Kunst in der Praxis

Mit Amy Winehouse gegen das Raufaser-Feeling

Eine Reise durch Deutschlands Zahnarzt-Praxen ist wie ein kleiner Museumsbesuch. Was steht im Wartezimmer? Was ziert die Decke des Behandlungszimmers? Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte sind unserem Aufruf gefolgt und haben uns Fotos ihrer Kunststücke geschickt.

Kunst im Wartezimmer kann dazu beitragen, dass Patienten entspannt sind, wenn die Behandlung beginnt. Idealerweise ist es eine Win-win-Situation: Das Team fühlt sich mit den Bildern, Fotografien und Kunst-Gegenständen ebenso wohl wie die Patienten.

Für manche Menschen ist die Welt gut und sind alle Schmerzen vergessen, wenn sie die Stimme von Amy Winehouse hören. Oder die von David Bowie. Dennis Olsen, Zahnarzt aus Braunschweig, kann zwar nicht mit Musik dienen, aber mit zwei großformatigen Künstler-Porträts, die in seiner Praxis „Löwenzähne“ hängen.

Er erzählt: „Nach der Praxisübernahme im April 2017 stand der Austausch des vorhandenen ‚Wandschmucks‘ an. So habe ich zunächst einen Wandteppich aus Afrika, das unscharfe vergrößerte Foto aus einem Urlaub, sonstige 08/15-Bilder und die vergilbten zahnmedizinischen Schaubilder entsorgt. Nachdem die Wände ein Jahr lang weiß geblieben waren, ergab sich eine wunderbare Gelegenheit. Über meine Schwester lernte ich ihre Nachbarin Bettina Kumpe kennen. Sie ist Illustratorin und Malerin in Braunschweig. Sie suchte eine Ausstellungsgelegenheit – und ich Bilder.“

Eine Kuh gegen die Angst

Die beiden wurden schnell einig, seitdem freuen sich die Patienten über die Sänger an der Wand. Zu Beginn der Zusammenarbeit gab es eine kleine Praxis-Ausstellung mit 14 Bildern. Die Künstlerin malt nach Fotos; demnächst wird sie ein Familienporträt der Olsens anfertigen. Aber nicht für die Praxis, sondern fürs Zuhause des Zahnarztes.

Dr. Petra Volz betreibt in Garmisch-Partenkirchen die „fotzn‘spanglerei“, das ist eine bayerische Mundart-Bezeichnung für Zahnarztpraxis. Sie erzählt: „Das Kuhbild in unserem Wartebereich ist von Ayla Ginsberg, einer talentierten jungen Künstlerin aus unserem Ort. Das Bild ist ein großer Patienten-Hingucker.“ Die Wartenden werden erfreut – und die Kunst gefördert: „Ich finde, man sollte Regionalität auf allen Ebenen unterstützen“, sagt Volz.

„Wir möchten, dass sich unsere Patientinnen und Patienten rundum wohl fühlen – und fast vergessen, beim Zahnarzt zu sein“, lautet die Philosophie der Praxis „Zahnärzte im Max-Beckmann-Haus“. Der Ort verpflichtet geradezu, die Menschen mit Kunst zu inspirieren: Die Praxis liegt im einstigen Wohn- und Atelierhaus des Malers und Städel-Professors Max Beckmann. Und so organisiert die Praxis regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, die „anregen und entspannen“ sollen.

Ein Wächter aus Pappe

Dr. Michael Gura betreibt in Röttingen eine Gemeinschaftspraxis. Mit Praxiswache, wie er erzählt. Er beauftragte seinen guten Freund Harald Schmaußer, die Praxis „heiter und patientenfreundlich“ zu gestalten. Geliefert wurden Aquarelle und ein Kater, der Praxiswache hält. Wie viel er im Ernstfall allerdings aushält, bleibt abzuwarten – das Tier besteht aus einer Pappröhre und einer Styroporkugel.

Volker Kühn aus Werl hat sich auf Objekte spezialisiert, die unter anderem die Welt der Zahnärzte darstellen. Sie werden, so der Künstler, gern „privat zum Verschenken an Zahnärzte oder von Ärzten“ gekauft. Die Objekte kommen im Acrylkasten, einige sind limitiert. Vielleicht eine Idee, endlich eine kleine Kunstsammlung zu starten. Der „Steile Zahn“ und der „Weisheitszahn“ kosten 280 Euro, „Vom Zahnstein befreit“ 1.950 Euro.

Der Hamburger Jörg Schröder hat mit der Geschäftsidee Erfolg, Büros und Arztpraxen mit Fotografie zu versorgen. Seit zehn Jahren bietet er seinen Service, bei dem die Kunst auf Wunsch alle paar Wochen ausgetauscht wird. Rund 3.000 Fotos hat er im Bestand seiner Online-Galerie „Bilderwerk Hamburg“. „Wir haben eine Auswahl, die die ganze Bandbreite der Patienten anspricht. Es ist gut und wichtig, Abwechslung zu schaffen, dann hat man automatisch eine Gesprächsbasis“, sagt er. Das Hauptaugenmerk der Motive liegt auf Hamburg, Berlin, Sylt und der Kategorie Blumen. Beim Zahnarzt hat Schröder eine wichtige Stelle an der Wand ausgemacht: „Das Bild gegenüber vom Stuhl ist besonders interessant, weil es die Patienten ablenken kann.“

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