Die Bestimmung personalisierter Intervalle in der unterstützenden Parodontaltherapie (UPT)
Im Anschluss an eine aktive Parodontalbehandlung wird die UPT eingeleitet. Diese zielt mit wiederholten Nachsorgeterminen darauf ab, die noch vorhandenen parodontalen Stützgewebe aufrechtzuerhalten. Da Patienten nach einer abgeschlossenen Therapie noch parodontale Resttaschen aufweisen können, wird die Stabilisierung der parodontalen Gewebe durch ein individuell angepasstes Intervall erreicht. Diese Art einer personalisierten parodontalen Betreuung kann heute mithilfe eines wissenschafltich validierten Algorithmus zur Bestimmung von UPT-Intervallen optimiert werden. Benötigt werden dazu lediglich die Daten, die ohnehin im Rahmen einer parodontalen Risikoeinschätzung erhoben werden: Sondierungstiefe, Bluten auf Sondieren, Furkationsbeteiligung, Plaque, Raucherstatus und Diabetesbefund.
Zur Bestimmung der UPT-Intervalle werden diese Daten in ein Onlineformular auf der Webseite www.perio-tools.com/upt eingegeben. Sind die Daten vollständig, gibt das Formular ein patientenindividuell ermitteltes Recallintervall aus. Wichtig: Die auf der Webseite eingegebenen Daten werden dort nicht gespeichert und es ist auch keine Registrierung notwendig, um die Seite nutzen zu können. Im Folgenden wird Schritt für Schritt die Vorgehensweise erklärt, wie in der täglichen Routine der parodontalen Langzeitbetreuung die personalisierten UPT-Intervalle bestimmt werden können.
Eintragen der klinischen Befunde
Bei jedem UPT-Termin werden die klinischen Befunde erhoben und in das Onlineformular eingetragen. Zur Kennzeichnung der fehlenden Zähne kann im Formular das Feld mit der entsprechenden Zahnnummer angeklickt werden. Weiter können in Analogie zum Online-Parodontalstatus (www.parodontalstatus.ch) der Furkationsbefall sowie vorhandene Zahnimplantate im Formular erfasst werden. Die weiteren klinischen Indizes für die Entzündung (Bleeding On Probing, BOP) und die Mundhygiene (Plaque-Index) werden mit sechs Stellen pro Zahn eingetragen. Allfällige Zahnfleischrezessionen können zur Verlaufskontrolle ebenfalls mit sechs Stellen pro Zahn im Formular eingetragen werden. Die Eingabe der klinischen Daten wird mit der Erfassung der parodontalen Sondierungstiefen abgeschlossen. Die systemischen Befunde des Raucherstatus oder des Diabetes werden weiter unten im Formular mit einem Klick auf „Rauchen (R)“ respektive „Diabetes (D)“ angegeben.
Berechnung des vorgeschlagenen UPT-Intervalls
Während der Übertragung der Sondierungstiefen ins Onlineformular werden in den mit „Auswertung“ bezeichneten Tabellen die entsprechenden Werte automatisch ausgerechnet (Abbildung 1). Diese sind die Anzahl der parodontalen Resttaschen von 4 mm, 5 mm und ≥ 6 mm und deren Prozentwerte. Ebenso werden letztere kumulativ zusammengefasst. Diese in der oberen Tabelle grün hinterlegten Werte werden in der darunter gelegenen Tabelle den entsprechenden Zellen zugeordnet. Für jede der drei Spalten (4 mm, 5 mm und ≥ 6 mm) werden jeweils die untersten gültigen Zellen ausgewählt [Ramseier et al., 2019]. Das vom Algorithmus vorgeschlagene UPT-Intervall wird schlussendlich von der jeweils obersten ausgewählten Zelle aller drei Spalten (4 mm, 5 mm und ≥ 6 mm) bestimmt und in der Zahlenreihe 3, 4, 6, 9 und 12 (Monate) mit einem Kasten umrahmt.
Weiter werden Plaque-Index (Plaque), Resttaschen ab 4 mm sowie Bluten auf Sondieren (BOP) mit horizontalen Balken grafisch dargestellt. Beim Mundhygienebefund wird ein Schwellenwert von 20 Prozent mit einer vertikalen Linie angezeigt. Der entsprechende Schwellenwert für den Entzündungsbefund liegt beim roten Balken je nach Raucherstatus bei 16 Prozent (Raucher) oder 23 Prozent (Nichtraucher, Ex-Raucher).
