Aus der Wissenschaft

„Full-Mouth“-Konzepte in der Therapiestufe 2 fortgeschrittener Parodontitis

Søren Jepsen
Seit langer Zeit werden die möglichen Vorteile von „Full-Mouth“-Behandlungskonzepten in der nicht-chirurgischen PAR-Therapie kontrovers diskutiert. Nun hat eine sehr große Multicenter-Studie eine neue Modifikation dieser Vorgehensweise vorgestellt und bemerkenswerte Ergebnisse berichtet. Das könnte Bewegung in die Bewertung der „Full Mouth“-Konzepte bringen.

Das Therapiekonzept der „Full-Mouth-Disinfection“ wurde bereits vor über 25 Jahren von einer Arbeitsgruppe um Prof. Marc Quirynen in Leuven vorgestellt. Ziel dieses Behandlungsprotokolls war, das Risiko einer Reinfektion gerade behandelter parodontaler Taschen durch Erreger aus noch zu behandelnden Taschen zu minimieren, indem alle Maßnahmen der subgingivalen Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden in Kombination mit einer gründlichen Desinfektion aller oropharyngealen Nischen mit Chlorhexidin durchgeführt wurden.

Seitdem wurden zahlreiche klinische Studien veröffentlicht, in denen 24 Stunden-Behandlungsprotokolle (mit oder ohne zusätzlichen Einsatz von Antiseptika) mit der konventionellen quadrantenweisen Vorgehensweise verglichen wurden, bei der zwischen den vier Behandlungsterminen zumeist jeweils eine Woche liegt. Die Ergebnisse dieser Studien sind sehr heterogen und konnten oft nicht die Ergebnisse der ursprünglichen Studie replizieren. Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig und teilweise eventuell auch in den unterschiedlich zeitintensiven Antiseptikaanwendungen begründet.

Aus der Wissenschaft

In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung.

Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern:

Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn

Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz

Unabhängig von dieser kontroversen Datenlage wurde in den letzten Jahren erörtert, dass die mechanische Entfernung des subgingivalen Biofilms durch Pulverstrahlverfahren mit niedrig abrasiven Pulvern (wie Erythritol) verbessert werden könnte. Die Autoren der vorliegenden Studie haben nun den bisher bekannten Full-Mouth-Behandlungskonzepten eine weitere Modifikation – und zwar mit ergänzendem Einsatz eines Pulverstrahlverfahrens – hinzugefügt, diese im Vergleich mit den bisherigen Protokollen in einer großen Multicenterstudie untersucht und die Ergebnisse im Dezember 2021 im Journal of Clinical Periodontology publiziert.

MATERIAL UND METHODE

Die Autorengruppe um Prof. Jamal Stein, Aachen, hat zusammen mit den Zentren Halle, Berlin, Mainz und Timisoara (Temeswar, Rumänien)  in einer randomisierten, prospektiven, vierarmigen, multizentrischen Parallelgruppenstudie mit einem sechsmonatigen Follow-up Patienten mit unbehandelter Parodontitis im Stadium III oder IV eingeschlossen und die nachfolgenden Behandlungen durchgeführt:

  • Stufe 1 der PAR-Therapie

  • Randomisierung in vier Gruppen mit jeweils mindestens 45 Patienten: 

- Q-SRP: quadrantenweise Instrumentierung mit einwöchigem Intervall zwischen den einzelnen Sitzungen.

- FMS: Full-Mouth-Scaling – subgingivale Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden.

- FMD: Full-Mouth-Disinfection – subgingivale Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden mit zusätzlicher intensiver Anwendung von Chlorhexidin in der Praxis und auch 2 Monate daheim (Protokoll von Quirynen et al., 1998). 

- FMDAP: FMD, kombiniert mit der Verwendung von subgingivalem Pulverstrahl (Erythritol-Pulver, Airflow und Perioflow, Fa. EMS).

  • Die subgingivale Instrumentierung wurde jeweils unter Lokalanästhesie mit Ultraschall-Scalern und Gracey-Küretten durchgeführt.

Bewertet wurden zu Baseline, nach drei und nach sechs Monaten:

  • Die Taschensondierungstiefe (TST), der klinische Attachmentverlust (CAL), die Blutung bei Sondierung (BoP), der Plaqueindex (PI), der Gingivaindex (GI)

  • Prozentsatz der „geschlossenen Taschen“ (Anteil der Messstellen, die sich von TST > 4 mm zu TST ≤ = 4 mm ohne BoP veränderten) 

  • Akkumulierte Stuhlzeit und Behandlungseffizienz (Zeit, die benötigt wurde, um den „Verschluss“ einer Tasche zu erhalten).

