Aus der Wissenschaft

Schienentherapie bei CMD-Patienten: Alles nur Placebo?

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Florian Beuer
Immer wieder entsteht klinisch der Eindruck, dass es keine befriedigende Erklärung für die Wirkung einer zahnärztlichen Schiene gibt. Und tatsächlich sind die Wirkmechanismen bislang weitgehend ungeklärt. Fachleute schließen einen Placeboeffekt nicht aus. Doch was bedeutet das für den klinischen Alltag? Sollte tatsächlich ein Placeboeffekt für die Besserung der Symptome verantwortlich sein? Eine schwedische Netzwerkmetaanalyse versucht das zu klären.

Im Rahmen der Therapie der craniomandibulären Dysfunktion werden immer wieder verschiedene Therapieansätze verfolgt [Kuttila et al., 1998]. Das Spektrum der Therapieoptionen reicht dabei von der manuellen Physiotherapie über die pharmakologische Behandlung bis hin zur Akupunktur [Geneen et al., 2017]. Am häufigsten wird jedoch die zahnärztliche, okklusale Schiene wie etwa die Michiganschiene zur Therapie von Bruxismus und im Rahmen der Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen eingesetzt. Ein Erfolgskriterium dieser Behandlungen ist die Reduktion von Schmerz in Kaumuskulatur und Kiefergelenk. Wie effektiv zeigen sich darin okklusal adjustierte Schienen im Vergleich zu Schienen ohne adjustierte Oberfläche? Und gibt es Hinweise auf einen Placeboeffekt?

Material und Methode

Eine Arbeitsgruppe um Dr. Nikolaos Christidis des Karolinska Instituts in Huddinge, Schweden, hat sich dieser Fragestellung angenommen. Die Forschenden führten auf der Basis von randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien, die bis April 2020 veröffentlicht wurden, eine Netzwerkmetaanalyse durch. Im Rahmen der Metaanalyse wurden aus den eingeschlossenen Studien alle Patienten mit einer schmerzhaften craniomandibulären Dysfunktion (CMD) berücksichtigt, wobei sich die Schmerzen auf den Bereich der Kaumuskulatur und/oder der Kiefergelenke bezogen.

Das Augenmerk lag dabei auf erwachsenen Patienten, die in einem Nachbeobachtungszeitraum von einem bis zwölf Monaten untersucht wurden. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Testgruppe und zwei Kontrollgruppen (Placebogruppen) aufgeteilt. Die Kontrollgruppen gliederten sich in eine aktive und eine passive Placebogruppe. Den Patienten der aktiven Placebogruppe wurden zahnärztliche Schienen ohne adjustierte Oberfläche eingesetzt. Dagegen wurde bei Patienten der passiven Placebogruppe keine Schienentherapie durchgeführt. Die Patienten der Testgruppe erhielten harte oder auch weiche Schienen mit adjustierter Oberfläche.

Die therapeutische Wirksamkeit der Schienentherapie wurde anhand von zwei Parametern untersucht. Zum einen wurde die Schmerzintensität anhand einer VAS-Skala gemessen und zum anderen die Schmerzreduktion, die sich auf die Quantität des Schmerzes bezieht, erfasst. Aus insgesamt 24 Studien wurden 508 Patienten im Hinblick auf eine Verringerung der Schmerzintensität untersucht. Zur Untersuchung der Schmerzreduktion wurden aus der Gesamtanzahl der Studien 679 Patientinnen und Patienten einbezogen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten, dass zahnärztliche Schienen mit adjustierter Oberfläche die effektivste Behandlung für eine Verringerung der Schmerzintensität bei Patienten mit craniomandibulären Dysfunktionen sind (Evidenz von niedriger Qualität).

Okklusionskontaktfreie Schienen führen jedoch zum gleichen therapeutischen Ergebnis. Somit wirkt sich das Tragen einer zahnärztlichen Schiene erst einmal positiv auf die Schmerzintensität aus, wobei es keinen signifikanten Unterschied macht, ob die Schiene eine adjustierte Oberfläche besitzt oder nicht.

Auch um die Häufigkeit des Schmerzauftretens zu reduzieren, eignet sich die Behandlung mit einer okklusal adjustierten Schiene (Evidenz moderater Qualität). Im Vergleich dazu führt die Schiene ohne adjustierte Oberfläche quantitativ nur zu einer geringfügigeren Schmerzreduktion (Evidenz von niedriger Qualität). Wenn es somit darum geht, wie oft bei den Patienten der CMD-Schmerz auftritt, scheint die Schiene mit okklusal adjustierter Oberfläche therapeutisch besser geeignet zu sein als die Schiene ohne okklusal adjustierte Oberfläche.

