Konfliktmanagement

Was tun bei Streit unter Zahnärzten?

Wieland Schinnenburg
Die Zahl der beruflichen Kooperationen von Zahnärztinnen und Zahnärzten nimmt zu und damit auch die Häufigkeit von Streit untereinander. Das fängt oft ganz harmlos an, kann aber eskalieren und dann drastische Folgen haben. Wenn der Streit schon fortgeschritten ist, gibt es ohne professionelle Hilfe oft keinen Ausweg mehr.

Es schien alles sehr harmonisch in der Berufsausübungsgemeinschaft der beiden Zahnärztinnen Dr. A und Dr. B. Sie können lange Praxiszeiten anbieten, ohne dabei selbst zu viel arbeiten zu müssen. Außerdem können sie verschiedene Schwerpunkte bilden: Dr. A spezialisiert sich auf Endodontie, Dr. B auf Kinderbehandlungen – eigentlich eine echte Win-win-Situation. Zwar gibt es ab und zu kleinere Meinungsverschiedenheiten, aber die werden meistens dadurch erledigt, dass eine nachgibt – allerdings ist das regelmäßig Dr. B.

Die beiden Zahnärztinnen hatten vereinbart, dass die Kosten geteilt werden und der Gewinn entsprechend dem jeweiligen Umsatz verteilt wird. Dies führt dazu, dass Dr. B deutlich weniger Gewinn macht als Dr. A. Jahrelang ist das scheinbar kein Problem. Allerdings hat Dr. B inzwischen eine Familie gegründet und ein Haus gebaut. Sie braucht also dringend mehr Geld. Sie sagt dies Dr. A. Jene entgegnet, dann solle Dr. B doch mehr arbeiten. Eine Bevorzugung bei der Gewinnverteilung komme nicht in Betracht. Schließlich nehme Dr. B das Personal für die Behandlung schwieriger Kinder mehr in Anspruch als sie selbst.

Plötzlich eskaliert die Situation

Zunächst nimmt Dr. B die Abfuhr hin, aber zufrieden ist sie nicht. Plötzlich eskaliert die Situation: Dr. B will die bereits vorbereitete gemeinsame Steuererklärung nicht unterschreiben, da sie meint, dass die Gewinnverteilung ungerecht sei. Schnell kommt es zu gegenseitigen Vorwürfen: „Du lebst auf meine Kosten“, „Du arbeitest zu wenig“, „Du arbeitest zwar viel, aber nicht sorgfältig, immer muss ich deine Fehler ausgleichen“, „Du nutzt das Personal mehr als ich“. Bald wird der jeweils anderen Seite eine ganze Liste von angeblichem Fehlverhalten in den vergangenen Jahren vorgehalten.

Ein Schlichtungsversuch des gemeinsamen Steuerberaters führt nicht zum Erfolg – im Gegenteil: Dr. A verdächtigt den Steuerberater sogar, auf der Seite von Dr. B zu stehen, da er ein gewisses Verständnis für ihre Position gezeigt hat. Schnell schalten Dr. A und Dr. B jeweils einen eigenen Rechtsanwalt ein. Zunächst gehen anwaltliche Schreiben hin und her, schließlich kommt es zu Abmahnungen. Der Druck steigt noch, als das Finanzamt die Abgabe der Steuererklärung fordert und eine Steuerschätzung androht.

Es kommt zu immer neuen Eskalationen. So sperrt Dr. A das gemeinsame Konto, da sie fürchtet, Dr. B. könnte diesem unerlaubt Geld für sich entnehmen, um damit eine für sich günstigere Gewinnverteilung herbeizuführen. Damit können Überweisungen nur noch einvernehmlich vorgenommen werden. Bei vielen Rechnungen kommt es zu neuem Streit. Die Spannungen bleiben weder den Mitarbeitern noch den Patienten verborgen. Diese wechseln zu anderen Praxen, Umsatz und Gewinn sinken. Dafür steigen die Kosten für die Rechtsanwälte. Insgeheim wünschen beide der anderen alles Schlechte, diese soll geschädigt werden – selbst wenn dies mit einer eigenen Schädigung verbunden ist. Aus der Win-win-Situation ist eine Lose-lose-Situation geworden.

Hinter einem Streit steckt ein Konflikt

In einer solchen Situation können die beiden Zahnärztinnen ihren Streit nicht mehr alleine lösen. Auch die inzwischen angerufenen Gerichte können nicht wirklich weiterhelfen. Abgesehen davon, dass gerichtliche Verfahren sehr lange dauern, entscheiden diese immer nur einen konkreten Streit – zum Beispiel über die Gewinnverteilung oder über die Sperrung des Kontos. In solchen Fällen geht es aber nur vordergründig um den gerade vor Gericht verhandelten Streitpunkt. Dahinter steckt ein tiefer liegender Konflikt zwischen den beteiligten Personen. Solange dieser nicht aufgedeckt und gelöst ist, wird es immer neue Streitpunkte geben – und damit auch immer neue Gerichtsverfahren ...

