Herpes-Simplex-Infektion in Zukunft heilbar?
Zwei Drittel der Weltbevölkerung unter 50 Jahren sind laut WHO mit dem Herpes-Simplex-Virus 1 (HSV-1) infiziert. Dieses löst Herpes labialis oder Stomatitis aphthosa aus – mit juckenden, brennenden Fieberbläschen an den Lippen oder im Mund. Nach der Erstinfektion wandern die Viren entlang der Nervenbahnen in die regionalen Ganglien, wo sie lebenslang verbleiben. Dort ruhen sie, bis sie ausgelöst durch andere Infektionen, hormonelle Veränderungen oder psychischen Stress reaktiviert werden.
Bislang zielte eine Therapie darauf ab, symptomatisch mit lokalen oder systemischen Virostatika zu behandeln, wie zum Beispiel dem Wirkstoff Aciclovir. Forscher des Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrums in Seattle, USA, verfolgten nun einen anderen Ansatz: Sie veränderten mit molekularbiologischen Techniken zielgerichtet die DNA des Virus. Im Ergebnis erreichte die neue Methode eine Virusreduktion in den oberen Halsganglien von 92 Prozent. Die Reduktion hielt über mindestens einen Monat nach der Behandlung an. Die verbliebene Menge reichte für eine Reaktivierung mit den bekannten Symptomen nicht aus.
Zwei Gen-Scheren zerstörten das Virus
„Dies ist das erste Mal, dass Wissenschaftler in die Lage versetzt wurden, die meisten Herpesviren im Körper zu eliminieren“, sagte der Seniorautor der Studie, Dr. Keith Jerome, Professor in der Abteilung für Impfstoffe und Infektionskrankheiten des Krebsforschungszentrums in Seattle. „Wir zielen auf die Ursache der Infektion ab: die infizierten Zellen, in denen die Viren schlummern und die die Grundlage für die wiederholten Infektionen bilden.“
Die Forscher schnitten mit Gen-Scheren an zwei Stellen Teile aus der Virus-DNA. Nur eine Gen-Schere reichte nicht aus, dann konnte das Virus seine DNA wieder reparieren. Erst zwei Scheren – sogenannte Meganukleasen – in Kombination zerstörten das Virus in der befallenen Zelle. „Wir verwenden eine duale Meganuklease, die auf zwei Stellen der Virus-DNA abzielt“, sagte die Studienerstautorin Martine Aubert, leitende Wissenschaftlerin am Fred-Hutchinson-Krebsforschungszentrum. „Wenn es zwei Schnitte gibt, scheinen die Zellen zu sagen, dass die Virus-DNA zu beschädigt ist, um repariert zu werden. Dann kommen andere molekulare Akteure, um sie aus dem Zellkörper zu entfernen.“
Die zweifache Gen-Schere wird mithilfe eines Transporters – Genforscher sprechen von einem Vektor – in die infizierte Zelle gebracht. Die Wissenschaftler verwendeten dazu ein harmloses deaktiviertes Virus, ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV), das sich als effizienter Carrier herausstellte. Es fand innerhalb der mit HSV-1 infizierten Mäuse den Weg in die Nervenbahnen hin zu den Zielzellen, in denen das Virus ruhte.
Die Forscher untersuchen die neue Methode nun im Hinblick auf das Herpes-Simplex-Virus Typ 2, das Genitalherpes auslöst. „Dies ist ein kurativer Ansatz für orale und genitale HSV-Infektionen“, sagte Aubert. „Ich sehe, dass es in naher Zukunft in klinische Studien geht.“
Dr. med. dent. Kerstin Albrecht
Medizin-/Dentaljournalistin
Fred Hutchinson Cancer Research Center: „New gene therapy approach eliminates at least 90% latent herpes simplex virus 1.“ ScienceDaily. ScienceDaily, 18 August 2020.<link url="https://www.sciencedaily.com/releases/2020/08/200818094019.htm" import_url="https://www.sciencedaily.com/releases/2020/08/200818094019.htm - external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">www.sciencedaily.com/releases/2020/08/200818094019.htm
Martine Aubert, Daniel E. Strongin, Pavitra Roychoudhury, Michelle A. Loprieno, Anoria K. Haick, Lindsay M. Klouser, Laurence Stensland, Meei-Li Huang, Negar Makhsous, Alexander Tait, Harshana S. De Silva Feelixge, Roman Galetto, Philippe Duchateau, Alexander L. Greninger, Daniel Stone, Keith R. Jerome: „Gene editing and elimination of latent herpes simplex virus in vivo.“ Nature Communications, 2020; 11 (1)<link url="https://www.nature.com/articles/s41467-020-17936-5" import_url="https://www.nature.com/articles/s41467-020-17936-5 - external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">DOI: 10.1038/s41467–020–17936–5