Erfolgreiches Onboarding — Teil 1

Wie ein guter Start für die Neue gelingt

Neue Mitarbeitende können den Praxiserfolg wesentlich beeinflussen. Fehlt fähiges Personal, müssen Praxen mitunter ihr Leistungsangebot einschränken. Doch geeignete Bewerbungen bleiben immer häufiger aus, zudem wächst der Druck durch Headhunter, die abwerben, wenn sich die „Guten“ nicht sogar längst selbst online informiert haben, wo sie gerne arbeiten möchten. Ein erfolgreiches Onboarding kann dem vorbeugen.

Ein Grundprinzip sollte man vorab im Kopf haben, wenn eine Neueinstellung beginnt: Mitarbeitende kommen wegen des Gehalts, des Weges und der (zugesagten) Arbeitszeiten. Sie bleiben oder gehen wegen der Firmenkultur, des Führungsstils und des Nichteinhaltens von Zusagen. Große Betriebe haben sich längst darauf eingestellt, dass gute Mitarbeitende ein zentraler Faktor für den Betriebserfolg sind und eigene Bereiche für Recruiting und Onboarding aufgebaut. Sie begleiten alle potenziellen Interessenten von Beginn an intensiv.

Was aber passiert in einer „normalen“ Praxis, wenn sich potenzielle neue Mitarbeitende gefunden haben? Obwohl die Neuen noch gar nicht begonnen haben zu arbeiten, stellt sich dann gerne das Gefühl ein, für den Moment erst mal wieder ein Etappenziel geschafft zu haben. Zu oft wird jedoch davon ausgegangen, dass der oder die Neue dann am ersten vereinbarten Arbeitstag kommt und sich engagiert und proaktiv ins neue Team einbringt.

Arbeitsbeginn bedeutet noch nicht angekommen

Vergessen wird dabei, dass sich für die Neuen häufig ein Vakuum entwickelt: Die alte Arbeitsstelle haben sie innerlich bereits verlassen und die neue Praxis ist noch weitestgehend unbekannt. Oft werden solche Infos auch in sozialen Netzwerken geteilt. Daher sind und bleiben die Neuen gerade in dieser Phase besonders anfällig für 
andere Angebote und Abwerbungsversuche — mit Folgen wie zum Beispiel dem Ghosting, also dem unangekündigten Nichtauftauchen zum vereinbarten Arbeitsbeginn, trotz einer Zusage im Bewerbungsgespräch oder gar eines unterschriebenen Vertrags.

Wenn neue Mitarbeitende in der Praxis beginnen, befinden sie sich aus ihrer Sicht erst mal nur in der Testphase eines neuen Arbeitsplatzes. Was sie schon wissen, ist wie viel sie verdienen und (meist auch) in welchen Zeitfenstern sie arbeiten werden. Was sie jetzt prüfen sind die Tragfähigkeit der Vereinbarungen, die Praxiskultur und der Führungsstil der Vorgesetzten. Gerade in den ersten Wochen und Monaten beobachten die Neuen sehr genau, ob sie sich in der neuen Praxis wohlfühlen oder ob sie sich nicht doch noch etwas Besseres suchen sollten. Das ist aus der Sicht von neuen Mitarbeitenden nachvollziehbar, hat aber für die Praxen viele unerwünschte Nebenwirkungen. Insgesamt ist die Bereitschaft zur Kündigung an neuen Arbeitsplätzen mit über 30 Prozent sehr hoch. Was aber kann man nun tun, wenn man endlich neue potenzielle Mitarbeitende gefunden hat? Das Stichwort heißt professionelles Onboarding!

Der Integrationsprozess dauert durchschnittlich ein Jahr

Darunter versteht man, dass Mitarbeitende von dem Moment an, in dem sie als potenzielle zukünftige Mitarbeiter in der Praxis identifiziert worden sind, systematisch betreut und begleitet werden, bis der gesamte Integrationsprozess ins neue Team – fachlich, sozial und kulturell – abgeschlossen ist. Dieser Prozess verläuft in drei Phasen und dauert im Durchschnitt etwa ein Jahr. Das erscheint sehr lange, wird aber nachvollziehbar, wenn man sich klarmacht, dass über die fachliche Einarbeitung hinaus eben auch eine soziale und kulturelle Integration ins Team erforderlich ist. Außerdem müssen die Neuen den Verlauf eines Jahres mit allen Aktivitäten und Festen (Geburtstagsfeiern, Weihnachtsfeiern, Betriebsausflügen, Teambesprechungen, etc.) einmal miterlebt haben, bevor sie sich in der Praxis wirklich angekommen und sicher fühlen.

Der Onboarding-Prozess verläuft in drei Phasen:

  • Preboarding: Maßnahmen vor dem ersten Arbeitstag

  • Onboarding, die eigentliche Einarbeitungsphase: systematisch geplante fachliche und soziale 
Integration

  • Integrationsphase: Begleitung der weiteren Inkulturation der Neuen und Aufrechterhaltung systematischer Feedbackschleifen

In der ersten Phase, dem Preboarding oder der Entscheidungs- und Vorbereitungsphase, geht es darum, die neuen Mitarbeitenden von dem Moment an, in dem klar ist, dass er oder sie in der Praxis anfangen wird, nicht mehr „allein zu lassen“. Ziel ist es, so schnell wie möglich eine Bindung zur Praxis aufzubauen und den neuen Mitarbeitenden zu zeigen, dass sie hier willkommen sind und dass es sich lohnt, sich hier zu engagieren.

