Teil-Impfpflicht

Der Blick auf andere Länder Europas

Deutschland führt die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflege- und Gesundheitsberufe ein – wie die Umsetzung aussehen könnte, zeigt der Blick auf einige europäische Nachbarn. Die Teil-Impfpflicht ist nicht nur hierzulande verpflichtend.

Italien

Eine Teil-Impfpflicht für Ärzte und Krankenhauspersonal, für Polizei, Militär, Schulpersonal sowie Beschäftigte in Seniorenheimen gibt es hier seit April 2021. Laut Angaben der nationalen Ärzte- und Zahnärztekammer (FNOMCeO) haben derzeit knapp 30.000 Ärzte ein unvollständiges Corona-Impfregister (Stand: Anfang Februar). Dazu gehören aber auch Genesene, die auf ihre Impfung warten müssen, sowie Personen, die im Ausland geimpft wurden oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Aber es fehlen dem Gesundheitssystem auch Tausende Mitarbeiter wie Krankenschwestern und Pfleger, weil sie nicht geimpft sind. Gegen die Impfpflicht für das Gesundheitspersonal sind auch Klagen anhängig. 

Seit dem 8. Januar dieses Jahres gibt es im Land zudem eine allgemeine altersbezogene Impfpflicht. Wer 50 Jahre oder älter ist und sich bis Anfang Februar nicht hat impfen lassen, darf nur noch arbeiten gehen, wenn er genesen oder geimpft ist – ein negativer Test reicht nicht mehr aus. Anderenfalls droht zwar nicht der Arbeitsplatzverlust, wohl aber Suspendierung und kompletter Verdienstausfall. Die Impfpflicht ist zunächst bis zum 15. Juni begrenzt.

Die Steuerbehörde ist befugt, Einblick in die Impfregister der Gesundheitsbehörden zu nehmen. Wer nicht geimpft ist, dem drohen Bußgelder. Seit dem 1. Februar droht Personen über 50 Jahren ohne vollständigen Impfschutz eine Strafe in Höhe von 100 Euro. Deutlich höher sind die Sanktionen für diejenigen, die ohne den im Oktober 2021 eingeführten sogenannten Super Green Pass (Nachweis gemäß 2G-Regel) ihre Arbeitsstätte aufsuchen. Beim ersten Verstoß drohen Strafen zwischen 600 und 1.500 Euro. Wer erwischt wird, wird, wird ohne Zahlung von Gehalt und Sozialabgaben von der Arbeit suspendiert. Entlassungen dürfen wegen eines Verstoßes gegen die Impfpflicht jedoch nicht ausgesprochen werden. Arbeitgeber, die ihrer Kontrollpflicht nicht nachkommen, müssen mit Strafen zwischen 400 und 1.000 Euro rechnen. Ob die Einführung der altersbezogenen Impfpflicht allerdings zum erwünschten Ergebnis geführt hat, ist im Land umstritten.

Frankreich

In Frankreich gilt seit dem 15. September 2021 eine Corona-Impfpflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen, Pflegediensten, Rettungsdiensten, Polizei, ÖPNV und Feuerwehr. Vom 15. September bis zum 15. Oktober mussten sie nachweisen, dass sie zumindest die erste Impfung erhalten haben und einen negativen Test vorweisen können. Nach dem 15. Oktober sollten sie vollständig geimpft sein. Wer sich nicht an die Regel hält, wird ohne Gehalt freigestellt.

Nach kontroversen Debatten, einem Einschalten der Gewerkschaften und Massenprotesten gab es im Parlament letztlich klare Mehrheiten pro Impfpflicht. Auch die meisten Berufsverbände stimmten zu. Wer sich dem Impfen verweigert, dem droht nun zwar nicht mehr die Entlassung, aber eine befristete Freistellung ohne Lohnfortzahlung. Nach Angaben des französischen Gesundheitsministeriums hat sich der überwiegende Teil an die Vorschrift gehalten, es gab aber einige Suspendierungen. 

Griechenland

Seit Mitte Januar ist in Griechenland eine Impfpflicht für Personen über 60 Jahren in Kraft. Bereits seit Mitte August gilt zudem eine Impfpflicht für das Personal von Altersheimen und seit dem 1. September für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Wer sich nicht daran hält, wird ohne Gehalt freigestellt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte eine vorübergehende Aussetzung der Corona-Impfpflicht für Gesundheitspersonal in Griechenland abgelehnt. Zuvor hatten 30 Beschäftigte des Gesundheitssektors um einen sofortigen Stopp in Form einer einstweiligen Maßnahme gebeten.

Großbritannien

Ab dem 1. April hätte auch in Großbritannien eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe gelten sollen. Nun hob die Regierung die Verordnung kurz vor der Einführung doch auf.

Die Verpflichtung zur Impfung gegen COVID-19 für medizinische Berufe war auch in Großbritannien von Anfang an umstritten. Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern hätten ab dem 1. April ungeimpft beziehungsweise unvollständig geimpft nicht mehr arbeiten dürfen. Nun wird das Vorhaben aufgrund der sinkenden Zahl der Neuinfektionen, der milden Omikron-Verläufe sowie der geringen bis normalen Auslastung der Intensivstationen gekippt. Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid sagte im Londoner Unterhaus, die Einführung der Impfpflicht für Personen aus dem Gesundheitswesen sei „nicht länger verhältnismäßig“ und somit nicht mehr zu rechtfertigen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums haben bislang 92 Prozent der im Gesundheitswesen National Health Service (NHS) Beschäftigten mindestens zwei Corona-Impfungen erhalten.

In einer Umfrage hatten sich zuvor 90 Prozent der Bevölkerung für die Abschaffung der gesetzlichen Verpflichtung zur Doppelimpfung von Mitarbeitern des Gesundheits- und Sozialwesens ausgesprochen.

Die British Medical Association (BMA), die bedeutendste Berufsorganisation für Ärztinnen und Ärzte in Großbritannien, bewertet den Stopp der Impfpflicht als „Sieg der Vernunft“. Der Schritt sei „richtig“.

Belgien

Belgien hat im vergangenen November eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal auf den Weg gebracht. Bis zum 1. April 2022 soll jeder Mitarbeiter im belgischen Krankenpflegebereich vollständig geimpft sein. Neben Ärzten und Krankenpflegern betrifft dies auch Zahnärzte, Apotheker, Hebammen, Diätassistenten, Ergotherapeuten, Homöopathen, Akupunkteure, Logopäden, Physiotherapeuten und andere ähnliche Berufe. Rund 500.000 Beschäftigte im Gesundheitswesen sind davon betroffen.

Wer zum Stichtag nicht vollständig geimpft ist, darf seinen Beruf nicht mehr ausüben beziehungsweise verliert seine Zulassung. Praktizieren Betroffene ungeimpft und dann ohne Zulassung weiter, drohen ihnen Sanktionen, die von hohen Geldbußen bis hin zu Gefängnisstrafen gehen können. Heftige Kritik kommt von den Gewerkschaften.

Recherche: erste Märzwoche 2022 

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