimpft wurde. Bei den Tieren, die nicht mit P. gingivalis in Verbindung kamen, blieb der Abstand von der Schmelz-Zement-Grenze zum alveolären Knochenrand über alle Gruppen gleich. Nach Infektion mit P. gingivalis unterschied sich dieser Abstand nicht signifikant in der Ölsäure- und in der normal-kalorischen Kontrollgruppe. Nur in der infizierten Palmitinsäure-Gruppe war der Abstand um 20 Prozent erhöht.
Eine mit Palmitinsäure angereicherte westliche Ernährung beinhaltet im Gegensatz zu einer eher mediterranen Ernährungsweise (Ölsäure) ein entzündliches Potenzial, das den alveolären Knochenverlust bei experimentellen Parodontalerkrankungen adipöser Mäuse beschleunigen kann. Ebenso beeinflusst sie die entzündliche osteoklastische Reaktion auf eine P.-gingivalis-Infektion in vitro. Die Ergebnisse legen weiter nahe, dass die Art der zugeführten Fettsäure den Knochenstoffwechsel und den alveolaren Knochenverlust eher beeinflusst als Gewichtszunahme und Adipositas an sich.
Auch bei normalgewichtigen Versuchstieren zeigt sich eine langfristige negative Auswirkung einer westlich-geprägten, Palmitinsäure-reichen Ernährung auf das Knochenvolumen und den Knochenstoffwechsel aufgrund von vermehrtem Vorkommen an Osteoklasten nach Infektion mit Porphyromonas gingivalis. Fehlende systemische Entzündungszeichen im Serum in der aktuellen Untersuchung aus Jena erklären die Forscher damit, dass die Entzündung zum Zeitpunkt der Analyse bereits abgeklungen gewesen sein könnte.
Dr. med. dent. Kerstin Albrecht
Medizin-/Dentaljournalistin
albrecht@sanustext.de
Fettsäuren
Palmitinsäure ist eine gesättigte Fettsäure, die in tierischen Fetten wie Schweineschmalz, Butter und Sahne, aber auch in Palmöl enthalten ist. In größeren Mengen erhöht sie die Blutfette und leistet so Atherosklerose Vorschub. Gleichzeitig sind das Herzinfarkt- und das Schlaganfall-Risiko erhöht.Ölsäure ist die bedeutendste einfach ungesättigte essenzielle Fettsäure in der Nahrung. Sie kommt in Oliven- und in Sonnenblumenöl vor und ist in der mediterranen Kost häufig anzutreffen.
Palmitinsäure und Ölsäure sind die am häufigsten vorkommende gesättigte und die bedeutendste einfach ungesättigte Fettsäure in der westlichen Ernährung und in adipösen Geweben [Baylin et al., 2002].
Literaturliste „Westliche Ernährung fördert Knochenverlust bei Parodontitis“
1. Amar S, Zhou Q, Shaik-Dasthagirisaheb Y, Leeman S. 2007. Diet-induced obe- sity in mice causes changes in immune responses and bone loss manifested by bacterial challenge. Proc Natl Acad Sci U S A. 104(51):20466–20471.
2. Baylin A, Kabagambe EK, Siles X, Campos H. 2002. Adipose tissue biomark- ers of fatty acid intake. Am J Clin Nutr. 76(4):750–757.
3. Chaffee BW, Weston SJ. 2010. Association between chronic periodontal dis- ease and obesity: a systematic review and meta-analysis. J Periodontol. 81(12):1708–1724.
4. Muluke M, Gold T, Kiefhaber K, Al-Sahli A, Celenti R, Jiang H, Cremers S, Van Dyke T, Schulze-Späte U (2016): Diet-Induced Obesity and Its Differential Impact on Periodontal Bone Loss. Journal of Dental Research, Vol. 95(2) 223–229
5. Pacios S, Kang J, Galicia J, Gluck K, Patel H, Ovaydi-Mandel A, Petrov S, Alawi F, Graves DT. 2012. Diabetes aggravates periodontitis by limiting repair through enhanced inflammation. FASEB J. 26(4):1423– 1430.
6. Pischon N, Heng N, Bernimoulin JP, Kleber BM, Willich SN, Pischon T. 2007. Obesity, inflammation, and periodontal disease. J Dent Res. 86(5):400–409.
7. Suvan J, D’Aiuto F, Moles DR, Petrie A, Donos N. 2011. Association between overweight/obesity and periodontitis in adults: a systematic review. Obes Rev. 12(5):e381–e404.
8. Zimmermann S, Döding A, Iffarth VK, Michler F, Maghames A, Bastian A, Sigusch B, Schulze-Späte U: Einfluss der Ernährung auf das inflammatorische Risiko und den systemischen Knochenstoffwechsel bei Parodontitis. Kurzvortrag DG Paro Jahrestagung, 19.-21.9.2019 Darmstadt