ERGEBNISSE

Insgesamt wurden 190 Patienten randomisiert und die Daten von 172 Patienten konnten ausgewertet werden. In allen Gruppen wurde eine signifikante mittlere TST-Reduktion beobachtet.

FMDAP führte zur höchsten mittleren TST-Reduktion und war das einzige Full-Mouth-Protokoll, das im Vergleich zu Q-SRP zu einer signifikant besseren TST-Reduktion führte, sowohl für moderate (TST 4–6 mm) als auch für tiefe Taschen (TST > 6 mm). FMD zeigte im Vergleich zu Q-SRP nur für tiefe Taschen (TST > 6 mm) eine signifikant bessere TST-Reduktion. Signifikante CAL-Gewinne wurden in allen Gruppen beobachtet, ohne dass statistisch signifikante Unterschiede zwischen ihnen bestanden.

BoP, PI, GI waren in allen Gruppen reduziert, jedoch ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Die folgenden Prozentsätze des „Taschenverschlusses“ wurden beobachtet: 38 Prozent für Q-SRP, 46 Prozent für FMS, 49 Prozent für FMD und 55 Prozent für FMDAP. FMDAP war das einzige Full-Mouth-Protokoll, das im Vergleich zu Q-SRP (sowohl für ein- als auch für mehrwurzelige Zähne) zu einem signifikant besseren „Taschenverschluss“ führte. FMD zeigte nur für einwurzelige Zähne einen signifikant besseren „Taschenverschluss“ im Vergleich zu Q-SRP. Die Stuhlzeit war für Q-SRP im Vergleich zu allen Full-Mouth-Protokollen länger, aber nur in Bezug auf FMS war dies statistisch signifikant. Die Zeit, um eine geschlossene Tasche zu erreichen, war für alle Full-Mouth-Protokolle im Vergleich zu Q-SRP signifikant kürzer (6,3 Minuten für FMDAP, 8,5 Minuten für FMD und 9,5 Minuten für FMS gegenüber 17,8 Minuten für Q-SRP).

DISKUSSION

Die Ergebnisse dieser großen und aufwendigen Multicenter-Studie bereichern Datenlage und Diskussion um den Wert von Full-Mouth-Behandlungsprotokollen in Stufe 2 (anti-infektiöse Therapie, nicht-chirurgische Therapie) der PAR-Therapie. Zudem wurde erstmalig eine neue Modifikation vorgestellt und evaluiert. Die aktuelle S3-Leitlinie zur Behandlung der Parodontitis im Stadium I – III gibt im Rahmen der Therapiestufe 2 eine positive Empfehlung sowohl für Q-SRP als auch für FMS. Allerdings sollte das individuelle Patienten-Risikoprofil beachtet werden.

Hintergrund sind akute systemische Entzündungsreaktionen bei Anwendung von Full-Mouth-Protokollen, was eine mögliche Gefährdung beispielsweise von kardiovaskulären Risikopatienten bedeuten kann. In der vorliegenden Multicenter-Studie wurden mögliche Nebenwirkungen der Full-Mouth-Therapien allerdings nicht systematisch erfasst, was die Autoren als Limitation ansehen. Zum FMD-Verfahren gibt die aktuelle S3-Leitlinie keine spezielle Empfehlung. Ein aktuelles Update eines Cochrane-Reviews [Eberhard et al., 2015; Jervøe-Storm et al., 2022] sieht auf Basis der Auswertung von 21 randomisierten klinischen Studien (981 Patienten) keine klinisch signifikanten Unterschiede für die Verfahren Q-SRP, FMS und FMD und kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung für die jeweilige Vorgehensweise auch Präferenzen der Patienten und Behandler einbeziehen sollte.

