Mutige Entscheidungen

Zum Wesen demokratischer Wahlen gehört, dass sie Überraschungen zur Folge haben können. Die Tatsache, dass die Delegierten der Bundesversammlung erstmals eine Frau in den Geschäftsführenden Vorstand (GV), das höchste Gremium der Bundeszahnärztekammer, gewählt haben, als Überraschung zu bezeichnen, wäre allerdings noch stark untertrieben. Denn damit war im Vorfeld nicht wirklich zu rechnen. Vielmehr sah es danach aus, dass sich ausschließlich auf Bundesebene bekannte Herren zur Wahl stellen würden. Dass sich dann gleich drei Zahnärztinnen um die beiden Vize-Posten bewerben würden, war nicht absehbar – hier dürften auch recht kurzfristig Entscheidungen pro Kandidatur gefallen sein. 

Natürlich hätten die Delegierten auf Nummer sicher gehen und ausschließlich bekannte Personen wählen können, aber hier war der Souverän mutiger, als zu erwarten gewesen wäre. Vielleicht war die Zeit aber auch einfach reif für eine derartige Veränderung. Der neue BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz rief den Delegierten in seiner Abschlussrede entgegen: „Sie haben Geschichte geschrieben, indem Sie erstmals eine Kollegin in den Geschäftsführenden Vorstand der BZÄK gewählt haben.“

Das Ergebnis ist ein für vier Jahre gewählter GV, der mit dem bisherigen Vizepräsidenten Benz und dem Hamburger Kammerpräsidenten Konstantin von Laffert einerseits Kontinuität und Erfahrung aufweist, aber mit Dr. Romy Ermler auch frischen Wind aus Brandenburg mitbringen dürfte, wo sie ebenfalls über mehrjährige Vorstandserfahrung verfügt. Natürlich wird sich das neue Team jetzt erst einmal zusammenfinden müssen. Viel Zeit bleibt mit Blick auf die anstehenden Aufgaben und die bevorstehende Bundestagswahl dafür aber nicht.

Dass nun endlich auch eine Frau in die Männerbastion Geschäftsführender Vorstand vorgedrungen ist, ist ein deutliches Signal an die Zahnärzteschaft, dass auch in den Selbstverwaltungsgremien etwas vorangeht. Klar ist natürlich, dass sich dieser wichtige Trend in anderen BZÄK-Gremien und auf Landesebene fortsetzen muss. Und auch bei der Zusammensetzung der Bundesversammlung ist noch deutlich Luft nach oben. Mit einem Frauenanteil von knapp 25 Prozent ist man noch weit von der Quote der im Land arbeitenden Zahnärztinnen entfernt.

Nicht vergessen werden darf auch, dass sich der GV nicht unerheblich verjüngt hat. Auch das ist ein wichtiges Signal an die jüngere Generation von Zahnärztinnen und Zahnärzten. Eher ein Zufall ist wohl die regionale Zusammensetzung des neuen GV. Mit Hamburg, Bayern und Brandenburg dürften aber eine gute Mischung und daraus resultierend unterschiedliche Perspektiven gewährleistet sein.

Wenig Anklang fand bei den Delegierten übrigens die Team-Idee. Zur Erläuterung: Im Vorfeld hatten sich teilweise Kandidaten zusammengefunden und angekündigt, dass sie gerne als Dreier-Team antreten würden, weil sie gut miteinander arbeiten könnten. Gewählt werden konnten aber natürlich immer nur einzelne Kandidaten. Davon haben die Delegierten dann auch klar Gebrauch gemacht und sich quasi ihr eigenes Wunschteam zusammengestellt. Auch hier blieb der Souverän souverän.

Mit dem Abschied von Dr. Peter Engel als BZÄK-Präsident ging auch eine Ära zu Ende. Engel war nach über zwölf Jahren an der Spitze der Bundeszahnärztekammer nicht mehr zur Wahl angetreten. Er hat mit seinem Engagement für den Berufsstand die Arbeit der BZÄK entscheidend geprägt. Entsprechend herzlich war denn auch die Verabschiedung auf der Bundesversammlung.

Anzumerken war den Delegierten übrigens die Freude darüber, erstmals wieder in Präsenz zusammenkommen zu können – unter einem strengen Hygieneregime mit teilweise riesigen Abständen im Berliner Hotel Estrel. Trotzdem boten sich genügend Gelegenheiten zum persönlichen Austausch – und es wurde wieder einmal deutlich, dass Demokratie davon in höchstem Maße lebt.

Dem neuen GV sei ein guter Start gewünscht.

Sascha Rudat

Chefredakteur