ZFA-Ausbildung an der Rahel-Hirsch-Schule in Berlin-Hellersdorf

„Unser Rüstzeug sind unsere digitalen Geräte!“

Berlin, Stadtteil Hellersdorf: Von den 1.500 angehenden MFA und ZFA, die für ihre Ausbildung das Oberstufenzentrum für Medizin und Gesundheit der Rahel-Hirsch-Schule besuchen, haben 280 kein vernünftiges Endgerät und/oder kein Internet. Das sind schon zu normalen Zeiten keine guten Voraussetzungen zum Lernen – wie soll der Unterricht erst im Lockdown funktionieren? Erstaunlich gut, antwortet die Schulleitung. Wie das?

Beim Lockdown im Sommer sind wir schon ins kalte Wasser geschubst worden“, räumen Schulleiterin Nicole Verdenhalven und ihre stellvertretende Abteilungsleiterin C. Mitzscherling ein. „Damals mussten wir kämpfen, dass den Azubis seitens der Praxen die volle Lernzeit auch in dieser Zeit eingeräumt wurde.“ Jetzt sei das anders – auch weil in den Praxen seitdem ein Umdenken stattfand.

Lernen war hier auch vor Corona schon digital

Dass die Schule schon vor Corona auf digitale Unterrichtsformen setzte, kam den Schülerinnen und Schülern natürlich auch zugute. Seit 2019 wird hier mit „IServ“ gearbeitet, einer Lernplattform, die viele Möglichkeiten bietet. „Wir können Videokonferenzen anberaumen, die Teilnahme funktioniert auch mit Handy, Aufgabenblätter werden als Dateien abgelegt, die dann abgerufen werden, und es gibt einen Messenger, ähnlich wie WhatsApp“, führt Verdenhalven aus. „Aufgrund unserer Erfahrungen konnten wir dann auch relativ komplikationslos von Präsenz- auf Fernunterricht umstellen.“

Im August hatten sich die Lehrkräfte auf Standards zum virtuellen Lernen verständigt – für den Fall eines weiteren Lockdowns. Als am 28. Oktober 2020 der „Lockdown light“ für November beschlossen wurde, ordnete das Berliner Gesundheitsamt zeitgleich gemeinsam mit der Schulaufsicht ein hybrides Format – Wechselunterricht – an. „Wir hatten schon Ende September festgelegt, wie unsere Schüler und Schülerinnen bei einem erneuten Lockdown sinnvoll von zu Hause aus lernen werden“, erläutert Mitzscherling. „Das sieht unter anderem so aus, dass die Lehrer ihre Klassen mit Aufgaben versorgen und an den zwei Tagen Berufsschule bei Bedarf auch per Videokonferenz zusammenschalten können.“

Fünf Fragen zur ZFA-Ausbildung ...

1. Mit welchen Problemen haben die ZFA-Azubis gerade am meisten zu kämpfen und wie können die Praxen sie bestmöglich unterstützen?

Dr. Detlef Förster: Die Auszubildenden nutzen nur noch ein Smartphone und besitzen oft weder Laptop noch PC. Häufig fehlt auch ein Drucker, um die Schulaufgaben auszudrucken. Es hilft ihnen, wenn sie auf den Praxis-PC und -Drucker zurückgreifen können.

Wichtig ist auch die Einhaltung der „normalen“ Berufsschulzeiten in der Praxis oder im Homeschooling. Viele Praxen glauben, dass die Azubis ihre Aufgaben zu beliebigen Zeiten machen können. Sie müssen sich aber zu den Schulzeiten anmelden, damit die Lehrer die Anwesenheit feststellen können. Andernfalls zählt dies als Fehlzeit.Die Praxen sollten sich die Aufgaben anschauen und besprechen. Das Erarbeitete sollten sie sich vorlegen lassen und korrigieren. Nicht zu vergessen: die Zeit außerhalb der Praxistätigkeit für die Erarbeitung monatlicher Berichte für den Ausbildungsnachweis.

