Urteil zur Honorarordnung der Architekten und Ingenieure

Europäischer Gerichtshof kippt Gebührenordnung der Architekten

Mit heutigem Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht mehr verbindlich vorgeschrieben werden dürfen.

Die Richter begründen ihre Entscheidung mit der 2006 verabschiedeten EU-Dienstleistungsrichtlinie, derzufolge in einem freien europäischen Binnenmarkt der Wettbewerb grundsätzlich auch über den Preis möglich sein soll. Ausnahmen davon gebe es nur, wenn das verbindliche Preisrecht zwingend erforderlich ist, um höherrangige Güter wie Leben oder Gesundheit zu schützen.

Gebührenordnungen schaffen Transparenz für die Verbraucher

Statement der Bundeszahnärztekammer

"Am 4. Juli fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil in dem gegen Deutschland laufenden Vertragsverletzungsverfahren. Gegenstand waren die in der Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) festgelegten Mindest- und Höchstgebühren. Die Richter bestätigten die Rechtsansicht der Europäischen Kommission und gaben der Klage gegen Deutschland statt.

Die festen HOAI-Gebühren sind nicht mit den Vorgaben der EU-Dienstleistungsrichtlinie vereinbar, weil sie ausländischen Ingenieuren und Architekten nicht die Möglichkeit gäben, sich über niedrigere Preise auf dem deutschen Markt zu etablieren. Die BZÄK kritisiert die Entscheidung.

„Gebührenordnungen schaffen Transparenz für die Verbraucher und legen offen, mit welchen Kosten bei einem Freiberufler zu rechnen ist. Dies nützt beiden Seiten“, so BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel.

Das Vertragsverletzungsverfahren erstreckt sich nicht auf die Gebührenordnungen der Heilberufe, da der Gesundheitssektor vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen ist. Gleichwohl beobachtet die BZÄK dies mit Interesse.

Die Bundesregierung hatte sich für die Beibehaltung der HOAI-Vorschriften ausgesprochen. Der Erhalt sei aus ihrer Sicht und der der Berufsverbände wichtig, da ein Garant für Planungsqualität und Verbraucherschutz.

Die Bundesregierung hatte zuvor ausführlich dargelegt, dass eine verbindliche Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen genau diese Anforderungen erfülle und somit ein wichtiger Bestandteil einer ganzen Reihe qualitätssichernder Regelungen sei, wie der Schutz der Berufsbezeichnung, die Fortbildungspflicht oder die berufsethischen Standards zum Schutz der Baukultur.

In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten werde auch qualitätvoll gebaut - ohne verbindliche Honorarsätze

Auch die Bundesarchitektenkammer stellt heraus, dass die HOAI in ihrer bisherigen Form einen ruinösen Preiswettbewerb verhindere, um Auftraggebern die bestmöglichen Leistungen zu sichern, deren Qualität kaum im Voraus bewertet werden kann und gleichzeitig besonders großen Einfluss auf das Leben der Menschen hat.

"Die Leistungsphasen und Honorarsätze der HOAI sind seit Jahrzehnten als Grundlage für das Planen und Bauen in Deutschland etabliert und bieten einen verlässlichen Rahmen für Bauherren, Planer und Bauausführende. Die HOAI gewährleistet zudem eine große Rechtssicherheit für alle am Bau Beteiligten, da sich Rechtsprechung und Praxis tiefgreifend mit den einzelnen Leistungsbildern auseinandergesetzt haben", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme der Bundesarchitektenkammer.

Wir wollen die HOAI zmindest als Referenzrahmen erhalten!

Statement der Bundesarchitektenkammer

„Sowohl für unseren Berufsstand als auch für die Auftraggeber bedeutet diese Entscheidung einen bedeutsamen Einschnitt, da die wissenschaftlich ermittelten Honorarsätze zukünftig nicht mehr verpflichtend gelten, und wir neben Leistung und Qualität verstärkt auch über den Preis verhandeln müssen.

Wichtig ist uns, auch weiterhin auf Basis angemessener Honorare arbeiten zu können, um Auftraggebern den ganzheitlichen Leistungsumfang zukommen lassen zu können, der zur optimalen Lösung baulicher Aufgaben notwendig ist, und zwar sowohl im Interesse der Auftraggeber als auch im Interesse der Allgemeinheit, denn Bauen ist nie nur privat.

