Gründen in Corona-Zeiten – Teil 2

Hilfe, der Vermieter springt ab

Kurz vor der Unterschrift lässt der Vermieter den Mietvertrag für die Praxisimmobilie platzen. Die Suche geht für den Oralchirurgen Philipp Tavrovski (29) also wieder von vorne los. Zum Glück kann er sein Praxiskonzept größtenteils übernehmen – das muss er mit dem unterzeichneten Mietvertrag der Bank vorlegen, um einen Kredit zu bekommen.

Wochenlang wurde er hingehalten, dabei war die Absprache mit dem Vermieter klar. Doch der springt am Ende ab – der Vertrag kommt nicht zustande. Also alles auf Anfang. Und das neben einem Vollzeitjob.

Jedes neue Objekt fordert wieder eine neue Baubeschreibung – manchen Vermietern reicht eine kleine Skizze, andere verlangen einen endgültigen Entwurf. Wieder setzt der Architekt dafür neu an, wieder muss auch der Steuerberater alles neu durchkalkulieren. Konkret plant Tavrovski bis zu sieben Behandlungszimmer, auch wenn diese nicht alle von Anfang an besetzt sein werden, sowie ein Fortbildungszentrum. „Ich bin jedes Mal überrascht, wieviel ein Architekt aus den verschiedenen Flächen rausholen kann. Die Planung für die Gestaltung überlasse ich gerne lieber dem Profi.“

Auch bei der Einschätzung der Praxisgröße merkt er, wie gut es ist, Experten an der Seite zu haben. Insgesamt ist ihm Barrierefreiheit wichtig, schließlich werden die Patienten im Durchschnitt immer älter. Tavrovski: „Ich möchte keinen Patienten verlieren, nur weil er nicht in meine Praxis kommen kann!“ Als Oralchirurg ist für seinen Standort natürlich relevant, dass möglichst viele potenzielle Zuweiserpraxen in der Umgebung liegen. Ausgeguckt hat er sich die Gegend oberhalb der Elbe: „Auf einen rein mund- und kieferchirurgischen Behandler kommen hier circa 40.000 Einwohner. Außerdem lässt sich recht einfach mit Google Maps und einem frei zugänglichen Geo-Daten-Tool eine grobe Standortanalyse anfertigen. Gemeinsam mit den Daten des Statistischen Bundesamts lässt sich dann das Potenzial abschätzen.“

Eine geeignete Immobilie sucht er über einschlägige Online-Portale für Gewerbeimmobilien über Makler. Besteht Interesse, wird ein Termin mit dem Makler vereinbart, dann einer mit dem Vermieter. Im Anschluss werden beiden die Planungsunterlagen vorgelegt. Dann beginnen die Verhandlungen zu Investition, Miete und der Kostenbeteiligung des Vermieters.

Die Wände abzuklopfen wirkt professionell

Grundsätzlich sind (Zahn-)Arztpraxen bekanntlich gern gesehene Mieter. Anders als beispielsweise im Dienstleistungsgewerbe mit rund 25 Prozent liegt hier die Insolvenzquote nur bei 0,1 Prozent, sagt Tavrovski. Junge Gründer wie er streben meistens an, viele Jahre in den Räumen zu bleiben. „Ich plane und investiere für die nächsten 30 Jahre.“ Chirurgen scheinen als potenzielle Mieter zu überzeugen, so seine Erfahrung, selbst wenn die Immobilienfläche nicht explizit für eine Arztpraxis ausgeschrieben war. Am Anfang sei er aber unsicher aufgetreten. „Jetzt klopfe ich zum Beispiel einfach ganz selbstbewusst die Wände ab. Das macht einen professionellen Eindruck“, berichtet der Zahnarzt und lacht. Dennoch ist er dankbar für die Profis an seiner Seite.

Denn da wäre zum Beispiel die Konkurrenzschutzklausel im Gewerbemietvertrag, mit der verhindert werden soll, dass in der Nachbarpraxis ein weiterer Zahnarzt einzieht. Im konkreten Fall könnte diese jedoch nach Absprache ausgesetzt werden, da es sich bei seiner Gründung um eine Spezial- und Zuweiserpraxis handelt.

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Der Link führt zu Teil 1 der Gründungsgeschichte von Philipp Tavrovski.

Auf mündliche Zusagen ist, das weiß er jetzt, kein Verlass. Konkrete Planungen sollten also erst nach Vertragsunterschrift gemacht werden. Im Idealfall ist das Konzept allgemein anwendbar und auf alle Mietobjekte übertragbar. Der Mietvertrag sollte eine „aufschiebende Bedingung“ gekoppelt an die Baugenehmigung enthalten, die zusichert, dass der Mietbeginn erst dann startet, wenn der Umbau vom Bauamt genehmigt ist und umgesetzt werden kann. Bis dahin ist keine Miete fällig. Für die Bau-, die Nutzungsgenehmigung und die Abnahme des Hygienekonzepts brauchen manche Städte mehrere Monate. Hier lohnt es sich – auch wegen der Corona-Pandemie – im Vorfeld nach der Bearbeitungszeit zu fragen, rät Tavrovski.

Gerade plant er das Licht- und Geruchskonzept

Zurzeit überlegt er mit seinem Planungsteam, zu dem ein Architekt, Gründungsexperten, ein Steuerberater, ein Rechtsanwalt, ein Marketing-Spezialist sowie das Depot gehören, wie das Licht- und Geruchskonzept der Praxis, die Möblierung und die IT-Ausstattung aussehen sollen. Viele Meetings finden als Online-Konferenz statt, der Austausch erfolgt über die WhatsApp-Gruppe. Mit den kumulierten Kostenvoranschlägen liegt der Gründer bei etwas unter einer Million Euro – grob geschätzt, mit eingeplanten Puffern. Hier rät sein Steuerberater, er solle nach Möglichkeit nicht im siebenstelligen Investitionsbereich landen – darunter vergibt die Bank leichter ihren Kredit. Am Ende steht die Machbarkeitsstudie, erklärt Tavrovski.

Gerade ist er im Gespräch mit der apoBank und der Commerzbank. Beide wollen natürlich einen fundierten Businessplan sehen. Für die Gespräche mit der Bank bereitet Tavrovski mit seinem Gründerteam neben dem Businessplan, eine Standort-Analyse und Unterlagen zu seinen Sicherheiten –wie die Versicherung für Kreditabsicherung – vor. Ein Gremium der Bank entscheidet auf Grundlage dieser Unterlagen über die Kreditvergabe.

Ein neuer Mietvertrag wird erst Ende November oder Anfang Dezember realisierbar sein. Zwei neue Objekte hat er in Aussicht. Die Praxiseröffnung verschiebt sich von April auf voraussichtlich Juni 2021. Mit seinem jetzigen Chef kann er sich zum Glück offen austauschen. Der junge Vater versucht gelassen zu bleiben. Zwar läuft sein Arbeitsverhältnis Mitte Januar aus, aber er freut sich schon auf ein paar Monate Elternzeit, außerdem kann er sich dann voll auf seine Gründung konzentrieren.

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