Ein einheitlicher Gesundheitsdatenraum für Europa
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) setzt sich dafür ein, den mit der Einführung der Verordnung einhergehenden Kosten- und Verwaltungsaufwandfür Heilberufe so niedrig wie möglich zu halten. Den Anforderungen kleiner und mittelständiger Einheiten müsse in besonderem Maße Rechnung getragen werden — auch in Sachen Datenschutz, fordert sie.
„Auf nationaler wie europäischer Ebene hat sich die Digitalisierung des Gesundheitswesenszu einer zentralen Frage der medizinischen Versorgung entwickelt“, berichtet BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert. „Die Digitalisierung eröffnet neue Perspektiven für Forschung, Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Der Vorschlag für die Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums wird daher grundsätzlich von uns begrüßt. Allerdings dürfen nach unseren Erfahrungen mit der Telematikinfrastruktur keine weiteren bürokratischen und finanziellen Belastungen für die Praxen entstehen, die diesbezüglich am Ende Ihrer Möglichkeiten sind.“
Die geplante EU-weite primäre und sekundäre Nutzungvon Gesundheitsdaten berge zugleich auch große Herausforderungen, zumal die Unterschiede bei der Digitalisierung der Gesundheitssysteme innerhalb der EU erheblich seien.
Ziel ist ein sicherer Transfer von Gesundheitsdaten
Den Vorschlag für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS)hatte die EU-Kommission bereits im Mai 2022 gemacht. Ziel ist ein sicherer Transfer von Gesundheitsdaten. Der EHDS soll dabei die primäre und die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdatenin der EU regeln.
Der Entwurf sieht vor, dass Versicherte die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten erhalten und über ein elektronisches interoperables Formats auf verschiedene Datenmindestsätze wie die Patientenkurzakte oder E-Rezepte zugreifen können. Neben einer verbesserten Versorgung erhofft sich die Kommission zudem einen Innovationsschub in den Bereichen Gesundheitsforschung, Gesundheitswesen und Biowissenschaften.
Dem Vorhaben wird auf EU-Ebene ein großer Stellenwert eingeräumt. Die EU-Kommission betonte in einer Mitteilung, dass der geplante Gesundheitsdatenraum dazu beitragen soll, in der Versorgung der Bürger einen „Quantensprung nach vorne“ zu machen.
Das ist geplant:
Die Bürger sollen im eigenen Land wie auch grenzüberschreitend einen kostenlosen, unmittelbaren und einfachen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten in elektronischer Form erhalten. Sie sollen diese Daten problemlos mit anderen Angehörigen der Gesundheitsberufe in und zwischen den Mitgliedsstaaten austauschen können. Dabei sollen sie die vollständige Kontrolle über ihre Daten haben und in der Lage sein, Informationen hinzuzufügen, falsche Daten zu berichtigen, den Zugang für andere zu beschränken und Informationen darüber zu erhalten, wie und zu welchem Zweck ihre Daten verwendet werden.
Die Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass Patientenkurzakten, elektronische Rezepte, Bilddaten und Bildberichte, Laborergebnisse und Entlassungsberichtein einem gemeinsamen europäischen Format erstellt und akzeptiert werden.
Interoperabilität und Sicherheitsollen verbindlich werden. Die Hersteller von Systemen für elektronische Patientenakten sollen die Einhaltung dieser Normen zertifizieren.
Alle Mitgliedsstaaten sollen digitale Gesundheitsbehörden benennen, um sicherzustellen, dass die Rechte der Bürger gewahrt bleiben.
Gesundheitsdaten sollen besser für Forschung, Innovation und Politikgestaltung genutzt werden. Dafür soll die Verordnung einen soliden Rechtsrahmen bieten. Unter gewissen Bedingungen sollen Forschende, Innovatoren, öffentliche Einrichtungen oder die Branche Zugang zu großen Mengen an Gesundheitsdaten von hoher Qualität haben, die für die Entwicklung von lebensrettenden Behandlungen, Impfstoffen oder Medizinprodukten von entscheidender Bedeutung sind.
Für den Zugang zu solchen Daten soll eine Genehmigung von einer — in allen Mitgliedsstaaten einzurichtenden – Zugangsstelle für Gesundheitsdaten erforderlich sein.
Das Gesetzgebungsverfahren hat seit dem vergangenen Sommer an Fahrt aufgenommen und wird derzeit im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Im Europäischen Parlamentsind der Ausschuss für Justiz und Bürgerrechte (LIBE) und der Gesundheitsausschuss (ENVI) federführend zuständig. Anfang Februar sollen die Ausschüsse ihre Berichte vorstellen. Eine Verabschiedung der Verordnung ist für den Sommer 2024 angedacht.
Das Gesetzesverfahren wird von der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) kritisch beobachtet. Aus Sicht der BZÄK kommt es im Gesetzgebungsverfahren darauf an, dass der mit der Verordnung einhergehende Kosten- und Verwaltungsaufwandfür die Heilberufler so niedrig wie möglich ist. Den Anforderungen kleiner und mittelständiger Betriebe müsse in besonderem Maße Rechnung getragen werden.
Wichtig sei auch, dass im Sinne des Subsidiaritätsprinzips die gewachsenen Strukturen der Gesundheitssysteme der EU-Mitgliedsstaaten beachtet werden. Unterschiede beim Stand der Digitalisierung in den einzelnen Ländern müssten berücksichtigt werden.
Bei allen Vorteilen müsse darauf geachtet werden, ein hohes Datenschutzniveausowohl bei der primären wie auch bei der sekundären Nutzung der Daten zu gewährleisten, betonte von Laffert: „Dies ist für uns ein wichtiges Gebot aus dem Zahnarzt-Patienten-Vertrauensverhältnis.“ Es müsse sichergestellt werden, dass die sekundäre Datennutzung nach gemeinwohlorientierten Grundsätzen erfolgt, betonte er. Gesundheitsdaten seien keine Ware.
Steigt der Digitalisierungsdruck?
Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es bei der Debatte um die Verordnung zu Konflikten kommen wird, da die Mitgliedsstaaten bei der Digitalisierung ihrer Gesundheitssysteme unterschiedlich weit fortgeschritten sind. So ist zum Beispiel aus deutscher Sicht fraglich, wie die Auslegung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung erfolgen wird – gerade in Deutschland spielt das Thema Datenschutz eine große Rolle. Auch stellen sich Fragen einer möglicherweise hohen Bürokratie.
Auch ein großes Thema dürfte die Umsetzung der Verordnung im Rahmen der geplanten elektronischen Patientenakte (ePA) werden. Die Beratungen über den EDHS könnten den „Digitalisierungsdruck“ hierzulande spürbar erhöhen.