In unserem Beispiel ging es bei oberflächlicher Betrachtung um eine konkrete Steuererklärung. Dahinter steckte eine strukturell ungleiche Gewinnverteilung. Höchstwahrscheinlich bestand auch ein emotionales Problem: Dr. B fühlte sich von der resoluten Dr. A nicht als gleichwertig angenommen (und gab deshalb meist nach). Eine noch tiefer gehende Analyse könnte zu dem Ergebnis führen, dass Dr. A in ihrem Verhalten Dr. B an schlimme Erfahrungen in Kindheit und Jugend erinnert. Dies mag nach Psychologisierung klingen, die Erfahrung lehrt jedoch, dass solche frühen Erfahrungen lange nachwirken und zu Konflikten führen.

Streitpunkte: Personal und Anschaffungen

Neben finanziellen Fragen sind die typischen Streitigkeiten in Zahnarztpraxen die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen oder die Einstellung oder Entlassung von Personal. In solchen Fällen muss nach dem zugrunde liegenden Konflikt gesucht werden. Nicht selten geht es um die Auseinandersetzung zwischen einem älteren Zahnarzt, der die Praxis aufgebaut hat, und einem jüngeren, der später eingestiegen ist und nun alles anders machen will. Dies lehnt der ältere ab mit der Begründung, das habe er schon immer so gemacht und es funktioniere gut. Oft beklagt sich der jüngere dann darüber, dass der ältere schlecht behandle und die Entwicklung verschlafen habe. Er, der jüngere, müsse das alles wieder ausbügeln. Besonders heikel wird es, wenn ein Partner sich weigert, gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen zum Beispiel an die Röntgen-Anlage oder die Hygiene betreffend zu erfüllen. Schließlich setzt er damit alle anderen Partner der Gefahr der Bestrafung aus.

In solchen verfahrenen Situationen brauchen die Beteiligten professionelle Hilfe. Diese kann von ausgebildeten Mediatoren geleistet werden. Dieser sollte rechtzeitig eingeschaltet werden, bevor sich beide Parteien gegenseitig schon solche Wunden beigebracht haben, dass eine Annäherung sehr schwer wird. Sofern die Beteiligten noch bereit sind, an einer Wiederherstellung einer Win-win-Situation mitzuwirken, wird der Mediator ihnen darstellen, wie sehr sie voneinander profitieren. Im konkreten Fall sollte Dr. A erkennen, dass sie viele ihrer Implantatpatienten nur gewonnen hat, weil zuvor deren Kinder von Dr. B liebevoll behandelt wurden und so auch deren Eltern die Praxis schätzen gelernt haben. Umgekehrt sollte Dr. B verstehen, dass sie für die Behandlung schwieriger Kinder die Praxis und insbesondere das Personal sehr in Anspruch nimmt. Wenn das Vertrauen wieder gewachsen ist, werden die Zahnärztinnen vielleicht entdecken, dass sie auch emotional durchaus voneinander profitieren können: Die resolute Dr. A und die einfühlsame Dr. B können durchaus ein „Match“ sein.

Wann braucht man einen Mediator?

Woran erkennt man nun, ob die Einschaltung eines ausgebildeten Mediators nötig ist? Dafür gibt es zwei Kriterien:

  • Wenn es bei dem Streit nicht mehr um die Lösung des Problems, sondern um die Durchsetzung der eigenen Position geht („Das lasse ich mir nicht gefallen!“).

  • Wenn die Schädigung des anderen bewusst in Kauf genommen wird („Der muss es spüren!“).

Für eine solche Mediation muss man sich Zeit lassen – sie kann nicht zwischen zwei Patienten erfolgen, auch nicht an einem Abend. Angesichts der enormen wirtschaftlichen (und emotionalen) Folgen eines eskalierten Streits sollte zumindest ein halber Behandlungstag freigehalten werden.

Die fünf Grundsätze der Mediation: Wie läuft eine Mediation ab?

Der Begriff „Mediation“ kommt vom Lateinischen „Mediatio“ = Vermitteln. Hingegen wird bei einem Gerichtsverfahren gerichtet, also entschieden.

  • Da ist zunächst das Prinzip der Freiwilligkeit, das heißt, niemand wird zu einer Mediation gezwungen und jeder Beteiligte kann die Mediation jederzeit abbrechen. Das ist bei einem Gerichtsverfahren anders: Dort ist regelmäßig mindestens eine Partei – der Beklagte – nicht freiwillig da. Der Beklagte kann das Gerichtsverfahren auch nicht einfach beenden.

  • Mediationen sind immer vertraulich. Die Parteien müssen vor Beginn der Mediation schriftlich Verschwiegenheit versprechen. Sie dürfen das in der Mediation Gesagte nicht einmal in einem späteren Rechtsstreit verwenden. Auch der Mediator muss Vertraulichkeit zusichern. Dies ist besonders einfach, wenn der Mediator Rechtsanwalt ist. Denn Rechtsanwälte unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Hingegen sind die Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten meist öffentlich, Patienten und Medien erfahren also von dem Streit.

  • Wie ein Richter muss der Mediator neutral sein. Allerdings darf und soll der Mediator mit den Parteien getrennte Einzelgespräche führen, um Hintergründe zu erfahren und Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Dies ist dem Richter streng verboten.

  • Der Mediator hat anders als ein Richter keine Entscheidungsgewalt, vielmehr hilft er den Parteien, in Eigenverantwortlichkeit selbst ein Ergebnis zu finden

  • Es besteht bis zum Schluss Ergebnisoffenheit, das heißt es ist Kreativität gefragt.

Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg

Zahnarzt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator

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