Gut aufgestellt in die Zukunft
Bei der Mundgesundheit liegen wir im internationalen Vergleich an der Spitze“, umriss der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer die Situation. Aber: „Was uns im Vorstand der KZBV aktuell Sorgen bereitet, ist das generelle Fehlen von ausreichend Nachwuchs, von jungen Menschen in der zahnärztlichen Selbstverwaltung.“
Das Problem hat kein Geschlecht
Dabei sei das Nachwuchsproblem nicht spezifisch weiblich oder männlich. „Wir stehen bei der jungen Generation insgesamt vor einer Herausforderung“, hob Eßer hervor. Vor dem Hintergrund, dass heute mehr als zwei Drittel der Studienanfänger Frauen sind, seien die Zahnärztinnen in den Gremien jedoch drastisch unterrepräsentiert.
„Im Vorstand der KZBV ist keine Frau vertreten, von insgesamt 60 Mitgliedern hier bei uns in der VV sind nur vier weiblich, in den Vorständen der KZVen sind von insgesamt 44 Personen nur drei Vorständinnen tätig und in den Vertreterversammlungen der KZVen liegt der Frauenanteil zwischen 7 und 26 Prozent“, zählte Eßer auf. „Wir rangieren diesbezüglich noch hinter den Ärzten, hinter den Krankenkassen und hinter dem GKV-Spitzenverband – dieses Defizit dürfen wir nicht länger hinnehmen!“
Dass es bereits heute genug Zahnärztinnen gibt, die sich ein Engagement in der Standespolitik sehr gut vorstellen können, belege eine aktuelle Umfrage der KZV Baden-Württemberg. Die KZBV sei daher extrem daran interessiert, mehr Frauen in die Führungsetage zu bringen. Die eigens vom Vorstand ins Leben gerufene AG Frauenförderung unter der Leitung von Dr. Ute Maier aus Baden-Württemberg und Meike Gorski Goebel aus Sachsen, besetzt mit Frauen aus den führenden vertragszahnärztlichen Organisationen, werde dazu auf der VV im Herbst erste Ergebnisse vorstellen.
„Hier ist die Selbstverwaltung gefordert!“, sagte Eßer. „Wir müssen ein klares Signal aus der VV nach außen senden, dass die Vertragszahnärzteschaft dieses Thema engagiert in eigener Regie angeht und gesetzliche Regelungen – Stichwort Quote – nicht erforderlich sind!“ Ein entsprechender Antrag des Vorstands wurde von allen Delegierten unterstützt.
Der stellvertretende KZV-Vorsitzende Dr. Karl-Georg Pochhammer präsentierte den Sachstand bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Wichtigstes Projekt: die elektronische Patientenakte (ePA). Wissen sollte der Zahnarzt, dass die Versicherten in der Praxis ab 2021 Anspruch auf Speicherung ihrer dort entstandenen Daten in der ePA haben. Zentral für die Zahnärzte ist natürlich das Bonusheft*, das digital auf der ePA zur Verfügung stehen soll – erweitert um sogenannte Bonusstufen, damit die Praxis eine Kostenschätzung vornehmen kann. Da künftig auch die Fremddaten eingespielt werden, hat die Praxis immer die aktuelle Version im PVS zur Verfügung. Terminerinnerungen werden auch per Tablet und Smartphone möglich.
Zahnärzte sind keine IT-Dienstleister
Gehen die jetzigen Pläne ins Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) ein, müssen Ärzte und Zahnärzte die Patienten zudem bei der Anlage und Verwaltung ihrer ePA – etwa beim Löschen von Dokumenten – unterstützen.
Eine Aufgabe, die Pochhammer nicht bei den Mediziner verortet: „Diese Leistung soll zwar vergütet werden“, sagte er. „Wir lehnen eine solche Regelung aber trotzdem ab, weil der dadurch in den Praxen entstehende Aufwand unüberschaubar werden dürfte. Wir sind schließlich keine IT-Dienstleister!“ Hier seien eindeutig die ePA-Anbieter – also die Krankenkassen – in der Pflicht, die Handy-Apps so benutzerfreundlich und verständlich zu programmieren, dass der Versicherte seine ePA selbstständig anlegen und verwalten kann.
