Modellprojekt in Sachsen-Anhalt

15 QuereinsteigerInnen werden ZFA

Mehr als 40 Praxen hatten großes Interesse daran, Fachkräfte auszubilden. Nun ging das Modellprojekt der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt an den Start: Eine Klasse von 15 QuereinsteigerInnen macht in Magdeburg seit Anfang Oktober eine ZFA-Umschulung. Innerhalb von zwei Jahren erlernen 14 Frauen und 1 Mann im Alter von 23 bis 53 Jahren den Beruf.

Eine der Quereinsteigerinnen ist Sabine Hentschel. Als die 53-Jährige die ZFA-Umschulung begann, hatte sie bereits in verschiedenen Branchen gearbeitet. Viele Jahre war sie im Buchhandel tätig, hat eine Trainer-Lizenz für Rehasport gemacht, als Bäckerin gearbeitet und in der ehemaligen DDR eine Ausbildung als Facharbeiterin für Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik absolviert. Hentschel sieht die Umschulung als persönliche Chance. „Ich bin sehr froh darüber, endlich einen Abschluss in einem Beruf zu haben, in dem ich bis zur Rente arbeiten kann“, berichtet sie.

Ihr eigener Zahnarzt hatte sie damals angesprochen, ob sie nicht Lust habe, bei ihm zu arbeiten. Nun ist sie schon seit einem Jahr in der Praxis tätig und froh, dass er sie für die ZFA-Umschulung angemeldet hat. „Es ist eine sehr schöne Arbeit und es gibt geregelte sowie gesittete Arbeitszeiten mit einer klaren Struktur“, erzählt sie. „Außerdem herrschen eine super Atmosphäre und ein toller Zusammenhalt im Team. Alle sind sehr hilfsbereit und unterstützen sich gegenseitig.“ Gerne möchte sie dort nach ihrer Umschulung weiterarbeiten.

Meist haben die Umschüler schon einen Abschluss

„In der Regel haben die Teilnehmer einen Realschulabschluss und Berufsausbildungen von Kauffrau im Einzelhandel, Floristin, Kosmetikerin, Kinderpflegerin bis zum Facharbeiter für BMSR-Technik und einem Bachelorabschluss“, führt Monika Barm aus. Sie ist die Geschäftsführerin des Bildungsträgers, der Magdeburger Fit-Bildungs-GmbH, mit dem die Kammer das Projekt auf den Weg gebracht hat.

Die Fit-Bildungs-GmbH übernimmt die schulische Ausbildung. Der Unterricht findet an zwei Tagen in der Woche von 8 bis 15 Uhr statt. Im Unterschied zur regulären ZFA-Ausbildung dauert die Umschulung nur zwei statt drei Jahre. Außerdem findet die Zwischenprüfung bereits nach einem Jahr statt. Das Ziel bleibt dasselbe: Die Prüfung zur ZFA erfolgreich vor der Zahnärztekammer abzulegen. „Es handelt sich um einen anerkannten Berufsabschluss“, betont Barm. Trotz der Verkürzung werde alles durchgenommen, der Unterrichtsstoff lediglich anders integriert.

Ein weiterer Unterschied zur regulären Ausbildung besteht darin, dass die Umschüler keine Ausbildungsvergütung von ihrem Arbeitgeber erhalten, sondern von der Bundesagentur für Arbeit und dem Jobcenter finanziert werden. „Es handelt sich um Empfänger von Arbeitslosengeld I und II, die während der Umschulung im Leistungsbezug bleiben“, erklärt Barm. Die Maßnahme wird durch das Qualifizierungschancengesetz (QCG) I gefördert. Barm geht davon aus, dass 95 Prozent der Quereinsteiger die Umschulung erfolgreich abschließen werden. Die Abbruchquote liegt sonst bei 10 Prozent.

Marcel Hendrich ist der einzige Mann in der Klasse. Der 35-jährige Magdeburger hat nach dem Abitur erst Chemie und Elektrotechnik studiert, aber beides abgebrochen. Als er im Jobcenter gefragt wurde, ob er sich vorstellen kann, im medizinischen Bereich zu arbeiten, absolvierte er ein viermonatiges Praktikum bei einem Zahnarzt, das ihm sofort gefallen hat. „Das Feedback von Patienten, die wieder schmerzfrei aus der Praxis gehen können, gibt mir ein gutes Gefühl“, betont Hendrich. Er empfinde die Arbeit mit Patienten deshalb als sehr erfüllend. Das Jobcenter habe ihn auch auf die Umschulung aufmerksam gemacht. „Mir gefällt meine Arbeit in der Praxis. Es ist eine schöne familiäre Atmosphäre. Ich habe ein tolle Chefin, die alle Fragen beantwortet und arbeite mit netten Kollegen zusammen“, sagt er. Auch er kann sich vorstellen, nach der Umschulung weiter in der Praxis zu arbeiten. Die theoretische Ausbildung finden er und auch Hentschel gut und verständlich.