2. Gibt es Unterschiede zum Lockdown im Frühjahr 2020?

Die Schulen sind jetzt besser auf die Situation vorbereitet, sie halten die Stundenpläne auch online ein und nutzen einheitliche Software am jeweiligen Standort. Das Hygienekonzept der Praxen steht nach wie vor, der Praxisbetrieb hat sich wieder normalisiert. Seit dem 2. November 2020 wurden beide Berliner Oberstufenzentren auf der Grundlage des aktuellen und individuellen Infektionsgeschehens an den Schulen und im Bezirk, in Abstimmung mit der Senatsverwaltung und den Gesundheitsämtern der Bezirke, in die Stufe Rot eingeordnet. Was bedeutet, dass die Wochenstundentafel in zwei aufeinander folgenden Unterrichtswochen einen Mindestpräsenzunterricht, Präsenzunterricht und schulisch angeleitetes Lernen zu Hause im Wochenturnus, vorsieht.

3. Sind Azubis auch von Kurzarbeit betroffen?

Azubis sollten nicht von Kurzarbeit betroffen werden. Wenn ja, stellt die Förderung einen finanziellen Ausgleich für die Praxen. Die Ausbildungsordnung sieht eine Vollzeitausbildung vor, die bei Kurzarbeit nicht gewährleistet wäre und eine Verlängerung der Ausbildungszeit nach sich ziehen würde.

Eine Totalschließung der Praxen mit Null-Stunden-Kurzarbeit, kann nicht gegeben sein, der Sicherstellungsauftrag, gemäß Sozialgesetzbuch, spricht da eine klare Sprache.

Die wöchentliche Arbeitszeit der Azubis bemisst sich auf 12 Stunden berufstheoretischen Unterricht, somit verbleiben 28 Stunden praktische Ausbildung. Beide OberstufenzentrenGesundheit haben für die Berufstheorie den Azubis Aufgaben online gestellt und bitten darum, dass von den Praxen für die Erarbeitung ausreichend Zeit eingeräumt wird.

Zurzeit ist keine unangemessene Unterbrechung der Ausbildung gemäß Berufsbildungsgesetz gegeben, zumal Ausbildungspraxis und Oberstufenzentren ihren Aufgaben nachkommen. Pädagogische Konferenzen beider Standorte befassen sich gerade vor Ablauf der Probezeit mit dem Leistungsstand, der Lernbereitschaft und Tugenden wie Pünktlichkeit und Fehlzeiten der Auszubildenden. Ihre Empfehlungen sind den Ausbildenden sehr hilfreich.

4. Was raten Sie Ausbildern, die merken, dass ihnen ihre Schützlinge entgleiten?

Wenn es möglich ist, sollten die Azubis ihre Schulaufgaben in der Praxis machen können und bei Fragen Unterstützung durch das Team erhalten. Wie auch in pandemiefreien Zeiten sollten die Ausbildenden engen Kontakt zu den Berufsschullehrern halten.

5. Welche Angebote bietet die Kammer?

Es ist weniger ein Angebot, aber die logische Konsequenz aus dem Pandemiegeschehen. Auf Vorschlag der Kammer hat der Berufsbildungsausschluss eine Pandemieregelung für Fehlzeiten beschlossen. Pandemiebedingte Fehlzeiten werden den Auszubildenden nicht entsprechend § 8 Abs. 5, Zulassung zur Abschlussprüfung, angerechnet. Die Kammer hat für Auszubildende, die quarantänebedingt nicht an der Zwischenprüfung teilnehmen konnten, einen Zusatztermin eingeräumt. Die Zahnärztekammer Berlin ist stolz darauf, dass die Abschlussprüfung II-2020 noch vor dem Ende des Ausbildungsjahres durchgeführt werden konnte. Am 8. und 9. Januar 2021 legten 140 Auszubildende erfolgreich die praktischen Übungen bei frostigen Raumtemperaturen ab.

Das Gespräch führte Claudia Kluckhuhn.