Die Studie von Stein et al. [2021] hat erstmals den adjuvanten Einsatz subgingivaler Pulverstrahlanwendung ergänzend zum FMD-Protokoll untersucht und interessanterweise mit dieser Therapieform die besten Ergebnisse erzielen können. Die Einordnung dieser Ergebnisse ist nicht einfach, da es – ganz unabhängig vom FMD-Protokoll – bislang nur sehr wenige Daten mit widersprüchlichen Ergebnissen zur adjuvanten, subgingivalen Pulverstrahlanwendung aus kontrollierten Studien gibt. Deshalb konnte auch die aktuelle S3-Leitlinie noch keine Empfehlung zu Pulverstrahlverfahren abgeben. Studien wie die vorliegende sind sehr wichtig, um den Platz dieser adjuvanten Therapieform in der nicht-chirurgischen Therapie der Parodontitis bestimmen zu können.

BEDEUTUNG FÜR DIE PRAXIS

Die vorliegende Studie – eine der größten ihrer Art – zeigt sehr eindrucksvoll, mit welchem Aufwand in Deutschland hochwertige klinische Forschung betrieben wird, um evidenzbasierte und praxisrelevante Therapieverbesserungen zu erarbeiten.

Bei der Interpretation der Ergebnisse und ihrer Übertragbarkeit in die Praxis ist zu beachten, dass ein sehr striktes und intensives Chlorhexidin-Protokoll verwendet wurde, das auch den Patienten sehr viel Mitarbeit abverlangt.

Die positiven Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie bezüglich der Q-SRP- und der FMS-Vorgehensweise und ihre Risikohinweise bleiben unberührt. Bezüglich der Praxisorganisation haben konventionelle und Full-Mouth-Protokolle jeweils Vor- aber auch Nachteile. Dabei sollten Patienten- und Behandlerpräferenzen berücksichtigt werden. Die adjuvante Verwendung von Pulverstrahlverfahren in der zweiten Therapiestufe sollte weiter untersucht werden.

Originalpublikation:Stein JM, Yekat-Michael SS, Schittenhelm F, Reichert S, Kupietz D, Dommisch H, Kasaj A, Wied S, Vela O-C, Stratul S-I: Comparision of three full-mouth concepts for the non-surgical treatment of stage III and IV periodontitis: A randomized trial. J Clin Periodontol. 2021: 48 (12), 1516–1527. DOI: 10.1111/jcpe13548.

Diese Studie wurde durch Lieferung von Ausrüstung von Electro Medical Systems, Nyon, Schweiz, und CP GABA GmbH, Hamburg, Deutschland unterstützt.

Seit langer Zeit werden die möglichen Vorteile von „Full-Mouth“-Behandlungskonzepten in der nicht-chirurgischen PAR-Therapie kontrovers diskutiert. Nun hat eine sehr große Multicenter-Studie eine neue Modifikation dieser Vorgehensweise vorgestellt und bemerkenswerte Ergebnisse berichtet. Das könnte Bewegung in die Bewertung der „Full Mouth“-Konzepte bringen.

Das Therapiekonzept der „Full-Mouth-Disinfection“ wurde bereits vor über 25 Jahren von einer Arbeitsgruppe um Prof. Marc Quirynen in Leuven vorgestellt. Ziel dieses Behandlungsprotokolls war, das Risiko einer Reinfektion gerade behandelter parodontaler Taschen durch Erreger aus noch zu behandelnden Taschen zu minimieren, indem alle Maßnahmen der subgingivalen Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden in Kombination mit einer gründlichen Desinfektion aller oropharyngealen Nischen mit Chlorhexidin durchgeführt wurden.

Seitdem wurden zahlreiche klinische Studien veröffentlicht, in denen 24 Stunden-Behandlungsprotokolle (mit oder ohne zusätzlichen Einsatz von Antiseptika) mit der konventionellen quadrantenweisen Vorgehensweise verglichen wurden, bei der zwischen den vier Behandlungsterminen zumeist jeweils eine Woche liegt. Die Ergebnisse dieser Studien sind sehr heterogen und konnten oft nicht die Ergebnisse der ursprünglichen Studie replizieren. Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig und teilweise eventuell auch in den unterschiedlich zeitintensiven Antiseptikaanwendungen begründet.

Aus der Wissenschaft

In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung.

Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern:

Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn

Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz

Unabhängig von dieser kontroversen Datenlage wurde in den letzten Jahren erörtert, dass die mechanische Entfernung des subgingivalen Biofilms durch Pulverstrahlverfahren mit niedrig abrasiven Pulvern (wie Erythritol) verbessert werden könnte. Die Autoren der vorliegenden Studie haben nun den bisher bekannten Full-Mouth-Behandlungskonzepten eine weitere Modifikation – und zwar mit ergänzendem Einsatz eines Pulverstrahlverfahrens – hinzugefügt, diese im Vergleich mit den bisherigen Protokollen in einer großen Multicenterstudie untersucht und die Ergebnisse im Dezember 2021 im Journal of Clinical Periodontology publiziert.

