Editorial

Das Prinzip Hoffnung

Viele von uns hatten sich vorgestellt oder besser gewünscht, dass die Corona-Pandemie genauso schnell wieder verschwindet, wie sie gekommen ist. Auch wenn die Experten monatelang vor der 2. Welle gewarnt haben, so hat man doch irgendwie den Sommer hindurch gehofft, dass sich das Ganze in Luft auflöst und wir zur Normalität zurückkehren können. Aber das Prinzip Hoffnung ist halt nicht immer ein guter Ratgeber. Dass sich die Infektionswelle mit aller Macht zurückmelden würde, war absehbar – wie schnell die Zahlen dann doch in Höhe geschnellt sind, hat aber nicht wenige überrascht.

Und nun befinden wir uns mitten im sogenannten Teil-Lockdown (die Begrifflichkeiten für den aktuellen Zustand gingen ja munter durcheinander). Ob die getroffenen Maßnahmen helfen werden, die Welle zu brechen und die Infektionszahlen nachhaltig zu senken – nun ja, darüber streiten die Gelehrten wieder einmal. Krieg der Positionspapiere könnte man das nennen – mehr dazu in diesem Heft. Zur Beruhigung der Bevölkerung trägt die Kakophonie der Experten nicht unbedingt bei, aber Diskussionen über den richtigen Weg aus der Krise sind schlussendlich notwendig. Für eine Situation, wie wir sie derzeit haben, gibt es nun einmal keine Blaupause. Wie es ab Dezember weitergeht? Gute Frage.

Wie sich die aktuelle Situation in den Zahnarztpraxen niederschlagen wird, hängt sicherlich davon ab, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte ihrerseits die Versorgung aufrechterhalten können, haben sie in den vergangenen Monaten eindrucksvoll gezeigt. Und dass sie dies auch weiterhin unter Einhaltung des größtmöglichen Patientenschutzes tun werden, davon bin ich überzeugt.

Es ist ein erfreuliches Zeichen der Wertschätzung, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzten dieser Tage für eben diesen Einsatz ausdrücklich gedankt hat. Aber ob es sich um mehr als nur eine Geste handelt, wird sich zeigen, wenn die Patientenzahlen in den Praxen wieder sinken sollten. Dann dürfen er und die Bundesregierung gerne unter Beweis stellen, dass ihnen die Zahnärzte mehr als wohlfeile Worte wert sind.

Die Corona-Pandemie macht natürlich auch vor der zahnärztlichen Selbstverwaltung nicht halt. Wichtige Organe konnte nicht in der gewohnten Form oder gleich gar nicht zusammenkommen. So musste die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung bereits zum zweiten Mal in den digitalen Raum verlagert werden. Man merkte den Delegierten dabei deutlich an, dass sie mit der Übertragung per Videostream fremdeln. Kein Wunder, der persönliche Austausch und die notwendigen Diskussionen, von denen demokratische Prozesse leben, leiden. Die für Anfang November terminierte Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer musste samt Wahl gleich ganz abgesagt werden. Eine Online-Wahl sieht die Satzung nicht vor. Auch ist derzeit noch offen, wann die Wahl nachgeholt werden kann. Man hofft auf das nächste Frühjahr.

Während des Verfassens dieses Textes läuft gerade die Auszählung der US-Präsidentenwahl über die Nachrichtensender. Hatten wir in Europa mehrheitlich gehofft, der demokratische Herausforderer Joe Biden würde Donald Trump mit großem Schwung aus dem Weißen Haus fegen, so musste man nach der Wahl doch feststellen, dass auch hier das Prinzip Hoffnung vorherrschend war. Das befürchtete Kopf-an-Kopf-Rennen ist eingetreten. Mit Erscheinen dieses Heftes herrscht hoffentlich Klarheit über den Wahlausgang. Nun könnte man sagen, dass die USA weit weg sind. Aber neben den geopolitischen und wirtschaftlichen Folgen darf man nicht vergessen, welche negativen Auswirkungen bereits vier Jahre Trump-Regierung auf Wissenschaft und Forschung in den USA hatten. Mit weiteren vier Jahren würde der Flurschaden immens sein. Aber bleiben wir beim Prinzip Hoffnung.

In diesen schwierigen Zeiten ist ein guter Schuss Hoffnung sicherlich mehr als notwendig. Der Blick auf Realitäten sollte durch sie aber nicht verstellt werden.

Bleiben Sie gesund!

Sascha Rudat

Chefredakteur

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