Angelernte Hilfskräfte in Zahnarztpraxen

Bedingt einsatzfähig

Welche Aufgaben dürfen angelernte Hilfskräfte in Praxen übernehmen? Sind sie möglicherweise eine Lösung für den Fachkräftemangel? Wo die Grenzen von fachfremdem Personal liegen und warum sie Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) nicht ersetzen können.

Der Fachkräftemangeln in Zahnarztpraxen ist ein viel diskutiertes und dauerhaftes Problem. Die Suche nach geeigneten Auszubildenden und Mitarbeitern wird zunehmend schwieriger. Es gibt unterschiedliche Ansätze, dem Personalmangel entgegenzutreten.

Dr. Gregor Jahnke und Duc Van Nguy, zwei Zahnärzte aus Mechernich bei Euskirchen, haben gemeinsam eine digitale Lernplattform entwickelt, um (ungelernte) Quereinsteiger auf die Arbeit in der Praxis vorzubereiten. Unter dem Namen „assisdenta“ bieten sie seit knapp fünf Monaten ein monatliches Abo an und versprechen, fachfremde Mitarbeiter:innen innerhalb von drei bis sechs Monaten für die Bereiche Stuhlassistenz und Anmeldung per App zu schulen. Theoretische Lerneinheiten im Selbststudium wechseln sich mit dem Training in der Praxis ab. Darüber hinaus haben sie ein zahnmedizinisches Lexikon zusammengestellt, das den Einstieg in die Praxisarbeit erleichtern soll. Es enthält alle wichtigen Fachwörter der Zahnmedizin, die mit Bildern leicht und verständlich erklärt werden.

Bevor assisdenta auf den Markt kam, hat Jahnke den Nutzen der Lernsoftware bei sich selbst in der Praxis getestet. Aktuell beschäftigt er sechs fachfremde Mitarbeiterinnen: zwei an der Anmeldung, eine im Praxismanagement und zwei für Stuhlassistenz.

Das Zahnheilkundegesetz setzt Grenzen

Aber welche Aufgaben dürfen ungelernte Hilfskräfte in Praxen überhaupt übernehmen und wo liegen die Grenzen? „Rechtliche Grenzen werden zum Beispiel durch das Zahnheilkundegesetz definiert. Der § 1 Abs. 5 und 6 ZHG benennt Tätigkeiten, wie etwa die Zahnreinigung, die nur an ausgebildetes Fachpersonal delegiert werden dürfen. Diese Aufgaben sind für Fachfremde tabu. Auch das Strahlenschutz- und Medizinprodukterecht sehen Qualifikationsvorgaben vor. So dürfen fachfremde Mitarbeiter:innen nicht röntgen oder Medizinprodukte nach der Aufbereitung freigeben. Bei fachfremden Kräften muss daher besonders sorgfältig überlegt werden, ob ihnen eine Aufgabe übertragen werden kann“, erklärt Henner Bunke D.M.D./Univ. of Florida, Vorstandsreferent der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) für ZFA und Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen.

„Fachfremdes Personal kann das Team entlasten, benötigt aber sehr viel Einarbeitungszeit.“

Henner Bunke D.M.D./Univ. of Florida
Vorstandsreferent der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) für ZFA und Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen

Mitarbeiterin:innen in den Praxen dürfen keine Aufgaben ausführen ohne direkte Anweisung, Kontrolle oder Anwesenheit des Zahnarztes. Sollten Fehler passieren, trägt grundsätzlich der Zahnarzt die Verantwortung und haftet auch persönlich dafür, wie es im Delegationsrahmen der BZÄK festgelegt ist.

Der Vorteil von fachfremdem Personal besteht für Bunke darin, dass es das Team verstärken kann. „Fachfremde können im rechtlich zulässigen Rahmen einfache Tätigkeiten übernehmen, und das ausgebildete Fachpersonal so entlasten und für komplexere Tätigkeiten freistellen.“ Er kann sich vorstellen, dass sie vorbereitende Tätigkeiten, einfache Assistenztätigkeiten oder Aufgaben im Rezeptionsbereich übernehmen.

Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass ihre Einarbeitung sehr viel Zeit benötigt: „Der Wirkungsgrad ist am Anfang sehr gering, vergleichbar mit einem Auszubildenden zu Beginn seiner Ausbildung. Allerdings kann die bisherige Lebens- und Berufserfahrung einer fachfremden Kraft auch in einer Zahnarztpraxis durchaus hilfreich sein. Außerdem dürfte sich der Kenntnistand im Laufe der Beschäftigungsdauer steigern.“

Auch eine Frage der Entlohnung

Sylvia Gabel, Referat Zahnmedizinische Fachangestellte, Verband medizinischer Fachberufe (VmF), steht dem Einsatz von fachfremden Personal kritisch gegenüber: „Ungelernte Hilfskräfte haben kein Wissen über die Abläufe innerhalb einer Praxis. Das Fachpersonal muss alles erklären und kontrollieren, wodurch Zeit verloren geht. Außerdem dürfen keine Behandlungsarbeiten oder Röntgentätigkeiten an fachfremdes Personal delegiert werden. Behandlungen wie Zahnstein entfernen oder Prophylaxe-Behandlungen dürfen nur von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden.“

„Keine Lernsoftware kann eine dreijährige Ausbildung ersetzen.“

Sylvia Gabel,
Verband medizinischer Fachberufe, Referat Zahnmedizinische Fachangestellte

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es mit der Entlohnung von ungelernten Hilfskräften in Praxen aussieht? Gabel kann sich nicht vorstellen, dass sich die Tätigkeit einer ungelernten Hilfskraft finanziell lohnt: „Da nur in vier Kammerbereichen ein Tarifvertrag existiert und es in vielen Kammerbereichen nur den Mindestlohn gibt, frage ich mich, was denn dann ungelerntes Personal als Entlohnung bekommen soll?“

