Das Aus für die allgemeine Impfpflicht
Kurz vor der Abstimmung hatten sich zwei Gruppen aus der Ampel-Koalition rund um Heike Baehrens (SPD) noch auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, der im Bundestag zur Abstimmung kam. Es handelte sich um die ursprünglichen Befürworter einer Impfpflicht ab 18 und um diejenigen, die sich in einem Stufenverfahren eine Impfpflicht ab 50 vorstellen konnten. Der Kompromissvorschlag sah eine Impfpflicht ab 60 Jahren zum 15. Oktober 2022 vor. Hinzu kam eine Impfberatungspflicht für Personen zwischen 18 und 60 Jahren, die spätestens bis zum 15. Oktober 2022 erfüllt werden sollte. Der Bundestag sollte – der Vorlage zufolge – nach Auswertung der Daten des aktuellen Infektionsgeschehens beschließen können, entweder die Immunitätsnachweispflicht auszusetzen oder auf Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren auszudehnen, frühestens zum 15. Oktober 2022. Zudem war in der Vorlage der Aufbau eines Impfregisters vorgesehen. Doch der Vorschlag wurde bei namentlicher Abstimmung mit klarer Mehrheit abgelehnt: Von 686 abgegebenen Stimmen votierten 378 Abgeordnete gegen den Entwurf, dafür sprachen sich 296 Abgeordnete aus. Neun Abgeordnete enthielten sich.
Union wollte ein Impfvorsorgegesetz
Die Unionsfraktion hat in ihrer Vorlage ein Impfvorsorgegesetz mit einem gestaffelten Impfmechanismus vorgeschlagen, der nach Bedarf vom Bundestag aktiviert werden kann. Weiter ging es um die Schaffung eines Impfregisters, eine verstärkte Impfkampagne und einen mehrstufigen Impfmechanismus. Auch dieser Vorschlag ist in der Abstimmung gescheitert – mit 127 Ja-Stimmen, 497 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen.
Abgeordnete verschiedener Fraktionen um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki wiederum legten einen Antrag gegen die allgemeine Impfpflicht vor. Dieser zielte darauf ab, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ohne eine Verpflichtung zu erhöhen. Verstärkt sollte an die Bürger appelliert werden, die empfohlenen Angebote einer Corona-Schutzimpfung wahrzunehmen. Auch dieser Antrag scheiterte: mit 85 Ja-Stimmen, 590 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen.
Die AfD-Fraktion positionierte sich in ihrem Antrag gegen eine gesetzliche Impfpflicht und sprach sich dafür aus, die seit dem 15. März geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht aufzuheben. Auch dieser Antrag wurde mit klarer Mehrheit abgelehnt (79 Ja-Stimmen, 607 Nein-Stimmen, keine Enthaltung).
In der Debatte warfen sich insbesondere Abgeordnete von SPD und Union gegenseitig vor, einen mit breiter Mehrheit getragenen Kompromiss verhindert zu haben. Die AfD-Fraktion attestierte der Ampel-Koalition völliges Versagen und eine Bevormundung der Bürger in der Corona-Pandemie. Auch Redner anderer Fraktionen wandten sich gegen eine verpflichtende Impfung und machten dabei neben medizinischen auch rechtliche Bedenken geltend.
Gegenseitige Vorwürfe von SPD und Union
Heftig gestritten wurde auch über das Abstimmungsverfahren selbst. Befürworter der Impfpflicht aus SPD, Grünen und FDP wollten verhindern, dass über den Kompromiss-Antrag für die Pflicht ab 60 Jahren zuerst abgestimmt wird, weil sie sich bei umgekehrter Reihenfolge mehr Stimmen erhofften. Eine Mehrheit der Parlamentarier hatte aber dagegen votiert.
Für eine allgemeine Impfpflicht hatten sich zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) ausgesprochen. Mit dem Scheitern der Anträge wird es zum jetzigen Zeitpunkt keine über die seit Mitte März geltende Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen hinausgehende Impfverpflichtung für die Bevölkerung in Deutschland geben.
Statement der Bundeszahnärztekammer
BZÄK fordert Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht steht nun auch die Frage im Raum, wie es mit der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergeht. „Von Anfang an war uns seitens des Bundesgesundheitsministeriums versichert worden, der einrichtungsbezogenen Impfpflicht würde später eine allgemeine Impfpflicht folgen. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass nicht nur die Beschäftigten in der Pflege und im Gesundheitswesen allein die Lasten der Corona-Bekämpfung zu schultern hätten“, erklärte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz gegenüber den zm. Mit der Entscheidung des Bundestages müsse jetzt geklärt werden, wie es mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergeht.
Versorgungsengpässe in den Praxen könnten drohen
Die vorhandenen Daten zeigen in der Zahnmedizin eine überdurchschnittlich hohe Impfquote bei Zahnärzten und Praxispersonal. Dennoch gebe es auch Regionen, in denen Versorgungsengpässe zu befürchten seien, erklärte Benz. Hinzu komme, dass das Auftauchen der Omikron-Variante die Wirkung der vorhandenen Impfstoffe erheblich beeinträchtigt hat. „Ein Fremdschutz ist mit dem gegenwärtigen Impfstoff kaum noch machbar. Insofern hat auch die Intention, mit der eigenen Impfung Patientinnen und Patienten zu schützen, ihre Grundlage verloren. Darüber hinaus entsteht den Praxen ein hoher Aufwand bei der Verwaltung und dem Handling des Personaleinsatzes mit der vorhandenen gesetzlichen Regelung. Deshalb plädieren wir seitens der Bundeszahnärztekammer für ein Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“, betonte Benz.