Es geht darum, Fachkräfte auszubilden

„Das Projekt zielt darauf ab, Fachkräfte für die Zahnarztpraxen auszubilden“, verdeutlicht Cornelia Stapke, Mitarbeiterin der Zahnärztekammer. „Die Praxen verzeichnen einen massiven Fachkräftemangel, dem dringend entgegengewirkt werden muss!“ Ob das Projekt eine Zukunft hat, sei davon abhängig, wie erfolgreich der erste Durchgang wird: „Ob dieses Modell einen Beitrag leisten kann, wird sich nach den zwei Jahren zeigen. Wenn die Umschüler die Ausbildung erfolgreich abschließen und die Zahnarztpraxen dann als Fachkräfte unterstützen können, werden wir sicher über eine Fortsetzung des Projekts nachdenken.“

Das sagen Chef und Chefin

Wie haben Sie von dem Quereinsteiger-Projekt erfahren?

Zahnarzt Axel Neumann: Auf das Projekt wurde ich durch eine telefonische Anfrage der Fit-Bildungs-GmbH aufmerksam. Ich finde den Ansatz sehr gut, Quereinsteigern, Arbeitslosen und Menschen, die sich beruflich neu orientieren wollen, eine Ausbildung in diesem Beruf zu ermöglichen. Die Umschüler werden zusätzlich zu den regulären Klassen der Berufsschule ausgebildet.

Zahnärztin Antje Stille: Ich finde das Projekt sehr gut. Wir bilden bereits seit 1991 aus. In der Regel haben wir immer zwei Auszubildende, die unterschiedlich weit sind. Die jüngeren Auszubildenden können von den Erfahrungen der anderen profitieren und sich gegenseitig unterstützen. Durch einen Aufruf der ZÄK SA in den Zahnärztlichen Nachrichten (zn) wurde ich darauf aufmerksam, dass Praxen gesucht werden, die bei dem Modellprojekt mitmachen wollen. Daraufhin habe ich mich gemeldet.

 

Seit 1991 praktiziert Zahnarzt Axel Neumann in seiner Magdeburger Praxis. Bislang hat er acht ZFA und eine Umschülerin erfolgreich ausgebildet. | Peter Neumann

 

Warum nehmen Sie teil? Haben Sie bereits Erfahrungen mit Quereinsteigern?

Stille: In unserer Praxis hatten wir bisher noch keine Quereinsteiger. In den 90er-Jahren hat eine Kollegin eine Quereinsteigerin ausgebildet. Sie war sehr zufrieden mit ihr. Unseren Quereinsteiger bilden wir zusätzlich aus. Mir wurde vom Bildungsträger ein junger Mann vorgeschlagen. Nach einem ersten Gespräch war der Eindruck durchweg positiv. Außerdem wollte ich schon immer mal einen Mann mit im Team haben, daher haben wir uns für ihn entschieden. Anfang Oktober hat er die Umschulung bei uns begonnen.

Neumann: Der Personalmangel ist überall schmerzlich spürbar. Auszubildende sind rar. Praxen gehen auf der Suche nach ihnen oft leer aus. Deshalb freue ich mich besonders, dass sich im laufenden Projekt gleich zwei junge Frauen nach einem dreiwöchigen Praktikum für uns als Ausbildungspraxis entschieden haben. Persönlich habe ich bisher keine Erfahrungen mit Quereinsteigern gesammelt. Ein Kollege, der eine Quereinsteigerin beschäftigt hat, hat mir davon berichtet, wie zufrieden er war. Die Organisation und die personelle Sicherstellung der zahnärztlichen Sprechstunde obliegen dem Praxisinhaber. Finden wir keine ausgebildeten ZFA, muss man auch an Quereinsteiger denken.

Wie sehr sind Sie vom Fachkräftemangel betroffen? 

