Hilfseinsatz in Ghana

Übernatürliche Behandlungen

Weit über den Schreibtisch gebeugt, der den Behandlungsstuhl ersetzte, dabei ziemlich verdreht in der Haltung und immer mit einer Stirnlampe ausgestattet: Bei unserem Hilfseinsatz unter anderem in SOS-Kinderdörfern und einem „Witch Camp“ in Ghana mussten wir uns den Gegebenheiten vor Ort stark anpassen. Und dennoch – oder gerade deshalb – war dieser Einsatz eine der wertvollsten Erfahrungen, die wir machen konnten.

August 2022, fünf intensive Wochen in Ghana warten auf unser kleines Team. Schon lange hatten wir, eine bunte Truppe aus zwei approbierten Zahnärztinnen aus München und zwei Zahnmedizinstudenten aus Bonn und Münster, mit dem Gedanken gespielt, in einem Hilfsprojekt zahnärztliche Hilfe für Menschen ohne Zugang zu dieser Versorgung zu leisten. Nach der Kontaktaufnahme zum Verein „Dental Volunteers e. V.“ entschieden wir uns für das Land im Herzen Westafrikas. Trotz einer aufstrebenden Wirtschaft ist Ghana nach wie vor – besonders in den nördlichen Regionen – stark von Armut betroffen. Der Verein hat dort eine dentale Grundausrüstung deponiert, die wir mit vielen weiteren Spenden von verschiedenen Dentalfirmen und Apotheken ausbauen und auf den neuesten Stand bringen wollten.

Mit großer Vorfreude landeten wir in der Hauptstadt Accra, die sich im Süden des Landes befindet. Nach einem kurzen Aufenthalt ging es per Inlandsflug weiter in den Norden nach Tamale. Und von dort in ein SOS-Kinderdorf, wo wir die erste Woche unseres Hilfsprojekts verbrachten. 

Viele Kinder mit desolaten Gebisssituationen ...

Nachdem wir mit Screenings den Behandlungsbedarf ermittelt hatten, folgten vor allem Zahnreinigungen, Füllungstherapien und Extraktionen. Nicht selten bekamen wir bei sehr jungen Patienten bereits desolate Gebisssituationen zu Gesicht. Nach Abschluss der Behandlungen bei den Kindern behandelten wir auch die Angestellten des Kinderdorfes. Große Aufmerksamkeit erzielten wir mit einem Vortrag über Zahnpflege – mit umfangreicher Zahnputzdemonstration für die Kids. Unser Lohn waren dankbare, strahlende Kinderaugen.



Nach neun arbeitsreichen Tagen in Tamale war unser nächstes Ziel die Diözese Yendi, etwa eineinhalb Stunden weiter östlich. Dort waren wir für mehr als eine Woche lang die Gäste von Bischof Vincent. Jeden Morgen wurde unser Equipment auf die Ladefläche des Pick-ups geladen, um ein neues Ziel zu erreichen.

Wir begannen unsere Behandlungen im Dorf Bachabordo, wo auch vor allem Kinder zu unseren Patienten zählten. Auffällig war eine Vielzahl an Strukturstörungen. Kariöse Läsionen waren hier nur selten zu beobachten, was wir uns durch den eingeschränkten Zugang zu zuckerhaltigen Konsumgütern in den nördlichen Regionen Ghanas erklärten. Zufrieden, aber auch müde, verließen wir Bachabordo nach zwei ereignisreichen Tagen mit einem lebendigen Huhn und zehn Eiern als Geschenk im Kofferraum.

... Und Ältere verbannt in „Witch Camps“

Am nächsten Tag ging es weiter nach Gnani. In Ghana besteht nach wie vor der Glaube an Hexerei und übernatürliche Kräfte, dem vor allem ältere Menschen zum Opfer fallen. Ist man einmal der Hexerei bezichtigt, gibt es meist keinen anderen Ausweg als ein Leben im Exil. Gnani ist eines der drei sogenannten „Witch Camps“ im Norden, wo sich diese Menschen in Communities zusammenfinden, um in Frieden leben zu können. Wie man vermuten kann, ist die medizinische Versorgung dort sehr schlecht. Wir blieben für zwei sehr intensive Tage. Aufgrund der äußerst schlechten Mundhygiene und der stark fortgeschrittenen PA-Erkrankungen standen in vielen Fällen primär Extraktionen auf unserer Behandlungsliste. Wir verteilten zudem Zahnbürsten und -pasta, da viele der Patienten keine besaßen.



Unsere nächsten zwei Ziele unter der Koordination des Bischofs waren Tatale und Chamba. In Tatale lernten wir einen netten Arzt kennen, der eine lokale Klinik leitet und zugleich der einzige Arzt vor Ort ist. Bei einem abendlichen Bier erzählte er uns viel über das Leben und das Gesundheitssystem in Ghana. Auch in diesen beiden Ortschaften war der Bedarf an zahnmedizinischen Behandlungen sehr groß, sodass zwölfstündige Arbeitstage keine Ausnahme waren. Aufgrund des enormen Andrangs konnten nicht immer alle Wartenden versorgt werden.

Mitte August ging es dann im Bus zunächst weiter nach Kumasi und anschließend nach Tema in die jeweiligen SOS-Kinderdörfer. In Tema blieben wir bis zum Ende unserer Reise. Da im August Schulferien in Ghana sind, waren in den beiden SOS-Kinderdörfern im Vergleich zu Tamale nur wenige Kinder anwesend. Wir setzten deshalb unseren Schwerpunkt auf die Behandlung der Communities, in denen Familien aus sozial benachteiligten Verhältnissen unterstützt und betreut werden („Family Strengthening Program“). Der Patientenandrang war hier ebenfalls sehr groß und die Tage entsprechend lang.

Insgesamt können wir sagen, dass wir auf fünf Wochen voller intensiver Eindrücke und Erfahrungen zurückschauen. Wir würden solch einen Einsatz jederzeit wieder machen und sind glücklich, diese Zeit gemeinsam erlebt zu haben! Für uns steht fest, dass wir zurückkommen wollen – wenn es möglich ist. 

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