Zu den Meldungen über fehlerhaft installierte Konnektoren und der damit einhergehenden Frage, wer eigentlich für den Datenschutz in der TI geradesteht, zitierte Pochhammer aus einer Information der gematik. Diese war von der Gesellschafterversammlung beauftragt worden, zu prüfen, wer aus ihrer Sicht für welche Teile der TI gemäß DSGVO verantwortlich ist. Ihre Antwort lässt aufatmen: „Sämtliche Anbieter von Diensten beziehungsweise Betriebsleistungen sind verantwortlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten in ihren jeweils betriebenen Diensten“, fasste er die Ausführungen zusammen.
„Die Leistungserbringer – das ist ganz wichtig – sind verantwortlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten in ihren eigenen IT-Systemen und Netzwerken. Wenn jedoch der Konnektor bestimmungsgemäß aufgestellt und betrieben wird, scheidet sowohl ein Verstoß gegen die DSGVO als auch ein Verschulden des Leistungserbringers aus, wenn ein Dritter eine – derzeit nicht bekannte – Sicherheitslücke des Konnektors ausnutzen würde.“
Die Goldgräberstimmung ist getrübt
Wie der Dentalmarkt auf das TSVG reagiert, beleuchtete der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges. So stieg die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zum 30. Juni auf 870 insgesamt, darunter 150 Investoren-MVZ. Das sind rund 17 Prozent, die aktuell in der Hand von zehn Finanzinvestoren liegen.
„Eine Stärkung der Versorgung auf dem Land, wie sie von den Ketten fortwährend postuliert wird, ist damit aber überhaupt nicht gegeben, im Gegenteil“, hob Hendges hervor. „Es zeichnet sich eine starke Konzentration auf Städte und Ballungsräume ab!“ Besonders betroffen: Nordrhein, Baden-Württemberg und Bayern sowie die Stadtstaaten. „Was das Abrechnungsverhalten betrifft: Es gibt klare Indizen einer Über- und Fehlversorgung“, verdeutlichte Hendges mit Verweis auf die neuesten Zahlen der KZBV.
Auffällig sei im Vergleich zur Einzelpraxis und zur Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) insbesondere eine deutlich höhere Leistungsinanspruchnahme bei Wurzelkanalfüllungen, KCH, Füllungstherapien und Schienen. Interessantes Aperçu: Mittlerweile gibt es 4.704 zahnärztliche Kooperationsverträge bundesweit. Investoren sucht man in dieser Übersicht vergeblich: In der aufsuchenden Betreuung engagieren sie sich nicht. Auch Kontrolluntersuchungen finden in I-MVZ sehr viel weniger statt als in der Einzelpraxis und in der BAG. Hendges: „Das bedeutet schlussendlich: Entweder selektieren Investoren-MVZ Patienten oder sie setzen Schwerpunkte. Anders sind diese Abweichungen nicht zu erklären.“
Seine Bilanz fällt dennoch positiv aus: „Alles in allem sind wir im zahnärztlichen Bereich sehr gut aufgestellt – gerade in der Fläche – und haben gute Versorgungsgrade. Wir müssen aber die regionale Versorgung beobachten, um auch in Zukunft die wohnortnahe Versorgung gewährleisten zu können.“ Was Eßer bestätigte, auch wenn das eigentliche Ziel, den versorgungsfremden Investoren den Zugang zur zahnärztlichen Versorgung vollends zu verschließen, nicht politisch umgesetzt werden konnte: „Das Risiko, dass die zahnärztliche Versorgung von versorgungsfremden Investoren völlig überrollt wird, scheint mit der Regelung im TSVG eingedämmt zu sein. Die Goldgräberstimmung ist jedenfalls getrübt.“
*Im mit Redaktionsschluss vorliegenden zweiten DVG-Entwurf fehlen die Anwendungen, die zuerst auf der ePA zur Verfügung stehen sollten: der Impfausweis, der Mutterpass sowie das Untersuchungsheft für Kinder und das Bonusheft. Diese Regelungen werden offenbar nachgearbeitet.