Wie kann Ernährung die Wundheilung beeinflussen?
Physiologisch erfordert die Wundheilung eine Entzündungsphase, eine Proliferationsphase und eine Umbauphase. Chronische Wunden unterliegen einer anhaltenden Entzündungsreaktion, etwa durch verringerte Wachstumsfaktoren und eine erhöhte Keimbelastung der Wunde. Mangelernährung wird in der Literatur mit Wundheilungsstörungen und chronischen Wunden in Verbindung gebracht und gilt als modifizierbarer Risikofaktor, der die Ergebnisse der Wundheilung verbessern kann. Der Kalorienbedarf bei der Wundheilung wird in der Literatur – im Vergleich zu einem nicht verletzten Kollektiv – als deutlich erhöht geschätzt, abhängig von Ausgangskörpergewicht, Alter, medizinischen Komorbiditäten, Aktivitätsgrad, Stadium der Wundheilung, Wundgröße und Anzahl der Wunden.
Shields hat sich aus Sicht der Dermatologie diesem wichtigen Thema gewidmet [Shields, 2021], wobei die Ansätze auf die orale Wundheilung übertragen werden können. Im Rahmen eines narrativen Reviews sichtete sie die wissenschaftliche Literatur auf Nahrungsergänzung mit Makro- und Mikronährstoffen, um die potenziell komplementäre Rolle der Ernährungsunterstützung bei chronischen Wunden zu untersuchen.
Proteine
Hier handelt es sich um die bekanntesten Makronährstoffe, die für die Wundheilung benötigt werden. Ihre primäre Funktion besteht darin, Aminosäuren bereitzustellen, um physiologische Funktionen auszuführen. Eine Verletzung der Haut- oder der Schleimhaut erhöht nicht nur den Stoffwechselbedarf des verletzten Bereichs, sondern es können auch ständig große Mengen an Protein durch Wundexsudate verloren gehen. Proteine sind für die Immunantwort notwendig, die erforderlich ist, um von entzündlichen zu proliferativen Phasen der Wundheilung überzugehen. Berichtet wird , dass Proteinmangel die Fibroblastenaktivität verringert, die Angiogenese verzögert und die Kollagenbildung verringert. Darüber hinaus wird Protein für die Bildung von Entzündungszellen und die Aufrechterhaltung des onkotischen Druckes benötigt. Die derzeit empfohlene Tagesdosis für Protein bei gesunden Erwachsenen beträgt 0,8 g/kg Körpergewicht. Bei Patienten mit chronischen Wunden – zum Beispiel Dekubitus – wird je nach Größe der Ulzeration eine Tagesdosis von 1,25 bis 2,0 g/kg Körpergewicht über die Nahrung empfohlen.
Fette
Die Wundheilung ist ein anaboler Prozess, der eine ausreichende Zufuhr von Substraten wie Glukose und Fett erfordert. Kohlenhydrate dienen als Hauptquelle der Energie, die für die Wundheilung benötigt wird, während Fette vermutlich eine Rolle bei der Entwicklung von Zellmembranen und der Modulation von zellulären Signalen spielen. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren dienen als Vorstufen für Prostaglandine, Leukotriene und Thromboxan – alles Schlüsselmediatoren der Entzündungsphase der Wundheilung. Es wird angenommen, dass Omega-3-Fettsäuren Gene herunterregulieren, die an entzündungsfördernden Signalwegen beteiligt sind sowie die Lymphozytenproliferation und die Spiegel von IL-1 beta, Tumornekrosefaktor alpha und IL-6 in vitro verringern. Klinisch stellten Daher et al. im Rahmen eines systematischen Reviews heraus, dass die Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren die Wundheilung bei Kopf-Hals-Krebspatienten mit Operationswunden verbessert [Daher et al., 2022].
Vitamine, Spurenelemente
Vitamin A ist ein essenzielles fettlösliches Vitamin, das unter anderem die Wundheilung durch Stimulierung von Fibroblasten fördert. Es wirkt durch die Aktivierung von Retinoidrezeptoren vieler verschiedener Zellen und hat angeblich eine entzündungshemmende Wirkung, die die Heilung offener Wunden unterstützt. Außerdem wird angenommen, dass Vitamin A die Freisetzung von Zytokinen in der entzündlichen Phase der Wundheilung verbessert. Die Supplementation mit Vitamin A wurde mit positiven Wirkungen auf die akute Wundheilung, Verbrennungen und Strahlenschäden in Verbindung gebracht. Einige Experten empfehlen kurze Zyklen einer oralen Vitamin-A-Ergänzung zur Verbesserung der Wundheilung in Dosen zwischen 10.000 und 25.000 IE täglich.
