Aus der Wissenschaft

Verkalkungen in der Arteria Carotis

Kerstin Albrecht
Auf Panoramaschichtaufnahmen sind manchmal Verkalkungen in der Arteria Carotis zu erkennen. Kann dieser Zufallsbefund ein prädiktiver Faktor für zukünftige zerebrovaskuläre und kardiovaskuläre Ereignisse sein? Wissenschaftler aus Singapur haben das jetzt in einer Übersichtsarbeit analysiert.

Standardmäßig werden Panoramaschichtaufnahmen in der Zahnarztpraxis zu diagnostischen Zwecken angefertigt, um Zähne und Kieferknochen zu befunden. Daneben finden sich auf diesen Aufnahmen gelegentlich auch andere Pathologien, die mit den Zähnen nichts zu tun haben. Dazu gehören unter anderem Plaqueablagerungen in der Arteria Carotis, die als Zufallsbefund auf OPGs (Orthopantomogrammen) seit den 1980er-Jahren immer wieder beschrieben werden [Friedlander und Lande, 1981]. Auch die zm berichteten im Jahr 2004 darüber (zm 21/2004).

Diese arteriosklerotischen Plaques im Bereich der A. carotis communis sind auf Panoramaschichtaufnahmen mit einer Prävalenz von 2 bis 5,7 Prozent zu finden [Bayer et al., 2011; Sutter et al., 2018; Ribeiro et al., 2018]. Kalzifizierte Plaque bildet sich auf der Panoramaschichtaufnahme meist im Bereich der Carotisgabel auf Höhe der Halswirbel C3, C4 kaudal des Unterkieferwinkels ab. Der Verlauf ist zumeist (röhrenförmig) vertikal und aufgrund der randständigen Lage zur Schicht scharfer Darstellung ergibt sich eine kalkisodense und häufig (je nach Gerät) geringgradig unscharfe Abbildung.

Ätiopathologie von Verkalkungen in der A. Carotis

Plaqueablagerungen finden sich häufig im Bereich der Bifurkation, wo sich die A. carotis communis in die A. carotis interna und die A. carotis externa gabelt. Grund dafür sind strömungsmechanische Turbulenzen in der Region. Bluthochdruck, eine Hypercholesterinämie oder ein Nikotinabusus können das Endothel schädigen und an diesen Stellen die Plaqueablagerung initiieren. Diese Gefäßverengungen lassen den Blutdruck weiter steigen, was schließlich zu Rupturen des die Plaque überwachsenden Gefäßendothels führt. In der Folge lagern sich Thrombozyten an und bilden zusammen mit Fibrin und Cholesterinkristallen einen Thrombus, der mit dem Blutstrom in Richtung Gehirn ausgeschwemmt wird und dort über eine Embolie zu einer Ischämie und letztlich zu einem Schlaganfall führen kann [Schulze, 2004].

Aktuell ist zu diesem Thema ein Review aus Singapur erschienen. Die Autoren wollten den prädiktiven Wert solcher auf OPGs gefundenen Verkalkungen in Bezug auf zukünftige Zwischenfälle zerebro- und kardiovaskulärer Erkrankungen herausfinden. Sie schlossen in ihre Übersicht Studien ein, in denen zerebrovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfall, vorübergehende ischämische Attacken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – namentlich Myokardinfarkt, Angina pectoris und Herzinsuffizienz mit Todesfolge – im Zusammenhang mit Verkalkungen in der A. carotis untersucht wurden.

Aus 1.011 in der Literaturrecherche gefundenen Studien wurden schließlich fünf prospektive Kohortenstudien, die zwischen 2006 und 2019 veröffentlicht wurden, in die qualitative Analyse eingeschlossen. Diese untersuchten Test- gegen Kontrollgruppen und umfassten eine mindestens fünfjährige Nachbeobachtungszeit. Drei der fünf Studien stammten aus Schweden, eine aus Japan und eine aus Österreich. Aufgrund der Heterogenität dieser Studien konnte keine quantitative Synthese vorgenommen werden.

