Lückenschluss bei Einzelzahnlücken

Die Autotransplantation von Weisheitszähnen: Evidenz und klinische Möglichkeiten

Heftarchiv Zahnmedizin
Benjamin Engelke
Geht es um das Schließen einer Einzelzahnlücke, ist die Autotransplantation im Vergleich der möglichen Therapieoptionen wohl die Intervention mit den bei weitem geringsten Fallzahlen. Dabei ist die Methode - anders als vielfach angenommen - ein durchaus zuverlässiges und vorhersagbares Verfahren mit guten Überlebensraten und vergleichsweise geringen Kosten für den Patienten. Der Beitrag wirft einen Blick auf die aktuelle Evidenz und zeigt die klinischen Möglichkeiten an zwei Patientenfällen.

Gehen bei Adoleszenten und jungen erwachsenen Patienten auf Grund von Traumata, Karies oder parodontologischen Problemen Seitenzähne frühzeitig verloren oder bestehen auf Grund von Nichtanlagen Zahnlücken im Seitenzahnbereich, steht man als Behandler vor der schwierigen Fragestellung, wie diese Situation optimal gelöst werden kann. Generell gilt in der Implantologie die Regel, dass Implantate erst nach Wachstumsabschluss gesetzt werden sollen, um das Risiko einer späteren Infraposition der Implantate zu vermeiden. Auch eine Brückenversorgung ist bei adoleszenten Patienten kontraindiziert und stellt auf Grund des hohen Substanzabtrages beim Beschleifen der Pfeilerzähne und der damit verbundenen Verschlechterung der Langzeitprognose selbiger einen suboptimalen Lösungsansatz dar. Therapeutisch bleibt idealerweise also die Aufrechterhaltung der Zahnlücke bis zum Abschluss des Kieferwachstums durch Spacer oder der kieferorthopädische Lückenschluss. Letzteres stellt immer dann eine gute therapeutische Option dar, wenn Patienten auf Grund von Zahnfehlstellungen kieferorthopädisch behandelt werden müssen. In allen anderen Fällen spricht der zeitliche und finanzielle Aspekt gegen die Entscheidung für einen kieferorthopädischen Lückenschluss. Wird die Lücke in solchen Fällen durch einen Spacer bis zum Abschluss des Kieferwachstums aufrechterhalten, so zeigt sich bei der späteren Beratung häufig eine Atrophie des Kieferkammes im Bereich der Zahnlücke, was die an sich schon kostenintensive Implantation aufgrund der zusätzlich nötigen GBR weiter verteuert. Was also tun?

Im Jahr 1956 publizierte Hale eine Methode zur Autotransplantation von Zähnen, an dessen Methodik sich bis heute nicht viel geändert hat. Diese Technik wird häufiger in der Kinderzahnheilkunde verwendet, wobei typischerweise Prämolaren mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und offenem Apex verwendet werden, um fehlende Frontzähne oder solche mit schlechter Prognose zu ersetzen [Stenvik und Zachrisson, 1993]. Die Autotransplantation von Zähnen kann definiert werden als eine geplante chirurgische Reposition eines Zahnes von einer Stelle zur anderen innerhalb desselben Mundes. Das mögliche Indikationsspektrum umfasst Behandlungsfälle mit Zahnverlust durch Traumata, Karies, parodontologische oder endodontologische Probleme und Fälle mit Impaktion, Nichtanlage oder Anomalien von Zähnen. Dabei ist die Überlebensrate von autotransplantierten Zähnen mit einer Erfolgsquote von durchschnittlich 97,4 Prozent nach einem Jahr und 96,3 Prozent nach zehn Jahren in etwa vergleichbar mit der von Implantaten [Rohof et al., 2018]. Im Gegensatz zu osseointegrierten Implantaten zeigen erfolgreich transplantierte Zähne jedoch ein vitales Parodont, einen kontinuierlichen Durchbruch, einen Erhalt des Alveolarknochens inklusive der papillären Strukturen und können kieferorthopädisch bewegt werden. Somit kann eine Autotransplantation auch bei adoleszenten Patienten durchgeführt werden.

Bei der Extraktion des zu transplantierenden Zahnes kommt es zu einer vollständigen Ruptur des Gefäß-Nerven-Bündels und der parodontalen Fasern. Der Behandlungserfolg der Transplantation hängt dann von dem Heilungsprozess des Gewebes nach dem erfolgten chirurgischen Eingriff ab [Chawaja-Pawelec, 2010].

