Zahnentfernung durch die Nasenhöhle
Ein 15-jähriger Junge wurde von den Kollegen der Kieferorthopädie mit einer Verschattung der rechten Kieferhöhle und einer Hyperdontie in unsere Klinik überwiesen. Diese Befunde fielen im Rahmen der röntgenologischen Basisdiagnostik als Zufallsbefunde auf.
Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein gänzlich unauffälliger Befund. Die Sensibilität im Gesichtsbereich war nicht eingeschränkt, die mimische Muskulatur intakt. Alle Zähne des Oberkiefers zeigten sich in der Sensibilitätstestung positiv und bei Perkussion nicht schmerzhaft. Bei der anterioren Rhinoskopie konnten ebenfalls keine pathologischen Befunde erhoben werden.
Das angefertigte OPT (Abbildung 1) zeigte einen ektopen, überzähligen Zahn 13a. Nach Komplettierung der Bildgebung durch eine Computertomografie (Abbildungen 2a und 2b) fand sich der Zahn kranial im rechten Nasenboden gelegen. Nebenbefundlich konnte eine polypöse Schleimhautschwellung der rechten Kieferhöhle festgestellt werden.
In allgemeiner Schmerzausschaltung wurde endoskopisch unterstützt eine Infundibulotomie mit nachfolgender Kieferhöhlenrevision und transnasaler Entfernung des Zahns 13a aus dem rechten Nasenboden durchgeführt (Abbildungen 3a bis 3c). Der postoperative Heilungsverlauf war komplikationslos, die definitive Histologie des entnommenen Kieferhöhleninhalts bestätigte die Verdachtsdiagnose einer chronischen Sinusitis maxillaris.
Acht Monate postoperativ lag bei der klinischen sowie radiologischen Kontrolle ein unauffälliger Befund vor. Das Verlaufs-OPT zeigte einen zeitgerechten Befund im rechten Oberkiefer nach Zahnentfernung und Kieferhöhlenrevision (Abbildung 4). Der Patient ist postoperativ nach wie vor beschwerdefrei. Weitere röntgenologische Verlaufsuntersuchungen sind nicht geplant.
Diskussion
Die Entfernung verlagerter und überzähliger Zähne sollte für jeden Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen keine besondere Herausforderung darstellen. Die Weisheitszähne sind mit einer Inzidenz von etwa 84 Prozent im Alter von 20 Jahren die am häufigsten verlagerten Zähne. Eckzähne machen dagegen nur bis zu drei Prozent der Fälle aus.
Gerade bei Kieferhöhlenbeschwerden sollte jedoch immer auch an einen dentogenen Fokus gedacht werden. Hierzu zählen bei akuter Sinusitis maxillaris ein Druckgefühl im Oberkiefer, Schwellungen im Bereich der Fossa canina, eine Perkussionsempfindlichkeit der Kieferhöhle und der Oberkieferzähne, Cephalgien sowie ausstrahlende Schmerzen.
Meist werden die Beschwerden beim Beugen nach vorn verstärkt. Eine einseitige Sinusitis spricht eher für eine odontogene Ursache, bei beidseitigem Befall ist primär an eine rhinogene Ursache zu denken.
Weniger eindeutig ist hingegen das klinische Erscheinungsbild der chronischen Sinusitis. Die Patienten haben in der Regel wenig bis keine Schmerzen und die Diagnose wird dann häufig als Zufallsbefund im Rahmen der röntgenologischen Untersuchung gestellt [Keutel et al., 2014].
In circa 20 bis 40 Prozent aller Fälle hat die Sinusitis maxillaris eine odontogene Ursache [Brook, 2006]. Die Therapie der akuten Sinusitis maxillaris besteht primär in der Gabe von Antibiotika, abschwellenden Nasentropfen und Antiphlogistika. Bei fehlender Belüftung und einer kompletten Verschattung der Kieferhöhle wie beim Kieferhöhlenempyem kann eine Trepanation über die Fossa canina oder über den unteren Nasengang notwendig werden. Die Fokussanierung sollte sich an die akute Entzündungsphase anschließen. Hierzu zählen Wurzelkanalbehandlung, Füllungstherapie, Entfernung des schuldigen Zahns (falls nicht erhaltungswürdig), Bergung verbliebener Fremdkörper oder Radices aus der Kieferhöhle und plastischer Verschluss einer Mund-Antrum-Verbindung.