Auswahl des personalisierten UPT-Intervalls
Neben der Berechnung des Algorithmus-basierten Intervalls werden ebenso die zusätzlich erhobenen Befunde – beispielsweise Zähne mit Furkationsbefall, die Menge an neugebildetem Zahnstein oder der Raucherstatus – hinzugezogen, damit das letztlich selbst gewählte personalisierte UPT-Intervall bestimmt werden kann. Anhand der beiden folgenden klinischen Beispiele wird dieses Vorgehen erklärt.
Beispiel 1
Im ersten Beispiel zeigt die Patientin bei 27 Zähnen insgesamt sieben Stellen mit 4 mm (4,32 Prozent) und eine Stelle mit 5 mm (0,62 Prozent) Sondierungstiefe (Abbildung 2). Mit diesem Profil wird durch den Algorithmus ein UPT-Intervall von zwölf Monaten vorgeschlagen.
Bei genauer Betrachtung der Mundhygiene (Plaque-Index) sowie der vorhandenen Entzündung (BOP) wird vom Behandler jedoch ein kürzeres personalisiertes UPT-Intervall von neun Monaten gewählt (Abbildung 2). Damit sollten nach einer professionellen Zahnreinigung mit Mundhygiene-Instruktion und -Motivation sowohl der Plaque- als auch der Entzündungsindex reduziert werden können. Da die Patientin Raucherin ist, müsste sie einen Entzündungsindex von weniger als 16 Prozent aufweisen, damit sie als parodontal stabil eingeschätzt werden kann [Ramseier et al., 2015].
Beispiel 2
Im zweiten Beispiel zeigt ein Nichtraucher mit 26 Zähnen ein Profil mit neun Resttaschen ab 6 mm, erhöhten Plaque-Werten (43 Prozent) und einem instabilen Entzündungsindex von 39 Prozent. Sein vorgeschlagenes UPT-Intervall beträgt drei Monate (Abbildung 3).
Die Menge an parodontalen Resttaschen (neun Stellen, 5,77 Prozent) ist jedoch größer als diejenige von 4 Prozent, die mit einem Intervall von drei Monaten stabil gehalten werden könnte. Aus diesem Grund sollten zusätzliche parodontalchirurgische Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Diese sind jedoch aufgrund der noch ungenügenden Mundhygiene kontraindiziert. Ein nächstes Ziel wird es daher sein, erst die Mundhygiene bis zum dargestellten Schwellenwert von 20 Prozent zu verbessern.
Nach drei Monaten zeigt der Patient eine bessere Mundhygiene mit einem besseren Plaque-Index unterhalb des gesetzten Schwellenwerts von 20 Prozent (Abbildung 4). Nun kann die Indikation der weiterführenden parodontalchirurgischen Therapie zur Reduktion der parodontalen Resttaschen gestellt werden.
Nach durchgeführter Parodontalchirurgie zeigen sich keine Sondierungstiefen ab 6 mm mehr. Die Mundhygiene hat sich weiter verbessert und der Entzündungsindex hat sich bei 19 Prozent eingestellt. Als Nichtraucher sollte sein Entzündungsindex unter 23 Prozent liegen [Ramseier et al., 2015]. Da der Patient die klinischen Bedingungen der parodontalen Stabilität jetzt erfüllt, kann das vom Algorithmus vorgeschlagene UPT-Intervall von sechs Monaten ausgewählt werden (Abbildung 5).
In diesem Beispiel wird deutlich, wie die grafische Darstellung der drei horizontalen Balken im UPT-Profil von oben nach unten interpretiert werden kann: Der Beurteilung der Mundhygiene wird immer Priorität gegeben. Danach werden die Resttaschen und wiederum danach wird der BOP-Prozentsatz beurteilt. Mit der gemeinsamen Betrachtung aller drei Befunde kann die parodontale Stabiliät optimal beurteilt werden.
Auswirkungen des Einhaltens der UPT-Termine
Mithilfe der klinisch erfassten Daten kann bei jedem UPT-Termin das Intervall bestätigt oder neu festgelegt werden. Neuer wissenschaftlicher Evidenz zufolge kann mit einem kürzeren Intervall die parodontale Stabilität weiter verbessert werden [Ramseier et al., 2019]. Patienten, die regelmäßig früher als dem vorgeschlagenen Intervall zufolge zum UPT-Termin erschienen, zeigten im Vergleich zu Patienten, die zu spät zur UPT erschienen, eine parodontale Stabilisierung sowie weniger Zahnverlust über 20 Jahre Beobachtungszeit (Abbildung 6). In diesem Sinne sollte die UPT nicht nur als „Erhaltungstherapie“ verstanden werden. Die Bezeichnung „unterstützende parodontale Therapie“ ist daher äußerst zutreffend, denn diese kann mithilfe der therapeutschen Maßnahmen in der UPT-Sitzung – das richtige Intervall vorausgesetzt – die parodontale Gesundheit tatsächlich verbessern.