 Bunke schätzt die Lage ähnlich ein, „Die Untergrenze der Entlohnung stellt das Mindestlohngesetz dar. Gegenwärtig beträgt dieser pro Stunde 9,50 Euro und erhöht sich ab dem 1. Juli 2021 auf 9,60 Euro. Ich persönlich würde bei der Entlohnung jedoch den Qualifikationsunterschied beachten. Da ausgebildete Zahnmedizinische Fachangestellte aufgrund ihrer qualifizierten Ausbildung höherwertige Tätigkeiten übernehmen, sollten sie auch ein höheres Entgelt bekommen. Schließlich tragen sie auch mehr Verantwortung!“ 

Eine Lernsoftware kann nur unterstützen

Kann man denn mithilfe eines Programms fachfremdes Personal ausreichend auf die Arbeit in Praxen vorbereiten? Bunke kann sich den Einsatz von einer Lernsoftware nur unterstützend vorstellen. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass das Hauptaugenmerk auf der betrieblichen Qualifikation liegen muss: „Zahnmedizin ist eine hochgradig praktische und personenorientierte Tätigkeit, die nicht komplett theoretisch erlernt werden kann. Auch Teamarbeit und Patientenumgang werden im Wesentlichen ‚on the job‘ erlernt.“

Gabel hält den Einsatz einer Lernsoftware für ein gefährliches Spiel, denn das Fachpersonal qualifiziere sich nicht ohne Grund drei Jahre lang mittels Ausbildung für den Beruf. „Falls sich dieses Modell durchsetzen sollte, werden viele Zahnärzte dann diese ‚günstigen‘ Kolleginnen noch für ganz andere Aufgaben in der Praxis einsetzen“, befürchtet sie. Eine Entwertung des ZFA-Berufs wäre damit vorprogrammiert. Mit dem Modell werde der Fachkräftemangel nicht gelöst, sondern eher gefördert: „Es wird dann einen großen Konflikt mit dem Delegationsrahmen geben und unseren Beruf in zehn Jahren nicht mehr geben.“ Bleibt die Frage, wie man dem Fachkräftemangel in Praxen zukünftig entgegentreten kann.

Ist hierbei der Einsatz von fachfremden Personal der richtige Weg? Bunke spricht sich dafür aus, den Fachkräftemangel vielschichtig zu bekämpfen. Der Einsatz von fachfremdem Personal ist für ihn nur eine kurzfristige Lösung.

Wir müssen Auszubildende besser halten

Der Fokus sollte auf der betrieblichen Ausbildung liegen. „Wir müssen unsere Ausbildungsanstrengungen auch über den eigenen Bedarf hinaus steigern und daran arbeiten, uns als attraktive Arbeitgeber darzustellen. Durch den demografischen Wandel hat sich vielerorts eine Kräfteverschiebung auf dem Arbeitsmarkt ergeben. Ferner müssen wir versuchen, die Quote der vorzeitigen Lösung von Ausbildungsverträgen zu reduzieren. Wenn 20 bis 30 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse vorzeitig gelöst werden, ist dies einfach viel zuviel“, erklärt Bunke.

Durch flexible Arbeitszeitmodelle sollte es ein Entgegenkommen für die Mitarbeiter:innen geben, die sich in der Familienphase befinden. Oft kehren vielen von ihnen im Anschluss an ihre Elternzeit nicht mehr in die Praxen zurück. „Ebenso sollten wir auch versuchen, ältere Mitarbeiter:innen länger im Beruf zu halten“, schlägt Bunke vor.

Auch Gabel sieht Lösungen des Problems in der Ausbildung von ZFA und einer fairen Entlohnung: „Was man selber ausgebildet hat, weiß am besten Bescheid. Nur gemeinsam mit den Zahnärzten können wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Dazu gehört, möglichst viele Kammerbereiche in die AAZ zu bewegen und einen guten Tarifvertrag zu formulieren. Viele Kolleginnen wandern wegen der schlechten Entlohnung in andere Berufe ab, in denen sie mehr verdienen, die Wertschätzung besser ist und die Rahmenbedingungen stimmen.“

Wie funktioniert Assisdenta?

  • Der Zahnarzt schließt ein monatlich kündbares Abo ab und kann die Software nutzen, um ungelernte Hilfskräfte auf ihre Arbeit in der Praxis vorzubereiten. Aktuell werden die beiden Kurse Anmeldung und Stuhlassistenz angeboten. In Zukunft sind noch Hygiene- und Abrechnungskurse geplant. Außerdem sollen die Inhalte in andere Sprachen (zum Beispiel syrisch) übersetzt werden.

  • Die Kurse bestehen aus verschiedenen Modulen, die man zu Hause selbst durcharbeitet. Der Zahnarzt kann in der App sehen, wie engagiert der Mitarbeiter ist. Die Inhalte beschäftigen sich mit alltäglichen Fragen rund um die Praxisarbeit: Wie ist der Ablauf der Desinfektion? Was ist ein Röntgenbild? Wie wird eine Spritze zusammengebaut? Wie wird Müll richtig entsorgt?

  • Die Kurse finden abwechselnd mit einer praktischen Trainingseinheit statt. Mit einer Checkliste können sich die Hilfskräfte, individuell auf ihre Tätigkeit vorbereiten. Zur Wiederholung und Vertiefung der theoretischen Kursinhalte dienen 600 Lernkarten. Ein zahnmedizinisches Lexikon erklärt zudem zahnmedizinische Fachbegriffe in einfacher,verständlicher Sprache.

  • Bisher haben deutschlandweit 25 Zahnarztpraxen assisdenta abonniert.

ak

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.