Aus der Wissenschaft
In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung.
Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern:
Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn
Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz
Vitamin C ist für seine Rolle bei der Kollagenbildung, Immunmodulation und für seine antioxidative Kapazität bekannt. Eine aktuelle Empfehlung für die Vitamin-C-Ergänzung bei chronischen Wunden liegt bei unkomplizierten Wunden bei 500 mg täglich bis zu 2 g täglich bei schweren Wunden. Zusätzliche Studien haben gezeigt, dass der Nutzen einer Vitamin-C-Ergänzung maximiert wird, wenn sie in Kombination mit Zink und Arginin gegeben wird. Hunderte zinkhaltige Enzyme sind an der Wundheilung beteiligt und werden für die Gewebereparatur, das Wachstum und die Immunfunktion benötigt. Obwohl es viele Studien gibt, die den Nutzen einer Zinkergänzung bei der Wundheilung bewertet haben, werden belastbare Aussagen durch Mängel im Studiendesign verhindert, beispielsweise durch eine Multinährstoffergänzung der Probanden verzerrt. Somit ist die Rolle einer Zinksupplementation bei der Wundheilung bisher nicht geklärt.
Aminosäuren
Arginin ist eine essenzielle Aminosäure, die als Substrat für Zellproliferation, Kollagenablagerung und Lymphozytenfunktion Verwendung findet. Obwohl im genannten systematischen Review auch Arginin einen positiven Effekt bei der Wundheilung von Patienten mit Kopf- und Halsmalignomen zeigte [Daher et al., 2022], liegen derzeit nur unzureichende Daten vor, um eine regelmäßige Arginin-Ergänzung für alle Arten von Wunden zu unterstützen, und es gibt aktuell keine Aussage über eine sichere Dosis der täglichen Arginin-Einnahme. Vorgeschlagen wurde, dass eine Nahrungsergänzung mit Glutamin die Wundheilung beschleunigt, da sie eine primäre metabolische Brennstoffquelle für schnell proliferierende Zellen wie Epithelzellen und Fibroblasten ist. Glutamin soll die Expression von Hitzeschockproteinen induzieren und vor entzündlichen und infektiösen Wundkomplikationen schützen. Darüber hinaus wird angenommen, dass Glutamin die Insulinsensitivität des Gewebes erhöht, was sich bei Wunden als vorteilhaft erweisen kann. Leider haben zahlreiche randomisierte Studien zur Glutamin-Supplementierung zu widersprüchlichen Aussagen geführt, so dass derzeit keine abschließende Einschätzung getroffen werden kann.
Bedeutung für die Praxis
Die vorliegenden Daten lassen vermuten, dass auch die orale Wundheilung durch eine angemessene Nahrungssubstitution positiv beeinflusst werden kann. Die Wundheilung ist multifaktoriell und sollte den Gesundheitszustand und medizinische Komorbiditäten jedes behandelten Patienten berücksichtigen. Chronische Wunden können durch eine schlechte Verfügbarkeit der zur Wundheilung nötigen Substrate (Mangelernährung) unterhalten werden. Mangelernährung kann deshalb als modifizierender Risikofaktor infrage kommen. Eine ausreichende Ernährung, gegebenenfalls mit Nahrungsergänzungen, fördert die Wundheilung. Shields schlägt einen individualisierten Ansatz zur Wundheilung vor, der die Untersuchung spezifischer Makro- und Mikronährstoffmängel umfasst. Vor allem sollte eine angemessene Kalorienzufuhr und ein angemessener Proteingehalt empfohlen werden. Für spezifische Aminosäure- und Vitaminergänzungen können derzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben werden.
Quellen: Shields, B. E. (2021): „Diet in Wound Care: Can Nutrition Impact Healing?“ Cutis 108(6): 325–328.Daher, G. S., K. Y. Choi, J. W. Wells and N. Goyal (2022): „A Systematic Review of Oral Nutritional Supplement and Wound Healing.“ Ann Otol Rhinol Laryngol: 34894211069437.