Der Ausschluss von § 616 BGB ist dringend anzuraten!
Beim Lesen des oben genannten Artikels stellt sich zunächst die Frage, warum sollte der Arbeitgeber-Zahnarzt eigentlich den Verdienstausfall seines unter Quarantäne stehenden Mitarbeiters bezahlen? Ist er denn schuld daran? Natürlich nicht!
Deshalb muss die Allgemeinheit und nicht der Zahnarzt für diese Kosten aufkommen. Das sieht auch der Gesetzgeber so. Deshalb hat er das im Infektionsschutzgesetz (IfSG) entsprechend geregelt. Dort heißt es, dass demjenigen, der von den Behörden unter Quarantäne gestellt wird, sein Verdienstausfall erstattet wird. § 56 (5) IfSG bestimmt hierzu, dass bei betroffenen Arbeitnehmern der Arbeitgeber für längstens sechs Wochen „für die zuständigen Behörden“ auszuzahlen hat. Und dann wörtlich: „Die ausbezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet.“ Damit ist alles geregelt. Dann aber kamen Mitarbeiter der Behörden auf die Idee, man könnte diesen Aufwand unter Verweis auf § 616 BGB (siehe Kasten) dem Arbeitgeber aufbürden, um damit den Staatssäckel zu schonen.
Muss ein arbeitsfähiger Arbeitnehmer in Quarantäne, müssen Sie also die Vergütung für maximal sechs Wochen weiterbezahlen. Insoweit treten Sie als Arbeitgeber in Vorleistung, Sie sind also „Auszahlstelle“ für den Staat hinsichtlich der Entschädigung nach § 56 IfSG. Die von Ihnen ausgezahlten Beträge werden Ihnen auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet.
§ 616 BGB wurde abbedungen
Es ist unstrittig, dass § 616 BGB durch schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumindest teilweise abbedungen werden kann. Dies ist gängige Praxis und wird meist beim Abschluss des Arbeitsvertrags vereinbart. Falls das bei Ihnen nicht geschehen ist, können Sie dies nachholen. Hierzu bedarf es keinerlei „Begründung“, denn in Deutschland herrscht Vertragsfreiheit. Es handelt sich dabei auch nicht um einen Vertrag zulasten Dritter. Ein Ausschluss ist immer nur mit Wirkung für die Zukunft möglich.
Die Formulierung kann wie folgt lauten: „Die Parteien vereinbaren ergänzend zu dem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsvertrag vom [Datum], dass die Anwendung des § 616 BGB ‚vorübergehende Verhinderung‘, die sinngemäß bestimmt, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf die Vergütung nicht dadurch verliert, dass es eine verhältnismäßige nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird, soweit rechtlich möglich, ausgeschlossen ist.“
Ganz wichtig ist, dass Sie vereinbaren, „soweit dies rechtlich möglich ist“. Vereinbaren Sie den Ausschluss ohne diesen Zusatz, ist der Ausschluss möglicherweise komplett unwirksam, da bisher von den Gerichten leider nur festgestellt wurde, dass ein teilweiser Ausschluss zulässig ist. Daraus kann man folgern, dass er wohl nicht komplett ausgeschlossen werden darf. Wenn trotzdem festgestellt werden würde, dass Ihre Ausschlussvereinbarung nicht hält, stehen Sie und Ihr Mitarbeiter nicht schlechter da als ohne eine solche Vereinbarung. Wir haben aber bisher bei den Erstattungsanträgen die Erfahrung gemacht, dass die Abbedingungen anerkannt wurden.
§ 616 BGB wurde nicht abbedungen
Wenn Sie § 616 nicht abbedungen haben, ist zunächst noch nichts verloren. Sie sollten sich nämlich auf den Standpunkt stellen, dass dieser Paragraf nur gilt, wenn die Arbeitsverhinderung lediglich einige Tage andauert. Aufgrund der meist langen Quarantänedauer ist er somit insgesamt unwirksam und Sie können deshalb Erstattung verlangen. Diese Rechtsansicht wird von namhaften Autoren vertreten.
§ 616 BGB: Vorübergehende Verhinderung
„Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, der ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“
Sie haben also möglicherweise den gleichen Erstattungsanspruch, als ob Sie § 616 BGB abbedungen hätten. Arbeitgeber, die sich auf diesen Standpunkt stellen, machen unterschiedliche Erfahrungen. Manche Behörden zahlen ohne Zögern die Entschädigung aus, andere verweigern das. Lehnt die Behörde eine Erstattung ab, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als die Entschädigung entweder aus eigener Tasche zu bezahlen oder einen Rechtsstreit zu führen. Es bleibt zu hoffen, dass wir die Corona-Pandemie los sind, bevor diese Frage höchstrichterlich entschieden ist, denn das könnte dauern.
Wir empfehlen Ihnen auch hier, auf der Entschädigung von der Behörde zu bestehen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich aus unserer Sicht sagen:
Die Anwendung des § 616 BGB sollte ausgeschlossen werden.
Im Quarantänefall hat der Arbeitnehmer keinerlei Nachteil durch den Ausschluss des § 616 BGB.
Nicht der Arbeitnehmer muss die mühselige Arbeit, die Erstattung zu beantragen, leisten, sondern der Arbeitgeber beziehungsweise dessen Steuerberater.
Lassen Sie sich von Ihrer zuständigen Behörde nicht ins Bockshorn jagen. Geben Sie bei einer Ablehnung nicht nach, meist wird die Erstattung doch noch gewährt.
Falls dennoch die Erstattung von der Behörde endgültig abgelehnt wird, wären Ihre Kolleginnen und Kollegen Ihnen bestimmt sehr dankbar, wenn Sie einen „Musterprozess“ führen. Vielleicht erfahren Sie dabei Unterstützung von Verbänden oder Kammern.
In einer der nächsten Ausgaben werden wir uns mit den finanziellen Auswirkungen bei Quarantäne von Kindern eines Arbeitnehmers beziehungsweise bei Fernbleiben von der Arbeit wegen geschlossener Kindergärten oder Schulen befassen. Auch hier vertreten wir die Meinung, dass für diese Kosten ebenfalls nicht der Arbeitgeber aufkommen muss.
Bernhard Fuchs
Kanzlei Fuchs & Martin, Volkach
Steuerberater / Rechtsanwälte Zahnärzteberatung
B.Fuchs@fuchsundmartin.de
Marcel Nehlsen
Steuerberater, Diplom-Finanzwirt & Fachberater für das Gesundheitswesen
Kanzlei Laufenberg Michels und Partner, Köln
Nehlsen@laufmich.de