MATERIAL UND METHODE

Die Autorengruppe um Prof. Jamal Stein, Aachen, hat zusammen mit den Zentren Halle, Berlin, Mainz und Timisoara (Temeswar, Rumänien)  in einer randomisierten, prospektiven, vierarmigen, multizentrischen Parallelgruppenstudie mit einem sechsmonatigen Follow-up Patienten mit unbehandelter Parodontitis im Stadium III oder IV eingeschlossen und die nachfolgenden Behandlungen durchgeführt:

  • Stufe 1 der PAR-Therapie

  • Randomisierung in vier Gruppen mit jeweils mindestens 45 Patienten: 

- Q-SRP: quadrantenweise Instrumentierung mit einwöchigem Intervall zwischen den einzelnen Sitzungen.

- FMS: Full-Mouth-Scaling – subgingivale Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden.

- FMD: Full-Mouth-Disinfection – subgingivale Instrumentierung innerhalb von 24 Stunden mit zusätzlicher intensiver Anwendung von Chlorhexidin in der Praxis und auch 2 Monate daheim (Protokoll von Quirynen et al., 1998). 

- FMDAP: FMD, kombiniert mit der Verwendung von subgingivalem Pulverstrahl (Erythritol-Pulver, Airflow und Perioflow, Fa. EMS).

  • Die subgingivale Instrumentierung wurde jeweils unter Lokalanästhesie mit Ultraschall-Scalern und Gracey-Küretten durchgeführt.

Bewertet wurden zu Baseline, nach drei und nach sechs Monaten:

  • Die Taschensondierungstiefe (TST), der klinische Attachmentverlust (CAL), die Blutung bei Sondierung (BoP), der Plaqueindex (PI), der Gingivaindex (GI)

  • Prozentsatz der „geschlossenen Taschen“ (Anteil der Messstellen, die sich von TST > 4 mm zu TST ≤ = 4 mm ohne BoP veränderten) 

  • Akkumulierte Stuhlzeit und Behandlungseffizienz (Zeit, die benötigt wurde, um den „Verschluss“ einer Tasche zu erhalten).

ERGEBNISSE

Insgesamt wurden 190 Patienten randomisiert und die Daten von 172 Patienten konnten ausgewertet werden. In allen Gruppen wurde eine signifikante mittlere TST-Reduktion beobachtet.

FMDAP führte zur höchsten mittleren TST-Reduktion und war das einzige Full-Mouth-Protokoll, das im Vergleich zu Q-SRP zu einer signifikant besseren TST-Reduktion führte, sowohl für moderate (TST 4–6 mm) als auch für tiefe Taschen (TST > 6 mm). FMD zeigte im Vergleich zu Q-SRP nur für tiefe Taschen (TST > 6 mm) eine signifikant bessere TST-Reduktion. Signifikante CAL-Gewinne wurden in allen Gruppen beobachtet, ohne dass statistisch signifikante Unterschiede zwischen ihnen bestanden.

BoP, PI, GI waren in allen Gruppen reduziert, jedoch ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Die folgenden Prozentsätze des „Taschenverschlusses“ wurden beobachtet: 38 Prozent für Q-SRP, 46 Prozent für FMS, 49 Prozent für FMD und 55 Prozent für FMDAP. FMDAP war das einzige Full-Mouth-Protokoll, das im Vergleich zu Q-SRP (sowohl für ein- als auch für mehrwurzelige Zähne) zu einem signifikant besseren „Taschenverschluss“ führte. FMD zeigte nur für einwurzelige Zähne einen signifikant besseren „Taschenverschluss“ im Vergleich zu Q-SRP. Die Stuhlzeit war für Q-SRP im Vergleich zu allen Full-Mouth-Protokollen länger, aber nur in Bezug auf FMS war dies statistisch signifikant. Die Zeit, um eine geschlossene Tasche zu erreichen, war für alle Full-Mouth-Protokolle im Vergleich zu Q-SRP signifikant kürzer (6,3 Minuten für FMDAP, 8,5 Minuten für FMD und 9,5 Minuten für FMS gegenüber 17,8 Minuten für Q-SRP).