Diskussion

Die zahnärztliche Schienentherapie ist eine von vielen Therapieoptionen zur Behandlung von Bruxismus und craniomandibulären Dysfunktionen [Meyer et al., 2013]. Das Tragen einer zahnärztlichen Schiene kann auftretenden Schmerzen myogenen, arthrogenen oder kombinierten Ursprungs entgegenwirken. Inwieweit der Placeboeffekt eine Rolle bei der schmerzlindernden Wirkung der zahnärztlichen Schiene spielt, konnte im Rahmen des Reviews nicht sicher beantwortet werden.

Zu den Anhaltspunkten, die für einen Placeboeffekt sprechen, gehört die Erwartung einer Schmerzlinderung durch das Tragen einer zahnärztlichen Schiene. Unabhängig von der okklusalen Gestaltung scheint die anfängliche Reaktion der Patienten auf die zahnärztliche Schiene erst einmal positiv zu sein. Der Placeboeffekt könnte außerdem eine plausible Erklärung dafür darstellen, dass kein signifikanter Unterschied in der Schmerzintensität zwischen der Therapie mit einer Schiene mit oder ohne adjustierte Oberfläche gefunden werden konnte.

Zusätzlich sollte diskutiert werden, inwieweit die Schmerzintensität und die Schmerzreduktion verlässliche Parameter zur Bewertung der Wirksamkeit der Behandlung sind. Denn wenn es darum geht, dass der Patient eine allgemeine Verbesserung seiner Schmerzen wahrnimmt, spielen auch andere Faktoren eine entscheidende Rolle. Dazu gehören Faktoren wie Kieferbewegungen, Müdigkeit, psychosoziale ebenso wie verhaltensbezogene Aspekte und Komorbiditäten wie Depressionen und Ängste, die berücksichtigt werden sollten [Feine, 2000].

Was bedeuten die Ergebnisse für die tägliche Praxis?

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse zeigte sich, dass sich das Tragen der zahnärztlichen Schiene positiv auf die Schmerzintensität des Patienten auswirkt. Dies ist von der okklusalen Gestaltung der zahnärztlichen Schiene erst einmal unabhängig. Die Schiene ohne adjustierte Oberfläche verringert die Schmerzintensität dabei genauso wie die Schiene mit adjustierter Oberfläche.

Wenn es jedoch um die Häufigkeit des Schmerzauftretens geht, ist die Schiene mit okklusal adjustierter Oberfläche therapeutisch effektiver. Welche zahnärztliche Schiene dem Patienten eingesetzt werden soll, muss vom Behandler individuell entschieden werden, nicht zuletzt deshalb, weil der Erfolg der Schmerzbehandlung von verschiedenen Faktoren abhängt. Inwieweit weitere Faktoren den Behandlungserfolg beeinflussen, ist noch nicht abschließend geklärt und sollte weiter untersucht werden.

Alkhutari, A. S., Alyahya, A., Rodrigues Conti, P. C., Christidis, N. & Al-Moraissi, E. A. (2021): Is the therapeutic effect of occlusal stabilization appliances more than just placebo effect in the management of painful temporomandibular disorders? A network meta-analysis of randomized clinical trials. The Journal of prosthetic dentistry, 126(1), 24–32. doi.org/10.1016/j.prosdent.2020.08.015

Literaturliste

1. FEINE, J. S. 2000. Treating chronic pain how do we measure success? N Y State Dent J, 66, 34-8.

2. GENEEN, L. J., MOORE, R. A., CLARKE, C., MARTIN, D., COLVIN, L. A. & SMITH, B. H. 2017. Physical activity and exercise for chronic pain in adults: an overview of Cochrane Reviews. Cochrane Database of Systematic Reviews.

3. KUTTILA, M., NIEMI, P. M., KUTTILA, S., ALANEN, P. & LE BELL, Y. 1998. TMD treatment need in relation to age, gender, stress, and diagnostic subgroup. J Orofac Pain, 12, 67-74.

4. MEYER, G., ASSELMEYER, T. & BERNHARDT, O. 2013. Die Schienentherapie. ZM, 103, 1-6.

Hannah Bleiel

Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin,
Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre
Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin

PD Dr. Florian Beuer

Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Goethestr. 70
80336 München

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