In der zweiten Phase, dem Onboarding im engeren Sinne oder der Eintritts- oder Einarbeitungsphase, geschieht vor allem die fachliche Einarbeitung. Zum Abschluss dieser Phasen kennen neue Mitarbeitende die Abläufe und Prozesse die täglich, wöchentlich und monatlich in einer Praxis ablaufen. Sie sind allerdings noch nicht vollständig integriert, denn sie haben noch nicht ein ganzes Jahr mit allen normalerweise vorkommenden Events miterlebt. Das bedeutet, es gibt immer noch Situationen, in denen sie sich fremd und unsicher fühlen. Solange damit gerechnet werden muss, ist die vollständige Integration noch nicht erfolgt.

Daher schließt sich nun die Integrationsphase an. Außerdem besteht nach der fachlichen Integration das Risiko, dass plötzlich die Bindungsaktivitäten der Praxis nachlassen. Gefühlt wissen die Neuen ja jetzt alles, deswegen erhalten sie eventuell weniger Aufmerksamkeit und Feedback als vorher. Dadurch kann dann bei ihnen allerdings der Eindruck entstehen, dass sie doch nicht im richtigen Team gelandet sind. Das wiederum führt dazu, dass sie jetzt wieder wechselbereit werden und sich auf dem Arbeitsmarkt neu orientieren. Wenn die Bindungsaktivitäten in der Integrationsphase jedoch erhalten bleiben, entstehen keine Unsicherheiten und die Neuen werden immer stärker ins Bestandsteam integriert.

Die Ziele derartiger Onboarding-Maßnahmen bestehen also darin:

  • direkt Bindung und Sicherheit 
aufzubauen,

  • das Team bei der Aufnahme und der Integration der Neuen zu 
unterstützen,

  • schneller wieder die volle Leistungsfähigkeit des Teams zu erreichen,

  • einzuladen, langfristig in der Praxis zu bleiben, motiviert, zufrieden und loyal zu sein,

  • Wissen weiterzuentwickeln und zu teilen sowie

  • die Praxis als Arbeitgeber 
weiterzuempfehlen.

Eine besondere Herausforderung beim Einführen des Onboardings besteht darin, das Team in die neuen, ungewöhnlichen Maßnahmen zu integrieren. Schließlich haben die bisherigen Mitarbeitenden nicht erlebt, dass die Chefin oder der Chef sich so intensiv um sie gekümmert hätte. Entsprechend unwirsch können jene gegebenenfalls reagieren, wenn sie das Gefühl haben, die Neuen werden regelrecht hofiert. Eine langjährige Mitarbeiterin kommentierte das mit dem Satz: „So ein Theater hat um uns keiner gemacht und jetzt sind wir sozusagen Bestandsmobiliar!“

Vergessen Sie dabei aber nicht, ihr altes Team mitzunehmen

Es hilft in der Regel, wenn man die Problematik der Mitarbeitergewinnung in einer Teambesprechung deutlich analysiert. Dabei kann man herausarbeiten, was machbar ist, damit die Chance besteht, endlich und dauerhaft wieder genug Mitarbeitende im Team zu haben. Wesentlich ist dabei hervorzuheben, dass es insbesondere darum geht, dafür zu sorgen, dass die Praxis wieder so viel Angestellte hat, dass das Bestandsteam entlastet ist.

Das Ziel aller Onboarding-Maßnahmen muss immer sein, dafür zu sorgen, dass alle zufrieden und effizient miteinander arbeiten können. Gerade diese Punkte — die eigene Entlastung, die Sicherstellung eines pünktlichen Feierabends sowie die Sicherstellung der etablierten Praxisabläufe — führen oft dazu, dass die vorhandenen Mitarbeitenden durchaus bereit sind, die verstärkten Onboarding-Maßnahmen mitzutragen und selbstständig durchzuführen. Wenn das Team im Boot ist und der Onboarding-Prozess läuft, beugt man auch gleichzeitig dem Verlust seines Ansehens als Arbeitgeber vor und schützt und entwickelt damit seine Arbeitgebermarke.

Falls ich es als Arbeitgeber nämlich nicht schaffe, neue Mitarbeitende zu gewinnen, entsteht in der Folge die Situation, dass Stellen länger unbesetzt bleiben. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung der verbleibenden Mitarbeitenden und deren Zufriedenheit sinkt. Die Klagen werden lauter und die freien Stellen werden eher mit ungeeigneten Mitarbeitenden besetzt, damit überhaupt jemand da ist. Das steigert den Einarbeitungsaufwand für das bestehende Team und die Unzufriedenheit nimmt weiter zu. Gegebenenfalls kommt es dann zu einer weiteren Fluktuation im Bestandsteam.

Fazit

Daher sind die Pflege der eigenen Arbeitgebermarke und eine professionelle Führung mitsamt Recruiting und Onboarding von neuen Mitarbeitenden heute die zentralen Erfolgsfaktoren einer Praxis. In einer der folgenden Ausgaben werden Sie deswegen weitere Hinweise zur Ausgestaltung der einzelnen Phasen des Onboarding-Prozesses finden.

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