Auf Talfahrt
„Die spinnen die Briten“ – frei nach Asterix kann man diesen Spruch mit schöner Regelmäßigkeit ausstoßen, wenn man sich den Niedergang des britischen National Health Service (NHS) anschaut. Ohnehin chronisch defizitär ist die medizinische Versorgung im dortigen staatlichen Gesundheitssystem seit Langem ein Trauerspiel. Doch die rasante Talfahrt der Versorgung, die durch Brexit, Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg immer schneller wird, lässt einen erschaudern. Neun von zehn britischen Zahnarztpraxen nehmen keine erwachsenen Patienten mehr an. Die Folge ist unter anderem umfangreicher „Zahntourismus“. Dabei fallen viele Patientinnen und Patienten auf fragwürdige, vermeintlich günstige Angebote aus dem Ausland herein. Diejenigen, die sich selbst das nicht leisten können, greifen teilweise zur Selbsthilfe. Zustände also, die einer der führenden westlichen Industrienationen eigentlich unwürdig sein sollten. Und die britische Politik reagiert hilflos: Leichte Anhebungen bei der Entlohnung der NHS-Zahnärzte sollen die Situation verbessern.
Ansonsten werden die britischen Apotheken zum neuen Dreh- und Angelpunkt der medizinischen Versorgung gemacht: So ist angedacht, dass Apothekerinnen und Apotheker auf der Insel künftig Rezepte, Überweisungen zum Facharzt und AU-Bescheinigungen ausstellen sollen. Na, das ist mal eine Aufwertung eines Berufsstands. Alles aus einer Hand sozusagen. Jetzt könnte man wieder den eingangs erwähnten Satz ausrufen und hinterherschieben, die Briten sind nicht mehr in der EU, was kümmert’s uns?!
Richtig ist natürlich, dass das staatliche britische Gesundheitssystem mit unserem System nur begrenzt vergleichbar ist. Aber bestimmte Entwicklungen, die dort zum Niedergang führen, darf man auch von hier aus im Blick behalten. So hat die British Dental Association (BDA) errechnet, dass die diesjährige Teuerungsrate für Zahnarztpraxen mit 11 Prozent deutlich über der Verbraucherpreisinflation (8,2 Prozent) liegt. Der Kostendruck ist also enorm.
Dies wird in naher Zukunft bei uns nicht anders sein. Insbesondere die Energiepreise dürften zu einem erheblichen Kostenfaktor in den deutschen Praxen werden. Gleichzeitig soll mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz die Budgetierung wieder aus der Mottenkiste zurückgeholt werden (siehe dazu auch den gemeinsamen Brief von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und Bundeszahnärztekammer an den Bundesrat). Man wartet förmlich nur darauf, dass die ersten findigen Gesundheitspolitiker den Patienten raten, beim Zahnarztbesuch doch lieber mal den dicken Pulli anzuziehen. Auf welch glorreiche Ideen die Politik kommt, sieht man ja anhand des Beispiels der britischen Apotheken. Auch hier lohnt sich also der Blick über den Ärmelkanal.
Wer sich über Romy Schneider auf dem Titelbild wundert, dem sei gesagt, auch in schwierigen Zeiten darf man einmal einen Schritt zurück tun und auf das zahnärztliche Berufsbild aus einem anderen Blickwinkel schauen. Es ist spannend zu sehen, dass die Darstellung des Zahnarztes und – in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark unterrepräsentiert – der Zahnärztin im deutschen Film einem deutlichen Wandel unterlag. Die filmische Umsetzung war immer auch ein Spiegel des jeweils herrschenden Zeitgeistes und der zahnmedizinischen Möglichkeiten.
Außerdem befassen wir uns im zweiten Teil unserer Fortbildung zu den „Regenerativen Therapien“ mit der Sinusbodenelevation und der Regeneration des Knochens. Dabei stellen wir die verschiedenen Möglichkeiten der Augmentation vor.
Daneben erfahren Sie in dieser Ausgabe alles Wissenswerte zum Start der neuen Auflage der Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS 6). Sie ist die größte repräsentative Analyse zur oralen Gesundheit und zur zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland. Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) will dazu 5.000 Probanden untersuchen. Auf die Ergebnisse dürfen wir alle sehr gespannt sein.
Viel Spaß bei der Lektüre.