Ergebnisse des Reviews

Patienten mit auf Panoramaschichtaufnahmen sichtbaren Verkalkungen im Bereich der A. Carotis erlitten im Vergleich zu den Kontrollgruppen häufiger Schlaganfälle, transitorische ischämische Attacken (Vorboten des ischämischen Apoplex), Myokardinfarkte und es wurden häufiger Revaskularisierungsbehandlungen wie Bypässe oder Stents nötig. Beidseitige Verkalkungen waren ein unabhängiger Risikomarker für zukünftige vaskuläre Ereignisse.

Patienten, die derzeit noch nicht wegen kardiovaskulärer Risikofaktoren behandelt werden, sollten zur weiteren Abklärung – Angiografie oder Duplexsonografie – überwiesen werden. Diejenigen, die bereits wegen Arteriosklerose behandelt werden, profitieren laut Review möglicherweise nicht von zusätzlichen Untersuchungen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen waren allerdings nicht alle signifikant und die Ergebnisse der Studien waren insgesamt heterogen.

Fazit

Die Autoren des Reviews kamen zu dem Schluss, dass es keine eindeutige Evidenz für einen prädiktiven Wert von Verkalkungen in der A. Carotis, die auf Panoramaschichtaufnahmen zu sehen waren, für zukünftige vaskuläre Ereignisse gibt. Radiologisch sichtbare Verkalkungen sollten jedoch bei der zahnärztlichen Befundung erkannt werden. Ein solcher Zufallsbefund kann dazu beitragen, Risikopatienten zu identifizieren, damit sie zur weiteren Abklärung und Behandlung überwiesen werden können.

Dr. Med. Dent. Kerstin Albrecht

Medizin-/Dentaljournalistin

Quelle: Lim LZ, Koh PSF, Cao S, Wong RCW: Can carotid artery calcifications on dental radiographs predict adverse vascular events? A systematic review. Clin Oral Investig. 2021 Jan;25(1):37–53. doi:10.1007/s00784–020–03696–5.

Literaturliste

Bayer S, Helfgen E-H, Bös C, Kraus D, Enkling N, Mues S (2011) Prevalence of findings compatible with carotid artery calcifications on dental panoramic radiographs. Clin Oral Investig 15:563–569. https://doi.org/10.1007/s00784-010-0418-6

Friedlander AH, Lande A (1981) Panoramic radiographic identification of carotid arterial plaques. Oral Surgery, Oral Med Oral Pathol 52:102–104. https://doi.org/10.1016/0030-4220(81)90181-X

Ribeiro A, Keat R, Khalid S, Ariyaratnam S, Makwana M, do Pranto M, Albuquerque R, Monteiro L (2018) Prevalence of calcifications in soft tissues visible on a dental pantomogram: a retrospective analysis. J Stomatol Oral Maxillofac Surg 119:369–374. https://doi.org/10.1016/j.jormas.2018.04.014

Schulze R.: Kalzifizierte Plaque der Arteria carotis. zm Heft 21/2004, https://www.zm-online.de/archiv/2004/21/zahnmedizin/kalzifizierte-plaque-der-arteria-carotis/

Sutter W, Berger S, Meier M, et al (2018) Cross-sectional study on the prevalence of carotid artery calcifications, tonsilloliths, calcified submandibular lymph nodes, sialoliths of the submandibular gland, and idiopathic osteosclerosis using digital panoramic radiography in a Lower Austrian subp. Quintessence Int 231–242. https://doi.org/10.3290/j.qi.a39746

Wadia, R. Carotid artery calcification on dental radiographs. Br Dent J 230, 92 (2021). https://doi.org/10.1038/s41415-021-2626-7

52934-flexible-1900

Dr. Kerstin Albrecht

Medizin-/ Dentaljournalistin

1995 – 2001: Studium der Zahnheilkunde (Hannover/Gießen)
2001 – 2008: Assistenz- und angestellte Zahnärztin in Zahnarztpraxen, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung für Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde und Parodontologie, Georg-August-Universität Göttingen
2006: Promotion
2008 – 2010: Zusatzstudium Journalismus, Freie Journalistenschule Berlin
2009 – 2018: PR-Beraterin in Healthcare-Agenturen, PR-Referentin bei der Initiative proDente e.V., freie Autorin von medizinischen und zahnmedizinischen Artikel
seit 2019: freiberufliche Medizin- und Dentaljournalistin

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