Schneller zum Ergebnis: Direkterfassung der notwendigen klinischen Daten
Wenn für die komplette Erfassung der klinischen Daten keine Zeit vorhanden ist oder letztere routinemäßig bereits in einer anderen Dentalsoftware eingetragen worden sind, können nach dem Klicken auf die Schaltfläche „Direkt“ die für die Bestimmung des UPT-Intervalls relevanten Befunde alternativ im entsprechenden Formular erfasst werden (Abbildung 7).
Die im Formular einzutragenden Werte sind die Anzahl der Zähne und die Anzahl der Stellen mit Sondierungstiefen von 4 mm, 5 mm und ≥ 6 mm. Weiter werden dort erfasst: die Anzahl der Stellen mit Furkationsbefall Grad 2 oder 3 sowie prozentual die Indizes für Plaque-Index (PI%) und Bluten auf Sondieren (BOP%). Das in der Auswertung empfohlene Intervall oder ein selbst gewähltes Intervall kann letztendlich eigens im Formular eingetragen werden.
Personalisierter Bericht
Das Onlineformular bietet die Möglichkeit, nach jeder Datenerfassung auch einen personalisierten Bericht für die Patientenberatung zu generieren. Sofern für den personalisierten Bericht zusätzliche Abbildungen hinzugefügt werden sollten, kann dies individuell eingestellt werden (Abbildung 8).
Soll der personalisierte Bericht auf einem Mobilgerät abgerufen werden, kann über den generierten QR-Code direkt zugegriffen werden. Persönliche Daten der Patienten oder der Zahnarztpraxen werden durch www.perio-tools.com nicht erfasst oder an Dritte weitergegeben.
Zusammenfassung
Neuen Erkenntnissen zufolge sollte sich die Wahl des UPT-Intervalls nicht allein auf den Grad der parodontalen Entzündung stützen, sondern auch auf die Anwesenheit der Stellen mit erhöhten Sondierungswerten ab 4 mm. Das mit dem hier vorgestellten Onlineformular berechnete UPT-Intervall sollte nicht überschritten werden. Solange der Entzündungsindex über dem entsprechenden Schwellenwert liegt, wird das Intervall kürzer gehalten. Erst wenn dieser Schwellenwert unterschritten wird, kann das Intervall wieder bis zum vorgeschlagenen (Algorithmus-basierten) Wert erweitert werden.
Keine Online-Registrierung der Daten
Die im hier vorgestellten Onlinetool eingetragenen Daten werden unter www.perio-tools.com nicht registriert. In Analogie zum bereits bestehenden Online-Parodontalstatus (www.parodontalstatus.ch) und zur Online-Parodontal-Risikobeurteilung (www.perio-tools.com/pra) können die mit dem hier vorgestellten Tool erfassten Daten auch nicht als Datensätze auf der Festplatte gesichert werden. Empfohlen wird daher, den auf dem Formular vorhandenen Button „Drucken“ anzuklicken und das Formular direkt auszudrucken oder als PDF-Datei auf der Festplatte abzuspeichern.
Das Onlineformular zum Berechnen der UPT-Intervalle ist verfügbar unter: https://www.perio-tools.com/upt/de
PD Dr. med. dent. Christoph A. Ramseier, MAS
Universität Bern, zmk Bern, Klinik für Parodontologie
Freiburgstr. 7, CH-3010 Bern
christoph.ramseier@zmk.unibe.ch
Literaturliste
Ramseier, C. A., Mirra, D., Schutz, C., Sculean, A., Lang, N. P., Walter, C., & Salvi, G. E. (2015). Bleeding on probing as it relates to smoking status in patients enrolled in supportive periodontal therapy for at least 5 years. J Clin Periodontol, 42(2), 150-159. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jcpe.12344
Ramseier, C. A., Nydegger, M., Walter, C., Fischer, G., Sculean, A., Lang, N. P., & Salvi, G. E. (2019). Time between recall visits and residual probing depths predict long-term stability in patients enrolled in supportive periodontal therapy. J Clin Periodontol, 46(2), 218-230. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jcpe.13041