Blick auf die Studienlage

Welches Potenzial haben Nasensprays gegen SARS-CoV-2?

Für ausgewählte Mundwasser ist erwiesen, dass sie temporär die Viruslast im Mund-Rachen-Raum wirksam reduzieren können (zm berichtete). Nun rückt das Potenzial von Nasensprays verstärkt in den Fokus.

Die Ansätze reichen von Wirkstoffen, die zur Vorbeugung Risikogruppen (wie Beschäftigten im Gesundheitswesen oder älteren Menschen) nasal verabreicht werden sollen, bis hin zu Therapeutika oder auch einer Impfung via Nasenspray.

Prävention

Erste Studien sehen generell [Farrel et al., 2020] wie auch für Povidon-Iod-Lösungen insbesondere [Pahar et al., 2020] belastbare Hinweise dafür, dass Nasenspülungen oder -sprays die Viruslast und damit das Infektionsrisiko verringern können.

Einen Schritt weiter geht eine US-Publikation, die Zahnärzten trotz der noch geringen Evidenz bereits den Rat gibt, Patienten vor der Behandlung ein Xylitol-haltiges Nasenspray zu verabreichen, um die Viruslast im Aerosol zu reduzieren [http://bit.ly/dentistryiq_Xylitol]. Dabei basiert die Empfehlung größtenteils auf einer bislang nicht begutachteten US-Studie [Basal et al., 2020], die in vitro nachgewiesen hatte, dass die Wirkstoffe Iota-Carrageen und Xylitol das SARS-CoV-2-Virus hemmen beziehungsweise inaktivieren können – und zwar in Konzentrationen, die durch Nasensprays leicht verabreichbar sind. Die Studie wurde finanziell von dem US-Unternehmen Amcyte Pharma Inc. unterstützt.

Dem kanadischen Biotech-Unternehmen SaNOtize gelang in Labortests, mit seinem Stickoxid-Nasenspray bis zu 99,9 Prozent aller Coronaviren in den oberen Atemwegen abzutöten. Damit soll das Präparat im frühen Infektionsstadium verhindern können, dass sich die Viren in der Lunge ausbreiten. Am 11. Januar startete in Großbritannien die erste klinische Studie dazu.

Das australische Biotech-Firma Ena Respiratory entwickelte wiederum ein Nasenspray zur Infektionsprävention mit dem Wirkstoff INNA-051, einem synthetischen Agonisten der Toll-Like-Rezeptoren 2 und 6. Mit einer Studie [Proud et al., 2020] konnte an Frettchen gezeigt werden, dass fünf Tage nach der Exposition die Menge der viralen RNA in Nasen-Rachen-Abstrichen bei den mit INNA-051 behandelten Tieren gegenüber Placebo signifikant reduziert war.

Ebenfalls an Frettchen erprobt haben Wissenschaftler der Columbia University, New York (USA), ein Nasenpray mit einem Lipopeptid. Im Laborversuch konnte das nasal verabreichte Molekül die Tiere 24 Stunden vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützen, wenn sie gemeinsam mit infizierten Tieren einen Käfig teilten [Rory D. de Vries et al., 2020].

Die Universitätsmedizin Mainz setzt auf anorganische Polyphosphate, die die Bindung des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 an seinen Wirtszellrezeptor ACE2 signifikant hemmten [Meik Neufurt et al., 2020].

Ein Team der University of Cincinnati (USA) beschäftigt sich mit Sphingosin, das in einem Nasenspray verabreicht werden kann und die Adhäsion und Infektion mit dem Virus verhindern können soll [Michael J. Edwards et al., 2020], indem es selbst an ACE2 bindet.

Eine weitere potenzielle Maßnahme von der University of California, San Francisco (USA) sind die sogenannten aeroNabs. Die synthetischen antikörperähnlichen Moleküle sollen verhindern, dass das Virus menschliche Zellen infiziert. Die Forscher durchsuchten dazu eine Bibliothek von zwei Milliarden Nanokörpern auf der Suche nach Molekülen, die das Spikeprotein des Coronavirus blockieren. Drei der vielversprechendsten Nanokörper wurden am Institut Pasteur in Paris [Schoof et al., 2020] geprüft und anschließend von den Forschenden verfeinert, um ihre antivirale Wirkung zu maximieren.

Therapie

Der US-Konzern Xlear Inc. sieht sogar Potenzial für sein Sinusitis-Spray auf Basis von Xylitol, als Therapeutikum als Behandlungsoption bei leichten bis moderaten COVID-19-Fällen. Eine klinische Studie mit 200 Teilnehmern, die den Effekt von Xylitol auf den Krankheitsverlauf untersucht, startete im August 2020. Im Dezember reichte das Unternehmen bei der US-Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA) den Antrag auf eine Vorabnotfallzulassung ein.

Impfung

Aktuell befindet sich ein chinesischer nasaler Impfstoffkandidat des Unternehmens Beijing Wantai Biological Pharmacy in einer Phase-2-Studie mit 720 Probanden.

In den USA gibt es ebenfalls erste Erfolge bei der Entwicklung eines Impfstoffs, der in Zukunft nasal verabreicht werden könnte: Das US-Unternehmen Altimmune hat im Mäuseversuch nachgewiesen [Rodney G. King at al., 2020], dass sich mit seinem Präparat AdCOVID eine starke Aktivierung des adaptiven Immunsystems erreichen lässt. Andere Forscher aus Nordamerika haben ebenfalls einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 entwickelt, der als Nasenspray verabreicht werden kann. In einer ersten Preprint-Studie [Jun-Guy Park et al., 2021] zeigten sie, dass der Impfstoff in Tierversuchen wirksam ist. Mäuse, denen dieser Impfstoff durch die Nase verabreicht wurde, hatten zudem deutlich weniger Lungensymptome und Entzündungen – sie gaben keine Coronaviren mehr ab. Das könnte nach Ansicht der Autoren bedeuten, dass die Impfung durch ein Nasenspray verhindern kann, dass Geimpfte das Virus weiterverbreiten.

Die Literaturliste finden Sie hier.

Expertenempfehlung

Nasensprays fürs Gesundheitspersonal

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) hat im Dezember 2020 Empfehlungen herausgegeben (http://bit.ly/Tipps_DGKH), die auch viruzide Nasensprays mit Povidon-Iod (PVP-Iod) erwähnen. Solange in Deutschland kein Handelsprodukt verfügbar ist, könne die entsprechende Lösung in Apotheken hergestellt werden, lautet ein Rat. In Schulen und Kindergärten wird Kindern wie Betreuern Gurgeln bei gleichzeitiger Anwendung von Nasenspray empfohlen. Bei einer 7-Tage-Inzidenz > 50 oder in Hotspots empfiehlt die DGKH die Anwendung eines Carragelose-Nasensprays. Außerdem rät sie zu Postexpositionsprophylaxe: Nach dem Kontakt mit einem nachweislich SARS-CoV-2-Infizierten sollen Betroffene ein bis zwei Wochen lang mehrmals täglich mit viruzidem Mundwasser gurgeln und zusätzlich ein Nasenspray auf Basis von Carragelose oder 0,23 Prozent PVP-Iod verwenden.

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