Eine chronische Sinusitis in Form einer zirkumskripten, polypösen Schleimhautschwellung wird mit minimalinvasiven Techniken zur Verbesserung der Belüftung therapiert [Reinert und Krimmel, 2014]. Im Gegensatz zur früheren Auffassung sollte eine Schonung der Kieferhöhlenschleimhaut im Vordergrund stehen, da der natürliche Sekretabfluss dauerhaft zum Ostium gerichtet ist und nur durch die Zilienbewegungen der gesunden Schleimhaut gewährleistet wird. Häufig wird heute eine endoskopische Operation unter Verzicht auf ein faziales Kieferhöhlenfenster angestrebt. Eine Infundibulotomie über den mittleren Nasengang mit teilweiser Entfernung des Processus uncinatus, um das natürliche Ostium freizugeben, ist dafür das Standardverfahren [Schwenzer und Ehrenfeld, 2010].
Bei vollständig mit polpypöser Schleimhaut verlegter Kieferhöhle, einer Aspergillose oder größeren Fremdkörpern kann aber auch heute noch eine Fensterung der fazialen Kieferhöhlenwand im Bereich der Fossa canina notwendig werden. Das Knochenfenster sollte nicht größer als nötig gewählt und der Knochen nach der Operation wieder reponiert und fixiert werden. Polypöse Schleimhautanteile werden bei dieser Operation unter Schonung gesunder Anteile entfernt [Reinert und Krimmel, 2014]. Falls ein hoch verlagerter Zahn die Ursache einer Sinusitis maxillaris darstellt, sollte die Therapie durch einen erfahrenen Chirurgen erfolgen. In Extremfällen können Zähne so verlagert sein, dass eine Entfernung über den Mund nicht oder nur mit hoher Morbidität für den Patienten möglich ist. Hier sollten dann Fachzentren involviert werden, die unter Zuhilfenahme weiterer Techniken wie der Endoskopie Zähne auch auf atypische Weise entfernen können.
Fazit für die Praxis
Retinierte Zähne können die Ursache für eine Sinusitis maxillaris sein. Bei in den Bereich des Nasenbodens und der Nasenhöhle verlagerten Zähnen empfiehlt es sich, eine möglichst knochensparende, weniger invasive Methode zu wählen, wie zum Beispiel die endoskopisch kontrollierte Entfernung des Zahns durch die Nasenhaupthöhle.
Dr. Dr. Patrick Schöne
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen
Klinikum Bremen-Mitte
St.-Jürgen-Str. 1, 28205 Bremen
Dr. Alexander Busch
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen
Klinikum Bremen-Mitte
St.-Jürgen-Str. 1, 28205 Bremen
Eduard Janz
Klinik für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde, Plastische Operationen, Spezielle Schmerztherapie
Klinikum Bremen-Mitte
St.-Jürgen-Str. 1, 28205 Bremen
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Jan Rustemeyer
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen
Klinikum Bremen-Mitte
St.-Jürgen-Str. 1, 28205 Bremen
Literaturverzeichnis:
Tankovics G, Divinyi T (1987). A rare case of dislocation of the lower wisdom tooth. Fogorv Sz 80(7): 198-200.
Venta I (1993). Predictive model for impaction of lower third molars. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 76(6): 699-703
Dachi S, Howell F (1961). A survey of 3874 routine full-month radiographs.II. A study of impacted teeth. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 14:1165–9
Keutel, C, Heuschmid M, Reinert, S (2014). Bildgebende Verfahren bei Kieferhöhlen-Erkrankungen. Der MKG – Chirurg (3) S. 1-7
Brook I (2006) Sinusitis of odontogenic origin. Otolaryngol Head Neck Surg 135:349–355
Reinert, S, Krimmel M (2014). Therapie odontogener Kieferhöhlenerkrankungen. Der MKG- Chirurg (3), S. 195-205
Schwenzer, N, Ehrenfeld, M (2010). Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Georg – Thieme Verlag.