Lehre in Coronazeiten

Digitalisierung in der Lehre an der RWTH Aachen

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Karin Groß
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Stefan Wolfart
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Die zahnmedizinische Lehre wurde im vergangenen Jahr durch die Pandemie stark beeinträchtigt – besonders im praktischen Bereich. Auch die neue Approbationsordnung Zahnmedizin trat durch SARS-CoV-2 in den Hintergrund. Das wird auch über 2020 hinausgehende Folgen für die universitäre zahnmedizinische Lehre haben. Wie gehen die Universitäten mit diesen Herausforderungen um? Werfen wir einen Blick auf die Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Uniklinik RWTH Aachen.

Das Curriculum „Digitale Praxis“ an der Klinik für Zahnärztliche Prothetik der Medizinschen Fakultät der RWTH Aachen wurde auf Basis der Eckpunkte der Corona-Pandemie und der Neuen Approbationsordnung mit den daraus resultierenden Maßnahmen definiert. Die Digitalisierung galt dabei als nützliches Werkzeug zur Umsetzung der Maßnahmen (Abbildung 1).

Die Lehrinhalte des im Juni 2020 begonnenen Phantomkurses der Zahnersatzkunde I (Phantom I) und des unmittelbar anschließenden Phantomkurses der Zahnersatzkunde II (Phantom II) sind für die 61 Studierenden aufeinander aufgebaut. Diese vermitteln neben manuellen Fähigkeiten den Grundstein für das Verständnis digitaler Behandlungsmethoden in den klinischen Behandlungskursen.

Die Vorbereitung auf die praktischen Inhalte fand jeweils durch eine Online-Einführungsvorlesung sowie durch zahlreiche Online-Tutorials statt, die jederzeit auf der Videoplattform VEIRA abrufbar waren. Im Phantom I wurde eine computergestützt hergestellte (CAD/CAM) PMMA-Krone am selbst präparierten Kunststoff-Zahn 35 (Abbildung 2 links) hergestellt. Die Kronenpräparation wurde gewählt, da sie für die Lernenden die am einfachsten umzusetzende Präparationsform darstellt.

Im Phantom II fertigten die Studierenden im Phantomkopf auf den Zähnen 44 und 46 eine Brückenpräparation an, die sie sowohl mit einer PMMA-CAD/CAM-Brücke (Abbildung 2 rechts) als auch mit einem konventionellen Brückenprovisorium versorgten. So konnten sie beide Behandlungsabläufe vergleichen.

Grundlage der praktischen Übungen mit digitalem Inhalt war das Erlernen der intraoralen digitalen Abformung (Abbildung 3). Dafür stand jeder/m Studierenden jeweils ein Intraoralscanner zur Abformung der eigenen Präparationen zur Verfügung.

Intraoral-Scannen im digitalen Zirkeltraining

Dieses – den Regularien zur Pandemie-Bekämpfung geschuldete – Szenario (ein/e Studierende/r pro Scanner) erschien zunächst unmöglich durchführbar. Die mit dem Zirkeltraining vergleichbare Gestaltung der Scan-Übungen erwies sich als positiver Kick: Durch die intensive, extrem komprimierte praktische Übungsform konnte jede/r Studierende im Phantom I in einer 1:2- und im Phantom II in einer 1:1-Betreuungsrelation unter Einhaltung der Hygieneregeln individuell gefördert und gefordert werden.

Die eigenen Präparationsergebnisse bewerteten die Studierenden selbstständig, indem sie diese in der Scan-Software mit der digital hinterlegten 3-D-Ursprungssituation sowie der entsprechenden Idealpräparation virtuell überlagerten (Abbildung 4). Dieser Schritt hatte neben der objektiven Kontrolle der praktischen Arbeit auch das Ziel, die vielfältigen Möglichkeiten der intraoralen digitalen Abformung (über das simple Korrelat zur konventionellen Abformung hinausgehend) zu veranschaulichen.