DISKUSSION

Die Ergebnisse dieser großen und aufwendigen Multicenter-Studie bereichern Datenlage und Diskussion um den Wert von Full-Mouth-Behandlungsprotokollen in Stufe 2 (anti-infektiöse Therapie, nicht-chirurgische Therapie) der PAR-Therapie. Zudem wurde erstmalig eine neue Modifikation vorgestellt und evaluiert. Die aktuelle S3-Leitlinie zur Behandlung der Parodontitis im Stadium I – III gibt im Rahmen der Therapiestufe 2 eine positive Empfehlung sowohl für Q-SRP als auch für FMS. Allerdings sollte das individuelle Patienten-Risikoprofil beachtet werden.

Hintergrund sind akute systemische Entzündungsreaktionen bei Anwendung von Full-Mouth-Protokollen, was eine mögliche Gefährdung beispielsweise von kardiovaskulären Risikopatienten bedeuten kann. In der vorliegenden Multicenter-Studie wurden mögliche Nebenwirkungen der Full-Mouth-Therapien allerdings nicht systematisch erfasst, was die Autoren als Limitation ansehen. Zum FMD-Verfahren gibt die aktuelle S3-Leitlinie keine spezielle Empfehlung. Ein aktuelles Update eines Cochrane-Reviews [Eberhard et al., 2015; Jervøe-Storm et al., 2022] sieht auf Basis der Auswertung von 21 randomisierten klinischen Studien (981 Patienten) keine klinisch signifikanten Unterschiede für die Verfahren Q-SRP, FMS und FMD und kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung für die jeweilige Vorgehensweise auch Präferenzen der Patienten und Behandler einbeziehen sollte.

Die Studie von Stein et al. [2021] hat erstmals den adjuvanten Einsatz subgingivaler Pulverstrahlanwendung ergänzend zum FMD-Protokoll untersucht und interessanterweise mit dieser Therapieform die besten Ergebnisse erzielen können. Die Einordnung dieser Ergebnisse ist nicht einfach, da es – ganz unabhängig vom FMD-Protokoll – bislang nur sehr wenige Daten mit widersprüchlichen Ergebnissen zur adjuvanten, subgingivalen Pulverstrahlanwendung aus kontrollierten Studien gibt. Deshalb konnte auch die aktuelle S3-Leitlinie noch keine Empfehlung zu Pulverstrahlverfahren abgeben. Studien wie die vorliegende sind sehr wichtig, um den Platz dieser adjuvanten Therapieform in der nicht-chirurgischen Therapie der Parodontitis bestimmen zu können.

BEDEUTUNG FÜR DIE PRAXIS

Die vorliegende Studie – eine der größten ihrer Art – zeigt sehr eindrucksvoll, mit welchem Aufwand in Deutschland hochwertige klinische Forschung betrieben wird, um evidenzbasierte und praxisrelevante Therapieverbesserungen zu erarbeiten.

Bei der Interpretation der Ergebnisse und ihrer Übertragbarkeit in die Praxis ist zu beachten, dass ein sehr striktes und intensives Chlorhexidin-Protokoll verwendet wurde, das auch den Patienten sehr viel Mitarbeit abverlangt.

Die positiven Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie bezüglich der Q-SRP- und der FMS-Vorgehensweise und ihre Risikohinweise bleiben unberührt. Bezüglich der Praxisorganisation haben konventionelle und Full-Mouth-Protokolle jeweils Vor- aber auch Nachteile. Dabei sollten Patienten- und Behandlerpräferenzen berücksichtigt werden. Die adjuvante Verwendung von Pulverstrahlverfahren in der zweiten Therapiestufe sollte weiter untersucht werden.

Originalpublikation:Stein JM, Yekat-Michael SS, Schittenhelm F, Reichert S, Kupietz D, Dommisch H, Kasaj A, Wied S, Vela O-C, Stratul S-I: Comparision of three full-mouth concepts for the non-surgical treatment of stage III and IV periodontitis: A randomized trial. J Clin Periodontol. 2021: 48 (12), 1516–1527. DOI: 10.1111/jcpe13548.

Diese Studie wurde durch Lieferung von Ausrüstung von Electro Medical Systems, Nyon, Schweiz, und CP GABA GmbH, Hamburg, Deutschland unterstützt.

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Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen

Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde,
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
Welschnonnenstr.17, 53111 Bonn

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