Das luxuriöse Zahninstrumenten-Set des großen Korsen
Bei der Geburt Napoleon Bonapartes am 15. August 1769 als zweiter Sohn von Carlo Bonaparte und Lätitia Ramolina im korsischen Ajaccio ahnte noch niemand, was für eine Karriere er später machen würde. Für die einen war und blieb er der machthungrige Diktator, der Europa mit Krieg überzog, die anderen verehrten ihn und lobten die Verbreitung der Ideale der Französischen Revolution.
Am 2. Dezember 1804 krönte er sich und seine Gemahlin Joséphine Beauharnais zum Kaiser und zur Kaiserin von Frankreich – mit allem imperialem Pomp in der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Eigens zur Zeremonie war Papst Pius VII. aus Rom angereist. Der Hofmaler Jacques-Louis David hielt die Szene in einem großformatigen Bild fest, das den Moment zeigt, als Napoleon I. Joséphine zur Kaiserin krönt. Imperialen Glanz zeigt auch ein Nécessaire dentaire Napoleons, das dem Hofjuwelier Martin-Guillaume Biennais (1764–1843) zugeschrieben wird. Aktuell befindet sich das Dentalset im Besitz der Fondation Napoleon in Paris, die es 1994 bei Christie‘s in London erwarb.
Ein Soldat nahm das Set nach Waterloo an sich
Die legendäre Geschichte besagt, dass ein Soldat das Set nach der Schlacht von Waterloo 1815 an sich nahm und es nachfolgend in den Besitz von Nathan Rothschild (1777–1836) gelangte und dann zur Kollektion seines Enkels Baron Nathaniel Rothschild (1840–1915) gehörte.
Napoleon I. legte großen Wert auf gute und gepflegte Zähne. Jean-Joseph Dubois-Foucou (1748–1830) wurde 1805 zum Leibzahnarzt des Kaisers ernannt. Der Kaiser absolvierte eine gründliche tägliche Zahnreinigung mit Zahnbürste, Zungenschaber und Mundspülung. Sein Zahnarzt benutzte die Instrumente des Nécessaire dentaire für die Entfernung von Zahnstein oder die Füllung von Zähnen.
Allerdings scheint es so gewesen zu sein, dass Napoleon I. die Dienste von Dubois-Foucou nur zur Zahnreinigung in Anspruch nahm und nicht für Zahnbehandlungen. Für das Jahr 1808 erhielt Dubois-Foucou eine Entlohnung von 600 Francs, damit sehr viel weniger, als der kaiserliche Leibarzt Jean-Nicolas Corvisart (1755–1821). Über die Jahre sind Lieferungen der kaiserlichen Parfümeure von Zahnstochern aus Buchsbaumholz und Elfenbein und Zahnpasten überliefert. Der Kasten mit den Instrumenten ist eines Kaisers würdig. Der Gold- und Silberschmied Martin-Guillaume Biennais war ein Meister seines Fachs. Napoleon ernannte ihn nach seiner Kaiserkrönung zum königlichen Goldschmied. Für Maximilian I. (1756–1825), der am 1. Januar 1806 von Napoleons Gnaden der erste König von Bayern wurde, fertigte Biennais die großartigen Kroninsignien, die heute in der Schatzkammer der Münchner Residenz zu bewundern sind. Der Deckel wird in der Mitte vom kaiserlichen Wappen geziert und ist von Intarsien-Ornamenten wie Palmetten, Lotusblumen und Lyren umgeben. Rechts und links des Schlosses ist ein Greif als Intarsie angebracht.
Zahnbehandlung mit Kürette und Scaler
Das Set enthält zwei Tabletts mit je acht zahnärztlichen Instrumenten, die mit einem speziellen Griff angehoben werden können. In weiteren Fächern befinden sich Lanzetten, Pinzette, Schere sowie zwei goldene Boxen und zwei Kristallflakons mit Goldverschlüssen, die der kaiserliche Adler schmückt. Die zahnärztlichen Instrumente werden heute noch in ähnlicher Form verwendet, natürlich nicht so luxuriös verziert. Die Instrumente beinhalteten: Kürette, um einen entzündlichen Zahnhalteapparat zu behandeln, Scaler, um Zahnstein zu entfernen, sowie Stopfer für Füllungen und einen Kauter, um die Wunden oder Verletzungen zu kauterisieren.
Kay Lutze
Historiker, M.A.