Die Revolution beim Zähneputzen fällt aus
In zehn Sekunden saubere Zähne” versprachen die Hersteller der Amabrush®-Zahnbürste. Für viele Menschen ein verlockendes Angebot, aber kann das überhaupt funktionieren? Die Europäische Gesellschaft für Parodontologie empfiehlt zweimal täglich die Zähne zu putzen für mindestens zwei Minuten [Chapple et al., 2015]. Befolgt man diesen Rat und reinigt systematisch Zahn für Zahn mit den herkömmlichen elektrischen oder manuellen Zahnbürsten [Ebel et al., 2019], stehen bei einem voll bezahnten Erwachsenen allerdings gerade einmal vier Sekunden Reinigungszeit pro Zahn zur Verfügung. Da die Amabrush® alle Zahnoberflächen zugleich reinigt, sollten also zehn Sekunden tatsächlich ausreichen.
Vor diesem Hintergrund haben wir die Effizienz der Ama-brush®-Zahnbürste in einer randomisiert-kontrollierten Studie untersucht. In der Studie mit Cross-over-Design haben 20 parodontal gesunde Freiwillige in zwei Gruppen einmal mit der Amabrush® und zwei Wochen später mit der Handzahnbürste (beziehungsweise umgekehrt) nach bestem Wissen und Können ihre Zähne gereinigt. Besondere Mundhygieneanweisungen gab es nicht – die Nutzung sollte weitgehend die alltäglichen Bedingungen abbilden. Vorausgegangen war beide Male eine dreitägige Mundhygienekarenz ohne Zähneputzen, Spülungen, Kaugummi und Ähnliches, um ausreichend Plaque anzusammeln. Vor und nach dem Zähneputzen wurde von einer verblindeten Untersucherin der Plaqueindex gemessen, um anschließend die Plaquereduktion zu berechnen.
Handzahnbürste reinigt besser als Zehn-Sekunden-Zahnbürste
Obwohl die Probanden keine speziellen Zahnputzkenntnisse hatten, entfernte die Handzahnbürste statistisch signifkant mehr Plaque als die Amabrush®. Allerdings mit einem deutlich höheren Zeitaufwand: Im Mittel putzten die Probanden circa drei Minuten ihre Zähne. Bei keinem der Probanden wurde mit der Amabrush® eine gleich gute oder höhere Plaquereduktion als mit der Handzahnbürste erreicht (11.37 ± 3.70 % versus 31.39 ± 5.27 %; p < 0.0001). In einer einzigen Region war die Amabrush® gleich effizient wie die Handzahnbürste, nämlich an den Palatinalflächen der Oberkiefermolaren. Dies lag aber nicht an der höheren Reinigungseffizienz der Amabrush®, sondern an der schlechteren Plaquereduktion mit den Handzahnbüsten in diesem Bereich.
Im zweiten Teil der Studie wurde die Anlagerung der oszillierenden Silikonborsten an die Zähne auf Gipsmodellen der Probanden untersucht (Abbildung 2). Und hier liegt womöglich auch die Ursache für die schlechte Performance der Amabrush®: In manchen Regionen hatten die Borsten gar keinen Kontakt mit den Zähnen.
Entweder kamen sie zu weit apikal auf der Gingiva zu liegen oder sie endeten 1 bis 2 Millimeter entfernt von den Zahnoberflächen oder sie bogen sich okklusal um. In der Tat war die Reinigungseffizienz der Bürste um so höher, je mehr Silikonborsten in Kontakt mit den Zähnen waren.
Fraglich ist auch, ob Silikon für die Borsten das richtige Material ist. Nylonborsten könnten die Reinigungseffizienz steigern, da sie sich geschmeidiger an die Zähne anlagern.
Die individuelle Anatomie ist das Problem
Ein Zähneputzen in zehn Sekunden erscheint durch eine gleichzeitige Reinigung aller Zähne grundsätzlich möglich. Allerdings benötigt es dazu noch einiges an Entwicklungsarbeit, denn die Borsten müssen in allen Regionen in Kontakt mit den Zahnoberflächen stehen. Da jeder Kiefer unterschiedlich breit und lang ist und die Krümmung des Zahnbogens ebenfalls variiert, müsste sich eine besser reinigende Zehn-Sekunden-Zahnbürste selbsttätig an die individuelle Patientenanatomie anpassen können oder individuell angefertigt werden – eine anspruchsvolle Herausforderung für die Produktentwickler. Die Hersteller der Amabrush® sind inzwischen pleite, aber die Entwicklung geht weiter: Vor Kurzem ist die französische Y-Brush® auf den Markt gekommen, mit schlankerem Mundstück, zwei verschiedenen Größen und Nylonborsten.
Univ.-Prof. Dr. Ines Kapferer-Seebacher, MSc.
Univ.-Klinik für Zahnersatz und Zahnerhaltung, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck
Ines.Kapferer@i-med.ac.at
Dr. Dr. Dagmar Schnabl
Univ.-Klinik für Zahnersatz und Zahnerhaltung, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck
Studie:
Schnabl, D., Wiesmüller, V., Hönlinger, V. et al.: Cleansing efficacy of an auto-cleaning electronic toothbrushing device: a randomized-controlled crossover pilot study. Clin Oral Invest (2020). doi.org/10.1007/s00784–020–03359–5
Die Studie der Autoren ist frei zugänglich veröffentlicht unter: link.springer.com/article/10.1007/s00784–020–03359–5
Literaturliste
1) Chapple et al. Primary prevention of periodontitis: managing gingivitis. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S71–S76.
2) Ebel S, Blättermann H, Weik U, Margraf-Stiksrud J, Deinzer R (2019) High Plaque Levels after thorough toothbrushing: What impedes efficacy? JDR Clin Trans Res 4:135-142.