Neumann: Zurzeit bin ich wieder auf der Suche nach einer ZFA und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, Fachkräfte zu finden. Es hilft auch nichts, frühzeitig bei Kollegen nachzufragen, die ihre Praxis aus Altersgründen aufgeben wollen und keinen Nachfolger finden. Bei drei Praxen in direkter Nachbarschaft habe ich es bisher vergeblich versucht. Deshalb kann ich versichern, dass ich vom Fachkräftemangel stark betroffen bin. Aufgrund einer unerwarteten Kündigung einer ZFA ist die aktuelle Situation so prekär, dass der reguläre Sprechstundenbetrieb ab Januar gefährdet sein könnte. Im Moment müssen wir bereits vereinbarte PZR-Termine für Dezember aus personellen Gründen wieder absagen.

Stille: Aktuell befindet sich unsere Praxis in einer guten Phase, in der wir nicht unmittelbar vom Fachkräftemangel betroffen sind. Durch regelmäßiges Ausbilden können wir es ganz gut ausgleichen. Allerdings kenne ich auch Phasen, in denen wir Probleme hatten, Fachkräfte zu finden – vor allem wenn man spezielle Fachkräfte sucht oder alle Mitarbeiterinnen gleichzeitig schwanger werden. Diese Zeiten haben wir auch schon erlebt, was normal in einem Frauenbetrieb ist.

Was können Quereinsteiger gegen den Fachkräftemangel leisten?

Stille: Meiner Meinung nach können Quereinsteiger dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu kompensieren. Außerdem bringen die meisten von ihnen Berufs- und Lebenserfahrung sowie eine bestimmte Vorbildung mit. Unser Quereinsteiger hat beispielsweise Chemie studiert, was für die Bereiche Werkstoffkunde, Hygienevorschriften und Gefahrstoffe in der Praxis von Vorteil ist. Hiervon können beide profitieren. Welche Vorteile das Projekt auf lange Sicht hat, wird sich noch zeigen.

 

Die ehemalige Olympiaschwimmerin und Weltrekordlerin im Rückenschwimmen Antje Stille eröffnete vor 30 Jahren in Magdeburg ihre Zahnarztpraxis. Seit 2017 führt sie die Praxis gemeinsam mit ihrer Tochter Anne Stille. | Marco Sensche

 

Neumann: Hier muss man differenzieren. Quereinsteiger können und dürfen nicht alle Arbeiten in der Praxis übernehmen. Insbesondere diejenigen, die ohne abgeschlossene Berufsausbildung in den Praxen arbeiten. Sie können viele Arbeiten nach Einarbeitung erledigen, aber eine ausgebildete ZFA können sie nicht ersetzen. Zum Beispiel dürfen Röntgenaufnahmen oder die Sterilisierung nur von examinierten Fachkräften ausgeführt werden. Das Modellprojekt hat zwei Zielgruppen: zum einen Menschen, die diesen Beruf neu erlernen möchten, zum anderen diejenigen, die bereits in Zahnarztpraxen als Quereinsteiger arbeiten und nun mit der Berufsausbildung zu examinierten Fachkräften werden. Ich bin mir sicher, dass dieser Weg ein wertvoller Baustein sein kann, um der hohen Nachfrage nach ausgebildeten ZFA gerecht zu werden.

Wie kann man die Ausbildung zur ZFA attraktiver gestalten?

Neumann: Meiner Meinung nach ist die ZFA ein attraktiver Beruf. In den vergangenen Jahren sind die Auszubildenden-Entgelte kontinuierlich angepasst worden. Hier könnte man noch nachbessern. Viel wichtiger erscheint mir aber, die Vorteile, die dieser Beruf mit sich bringt, besser in der Öffentlichkeit zu kommunizieren: etwa das Thema verlässlich geregelte Arbeitszeiten – keine Schichten und keine Arbeit an Sonn- und Feiertagen, mit Ausnahme der wenigen Notdienste. Eine meiner Umschülerinnen arbeitete vorher in der Gastronomie und freut sich, zukünftig diese Annehmlichkeiten zu haben. Vor allem lässt sich das Familienleben mit kleineren Kindern so besser organisieren. In Zukunft wünsche ich mir mehr solcher Projekte.

Stille: Das Ansehen des Berufsbilds der ZFA muss insgesamt gestärkt werden. Viele wissen nicht, was zu dem Beruf dazu gehört und welche Anforderungen gefragt sind. Die Außendarstellung ist leider nicht präsent genug. Viele der jungen Auszubildenden, die sich bei uns bewerben, wissen oft nicht, was alles zu dem Beruf dazugehört. Deshalb bieten wir immer zuerst ein Probearbeiten an.

ak

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