Das klinikinterne IT-Netzwerk ermöglichte im Phantomkurs II schließlich einen Austausch der digitalen Präparationsabformungen zwischen den Intraoralscannern und den PC-Arbeitsplätzen der Simulationseinheiten (Abbildung 5). 20 Studierende konnten somit unabhängig von der Präsenz eines Intraoralscanners an den PC-Arbeitsplätzen im Phantomsaal gleichzeitig ihre Brücken virtuell konstruieren. Die Betreuung erfolgte durch minimal zwei ZahnärztInnen.

Mittlerweile besteht die Möglichkeit, über das Programm MS Teams von einem Regie-Rechner auf jeden einzelnen Rechner im Phantomsaal zuzugreifen und per audiovisueller Kommunikation kontaktlose Unterstützung zu leisten (Abbildung 6).

DIY-Tutorial für RWTH-Lehrpreis vorgeschlagen

Im vorklinischen Bereich wurde das Curriculum in dieser Art zum ersten Mal durchgeführt – das wäre ohne die Motivation und die Disziplin der Studierenden gerade unter den besonderen Bedingungen nicht möglich gewesen. Dass die Studierenden dieses Projekt (interner Name: DIY-CAD/CAM-Tutorial) für den RWTH-Lehrpreis vorgeschlagen haben, motiviert die Lehrenden zusätzlich, den Weg der Digitalisierung weiter auszubauen.

Dies betrifft auch den klinischen Abschnitt: Durch die Umstrukturierung in integrierte Kurse, die in engster Kooperation von Zahnerhaltung und Zahnärztlicher Prothetik stattfinden, ist geplant, die in der Vorklinik vermittelten Inhalte in der klinischen Ausbildung zu verfestigen. Die bisher im 9. Fachsemester etablierte Woche „Digitale Praxis“ wird intensiviert, indem zu Beginn des 7. Semesters die gegenseitige intraorale digitale Abformung gelehrt wird.

Nach dieser Übung wird sie am Patienten zunächst als Dokumentations-, Planungs- und Analysetool genutzt. Das gegenseitige Scannen wurde im Wintersemester 20/21 bereits mit 90 Studierenden unter COVID-19-Hygienerichtlinien „erprobt“. Im 9. Semester wird ab 2021 das Portfolio der digitalen Abformung erweitert. Die Studierenden nutzen diese nach einer weiteren Intensiv-Seminarwoche zur Anfertigung von Zahnersatz. Entsprechend wird die digitale Abformung bis hin zur Eingliederung eines computergestützt hergestellten Zahnersatzes (Abbildung 7) im Leistungskatalog der klinischen Semester gewürdigt.

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Sven Reich

Lehr- und Forschungsgebiet Computergestützte Zahnmedizin in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien,
Zentrum für Implantologie Uniklinik Aachen
sreich@ukaachen.de

Dr. med. dent. Karin Groß

Oberärztin
Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien,
Zentrum für Implantologie Uniklinik Aachen

Univ.-Prof. Dr. Stefan Wolfart

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien,
Zentrum für Implantologie Universitätsklinikum Aachen,
Medizinische Fakultät, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen

Dr. med. dent. Anne Barbara Rittich, MME

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien,
Zentrum für Implantologie, Uniklinik Aachen

Christina Kühne

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien,
Zentrum für Implantologie, Uniklinik Aachen

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Sven Reich

Lehr- und Forschungsgebiet Computergestützte Zahnmedizin in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie Uniklinik Aachen


137808-flexible-1900

Dr. Karin Groß

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien
Zentrum für Implantologie
Uniklinikum der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen
kgross@ukaachen.de

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Stefan Wolfart

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie
Universitätsklinikum Aachen, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30,
52074 Aachen

Dr. med. dent. Anne Barbara Rittich

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie, Uniklinik Aachen

Christina Kühne

Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomaterialien, Zentrum für Implantologie, Uniklinik Aachen

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