Am Anfang – vor den Sommerferien – war ungefähr ein Drittel dem virtuellen Unterricht zugeschaltet, jetzt in der zweiten Welle sind es Verdenhalven zufolge nahezu 100 Prozent. Für sie steht jedoch fest: „Wer eine gute personelle Kompetenz hat und etwas erreichen will, schafft das auch in Pandemie-Zeiten.“ Sie und ihre Kollegen hat es allerdings dann doch sehr überrascht, „wie gut der virtuelle Unterricht läuft und wie vorbildlich die Schüler mitmachen und sich gegenseitig unterstützen“. Die Schule erreiche die Schüler sehr gut, nichtsdestotrotz müsse man sehen, dass vereinzelt – wie auch zu Präsenzzeiten – Schüler nur physisch anwesend sind. „Es fallen immer noch 30 Prozent bei den Abschlussprüfungen durch, das kann uns nicht zufrieden stellen“, stellt Verdenhalven klar. Und: „Es werden auch jetzt Azubis wegbrechen und runterfallen.“

Das liegt auch an den Rahmenbedingungen – diese sind für viele alles andere als ideal: Von 1.500 Azubis, die derzeit an der Schule zur MFA und ZFA ausgebildet werden, besitzen 280 kein vernünftiges Endgerät – das heißt nur ein Handy – und/ oder kein Internet.

Es fallen immer noch 30 Prozent durch

„Wir haben guten Kontakt zu unseren Schülern“, berichtet Verdenhalven. „Trotzdem wissen wir natürlich nicht immer, was gerade zu Hause los ist.“ Oft erfahre man eher zufällig, dass sich beispielsweise eine Schülerin mit fünf Geschwistern den PC teilen muss – und das aber gar nicht als großes Problem wahrnimmt.

Die Schule hilft den Betroffenen – möglichst schnell und unbürokratisch. Mitzscherling: „Wir bieten den Azubis ohne adäquates Endgerät oder Internet an, in der Schule Computerplätze zu buchen und von dort zu lernen. Wir haben auch alte ausrangierte PCs aufgerüstet.“ Immerhin 30 Schüler haben davon Gebrauch gemacht und sich ein solches Gerät zur ständigen Nutzung nach Hause abgeholt. „Unser Rüstzeug sind unsere digitalen Geräte“, unterstreicht Mitzscherling.

Auch die Praxen gehen jetzt stärker mit

Das Bewusstsein für die Situation sei in den Praxen indes sehr stark gewachsen. In fast allen Praxen werde im zweiten Lockdown den Azubis die Zeit zum Lernen gegeben, auch für den virtuellen Unterricht würden sie fast überall freigestellt. „Wir begrüßen es, wenn die Azubis in der Praxis Unterrichtsmaterialien ausdrucken dürfen, wenn sie selbst nicht die Möglichkeit dazu haben“, betonen beide Frauen. „Das gehört aus unserer Sicht auch zur Lernortkooperation in der dualen Ausbildung.“ Auch die Kammern unterstützen dieses Ansinnen.

Dennoch würden sie sich wünschen, dass Azubis ohne entsprechende Technik noch stärker von den Praxen unterstützt werden. „Vielleicht mit einem ‚Deal‘, dass sie ein gutes Endgerät bezuschussen, nach dem Motto: ‚Wir wollen dir bei deiner Ausbildung helfen und dich so gut wie möglich beim Lernen unterstützen‘“, regt Verdenhalven an. Beide sehen die Praxis als Partner und plädieren für ein Entgegenkommen auf beiden Seiten.

Derzeit werde der Rahmenplan von der Kultusministerkonferenz dahingehend überarbeitet, dass künftig in einer Abschlussprüfung die Zwischenprüfung stattfinden soll, was Verdenhalven und Mitzscherling sehr begrüßen: „Damit bekommt die Zwischenprüfung eine höhere Bedeutung. Dann können sich die Azubis auf die Ernsthaftigkeit einer solchen Situation einstellen und es hängt nicht alles von der Abschlussprüfung ab.“

Ihr Fazit: „Was Schule zu Corona-Zeiten betrifft: Wir lernen alle noch – Schüler wie Lehrer. Aber das Wohlwollen und die Motivation sind da!“

Die duale Ausbildung zur ZFA wird in Berlin schulisch durch das Oberstufenzentrum für Medizin/Gesundheit der Rahel-Hirsch-Schule in Hellersdorf und durch das Oberstufenzentrum Gesundheit (OSZ) im Wedding begleitet. Ein Bericht des OSZ folgt in der nächsten Ausgabe.

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