Wie sorgfältig wir unsere Gebäude planen und wie nachhaltig wir sie bauen und betreiben, trägt maßgeblich zur Qualität der gebauten Umwelt und auch zum Klimaschutz bei. Wir werden die intensiven Gespräche mit dem federführenden Bundeswirtschaftsministerium fortführen, um die Leistungsbilder und Honorarsätze der HOAI mit Zustimmung der Bundesländer zumindest als abgeprüften Referenzrahmen zu erhalten.“

Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer

Der EuGH argumentiert hingegen, dass in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten ebenfalls qualitätvolle Architektur- und Ingenieurleistungen erbracht würden - ohne verbindliche Honorarsätze.

Die Entscheidung hat keine Auswirkungen auf die GOÄ

Statement der Bundesärztekammer

Eine staatliche Gebührenordnung wie die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfüllt eine doppelte Schutzfunktion: Durch Festschreibung von Höchstsätzen schützt sie die Patienten vor wirtschaftlicher Überforderung, durch Festlegung von Mindestsätzen schützt sie vor unangemessenen Dumpingpreisen und damit vor eventuell nicht qualitätsgesicherten Leistungen.

Der Europäische Gerichtshof hat diese Schutzzwecke in seiner Entscheidung zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure grundsätzlich anerkannt. Er hält die HOAI im Wesentlichen deshalb für unverhältnismäßig, weil die Planungsleistungen nicht ausschließlich von Architekten und Ingenieuren erbracht werden dürfen, sondern auch von Personen, die ihre fachlichen Qualifikationen nicht nachgewiesen haben.

Die ärztliche Gesundheitsversorgung in Deutschland ist Ärztinnen und Ärzte vorbehalten. Nach Auffassung der Bundesärztekammer hat die Entscheidung des EUGH daher keine Auswirkungen auf die GOÄ.“

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt

Das EuGH-Urteil Hintergrund: Die Klage der EU-Kommission

Rechtssache C-377/17 vom 4. Juli 2019

Der EuGH kam zu folgendem Schluss: Der Umstand, dass in Deutschland Planungsleistungen auch von Dienstleistern ohne Nachweis einer entsprechenden fachlichen Eignung erbracht werden können, lasse im Hinblick auf das mit den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten, eine Inkohärenz in der deutschen Regelung erkennen.

Der EuGH stellt in seiner Urteilsbegründung fest, dass solche Mindestsätze nicht geeignet sein können, ein solches Ziel zu erreichen, wenn für die Vornahme der Leistungen, die diesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst Mindestgarantien gelten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten können.

Es sei daher nicht gelungen, nachzuweisen, dass die in der HOAI vorgesehenen Mindestsätze geeignet sind, eine hohen Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten und den Verbraucherschutz sicherzustellen.

Demgegenüber könnten die von Deutschland ebenfalls geltend gemachten Höchstsätze laut EuGH zum Verbraucherschutz beitragen, indem die Transparenz der von den Dienstleistungserbringern angebotenen Preise erhöht werde und diese daran gehindert würden, überhöhte Honorare zu fordern.

Deutschland habe jedoch nicht begründet, weshalb die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme, Kunden stattdessen Preisorientierungen für die verschiedenen von der HOAI genannten Leistungskategorien zu bieten, nicht ausreicht, um dieses Ziel zu erreichen. Folglich könne das Erfordernis, Höchstsätze festzulegen, im Hinblick auf dieses Ziel nicht als verhältnismäßig angesehen werden.

Hintergrund: Die Klage der EU-Kommission

Die Europäische Kommission hatte die Klage (Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV), unterstützt von Ungarn, am 23. Juni 2017 beim EuGH eingereicht. Sie hatte darin geltend gemacht, dass die HOAI eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit enthalte, die nicht durch die - von Deutschland geltend gemachten - Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne.

Der Kommission zufolge hindere das System von Mindest- und Höchsthonoraren neue Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten am Zugang zum deutschen Markt. Mit den von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Studien ließe sich zudem nicht nachweisen, dass zwischen den Preisen der Dienstleistungen und ihrer Qualität ein Zusammenhang besteht. Die Kommission vertrat die Ansicht, dass Honorarregelungen in der HOAI ungeeignet seien, um die Verbraucher zu schützen, da sie sie nicht über die Angemessenheit angebotener Preise informierten und sie nicht in die Lage versetzten, die abgerechneten Beträge zu prüfen.

ck/pm

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