Wurzelresorption nach Zahntrauma
Zahntraumata der bleibenden Frontzähne treten bei Kindern und Jugendlichen häufig auf [Gassner et al., 1999; Diangelis, 2012]. Meist führen sie zu Kronenfrakturen und Schädigungen des Parodontiums [Diangelis, 2012]. Weitergehende Komplikationen sind Pulpanekrosen, Wurzelkanalobliterationen und Wurzelresorptionen [Lin et al., 2016]. Dabei treten häufiger die externen als die internen Wurzelresorptionen auf, denn Schäden an der Wurzelhaut sind dabei entscheidend [Trope, 2000].
Andreasen und Andreasen unterschieden bei den externen Resorptionen zwischen entzündlicher Wurzelresorption, Oberflächenresorption und Ersatzresorption („Replacement resorption“) [Andreasen F und Andreasen J, 2007]. Letztere sind mit dichtem Knochen aufgefüllte Kavitäten in der Wurzeloberfläche, die mit einer Ankylose des Zahnes einhergehen. Die Oberflächenresorptionen zeigen sich als flache Lakunen an der Wurzeloberfläche aufgrund von Schäden an Desmodont und Wurzelzement. Sie sind häufig nur mikroskopisch auszumachen [Tsilingaridis et al., 2012] und können bei genug verbliebener Zementoblastenaktivität wieder mit Wurzelzement gefüllt werden. Die entzündlichen Resorptionen beginnen an der Wurzeloberfläche. Ist der Wurzelzement soweit abgebaut, das Dentintubuli freiliegen, können Toxine aus der beim Zahntrauma infizierten Pulpa einwandern und den Resorptionsprozess stark beschleunigen. Der Abbauprozess betrifft auch den umgebenden Alveolarknochen.
Die Wissenschaftler wollten mit dem vorliegenden Review einen Überblick darüber geben, nach welcher Verletzungsart Wurzelresorptionen gehäuft auftreten und – als sekundäres Outcome – welcher Resorptionstyp häufig auftritt (Grafik). Folgende fünf Traumatypen wurden in den zugrundeliegenden Studien der Übersichtsarbeit betrachtet:
Konkussion (Synonym: Kontusion; Erschütterung, Prellung des Parodontiums, Verletzung des Zahnhalteapparats ohne Lockerung oder Verlagerung des Zahnes)
Subluxation (Lockerung, Verletzung des Zahnhalteapparats mit Lockerung ohne Dislokation des Zahnes)
laterale Luxation (seitliche Verlagerung, Kippung)
Intrusion oder intrusive Luxation (Zahnverschiebung in den Alveolarknochen)
Extrusion oder extrusive Luxation (partielle Zahnverschiebung aus der Alveole heraus)
Material und Methode
Die Wissenschaftler bezogen 14 Studien in Ihr Review ein, in denen es um das Auftreten von verschiedenen Wurzelresorptionsarten nach den in der Grafik beschriebenen fünf verschiedenen Zahnverletzungsarten bleibender Zähne ging.
Ergebnisse
Die höchste Inzidenz an Wurzelresorptionen als Komplikation nach Trauma hatten intrudierte Zähne, gefolgt von extrudierten und in weiteren Abstufungen lateral-luxierte, dann subluxierte Zähne und schließlich die mit Konkussion. Der häufigste Resorptionstypus über alle Verletzungsarten hinweg war die entzündliche Resorption, gefolgt von der Ersatz-, der Oberflächen- und schließlich der internen Resorption.
Diskussion
Die Intrusion eines Zahnes ist ein schwerwiegendes Trauma. Der Alveolarknochen wird gestaucht, Zellen des Desmodonts werden zerstört und die neurovaskuläre Versorgung des Zahnes unterbrochen [Tsilingaridis et al., 2016]. Der Reparaturprozess ist von daher nicht komplikationslos. Eine Pulpanekrose zum Beispiel kann den Prozess einer entzündlichen Resorption befördern [Yamashita et al., 2017]. Schon frühere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass eine entzündliche Resorption häufig bei Intrusionen vorkommt [Soares et al., 2015].
Die interne Resorption ist selten bei bleibenden Zähnen [Hecova et al., 2010] und entsteht im Allgemeinen aufgrund eines Entzündungsprozesses der Pulpa [American Association of Endodontists, 2014]. Entzündliche und Ersatzresorptionen finden sich auch in anderen Studien häufiger bei luxierten Zähnen beziehungsweise bei avulsierten und anschließend replantierten Zähnen [Souza, 2018].
Das vorliegende Review hat gezeigt, dass das Auftreten von Wurzelresorptionen zunahm, je mehr ein Zahn traumabedingt verlagert wurde. Schon frühere Studien ergaben ein solches Ergebnis. Konkussionen und Subluxationen lösten seltener eine nachfolgende Wurzelresorption aus [Hecova et al., 2010; Yamashita et al., 2017]. Soares et al. fanden ebenfalls häufiger entzündliche Resorptionen bei Intrusionen [Soares et al. 2015].
Die Studien, die in das vorliegende Review einbezogen wurden, sind sehr heterogen. Daher haben die Studienautoren die einbezogenen Studien je nach Traumatyp in fünf Untergruppen geclustert. Unter anderem hängt das Auftreten von Komplikationen mit der Wurzelreife zusammen. Die meisten Zahntraumata ereignen sich bei Kindern und Jugendlichen mit häufig noch nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum [Diangelis et al., 2017]. Die Mehrheit der einbezogenen Studien gibt bei den jeweiligen Resorptionstypen keine Auskunft über die Wurzelreife des betroffenen Zahnes, so dass keine Daten extrapoliert werden konnten. Es können an einem Traumazahn auch mehrere Resorptionsarten gleichzeitig auftreten. Eine frühere Übersichtsarbeit hatte das schon gezeigt [Souza et al., 2018].
Fazit
Das vorliegende Review hat gezeigt, dass Wurzelresorptionen am häufigsten nach Intrusionen auftreten. Die Resorptionsart, die am meisten vorkommt, ist die entzündliche Wurzelresorption. Wissen Behandler um die Inzidenz von Wurzelresorptionen nach Konkussion und verschiedenen Luxationstraumata, können sie die Nachsorge-Intervalle anpassen und rechtzeitig eingreifen, sollte es zu dieser Komplikation kommen.
Dr. Kerstin Albrecht
Quelle:
Beatriz Dulcineia Mendes de Souza, Kamile Leonardi Dutra, Jessie Reyes-Carmona, Eduardo Antunes Bortoluzzi, Morgane Marion Kuntze, Cleonice Silveira Teixeira, Andreì Luiìs Porporatti, Graziela De Luca Canto: „Incidence of root resorption after concussion, subluxation, lateral luxation, intrusion, and extrusion: a systematic review.“ Clinical Oral Investigations (2020) 24:1101–1111, https://doi.org/10.1007/s00784–020–03199–3