Die pulpale Heilung ist in der Regel durch die Wiederherstellung der Kanalstrukturen inklusive der Gefäß- und Nervversorgung gekennzeichnet. Dabei ist die Vorhersagbarkeit dieses Heilungsprozesses stark abhängig von dem Durchmesser des apicalen Foramens [Andreasen et al., 1990]. So konnte im Tiermodell gezeigt werden, dass schon 30 Tage nach der Autotransplantation von Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum neues Gewebe, bestehend aus gut organisiertem und vaskularisiertem Bindegewebe in die Zähne einwachsen konnte und dass eine ausreichende Gefäßversorgung das Überleben der pulpalen Zellen sichert [Claus et al., 2004; Kim et al., 2006]. Die pulpale Heilung kann klinisch durch einen positiven Vitalitätstest oder radiologisch durch eine Obliteration des Wurzelkanals diagnostiziert werden [Andreasen et al., 1990].

Die parodontale Heilung ist abhängig von der Anzahl der vitalen Zellen auf der Wurzeloberfläche. Für eine erfolgreiche Heilung ist somit eine schonende Extraktion mit minimaler Beschädigung des parodontalen Ligaments erforderlich [Tsukiboshi, 2002]. Eine Beschädigung des parodontalen Ligaments kann zu einer externen entzündlichen Resorption oder Ersatzresorption (Ankylose) führen. Dabei wird die Wurzelresorption durch die immunologische Abstoßung und Entzündung des Wirts gegenüber dem Spendergewebe verursacht [Schwartz und Andreasen, 2002].

Erfolgsfaktoren für die Autotransplantation

Die in den Kästen vorgestellten Patientenfälle zeigen, wie eine erfolgreiche Autotransplantation von Weisheitszähnen durchgeführt werden kann. Jedoch können auch bei diesem operativen Verfahren Probleme auftreten. In der Literatur sind Komplikationen wie entzündliche Resorption oder Ersatzresorption, Ankylose, Pulpanekrose oder kompromittierte parodontale Heilung beschrieben, die das klinische Ergebnis der Autotransplantation beeinträchtigen können [Andreasen et al., 1990 b; Mertens et al., 2016; Shahabazian et al., 2013; Kristerson und Andreasen, 1984]. Dabei wurden zahlreiche Einflussfaktoren für die Erfolgsprognose der Autotransplantation postuliert. Dazu zählen Patientenfaktoren (Alter, Geschlecht), Einfluss des Spendezahns (Typ, Morphologie, Position, Wurzelwachstum), Einfluss der Empfängerseite (Position, lokale Entzündung, alveoläres Knochenvolumen und -qualität) und die operative Vorgehensweise (Stabilisierungsmethode und -dauer, Antibiose, Verletzung des parodontalen Ligaments, Notwendigkeit einer Osteotomie, Lagerungsmethode und -zeit des zu transplantierenden Zahns während der Operation) sowie die Erfahrung des Operateurs und kieferorthopädische Eingriffe. Jedoch fehlt es bis dato an Evidenz für viele der postulierten Einflussfaktoren, so dass aus den meisten dieser Faktoren keine klare Schlussfolgerung gezogen werden kann [Almpani, 2015].

Endodontische Behandlung

Das Überleben der Pulpa nach Zahntransplantation hängt eindeutig mit dem Stadium der Wurzelentwicklung zusammen [Jonsson und Sigurdsson, 2004]. Um eine hohe Überlebensrate des pulpalen Gewebes und eine ausreichende Wurzellänge zu erreichen, wird in vielen Arbeiten die Verwendung von Zähnen mit einer Wurzelentwicklung von 75 Prozent empfohlen [Andreasen et al., 1990; Denys et al., 2013; Kallu et al., 2005].

Bei einer erfolgreichen Regeneration kommt es unweigerlich zu einer Obliteration der Pulpa. Diese hängt höchstwahrscheinlich mit dem Einwachsen von Bindegewebe aus dem Desmodont in die Pulpakammer zusammen, was die Bildung von Tertiärdentin stimuliert. Eine Obliteration der Pulpa kann somit als ein gutes Kriterium zur Bestätigung der Vitalität des Zahnes herangezogen werden [Tsukiboshi, 2002]. Der Durchmesser des apikalen Foramens ist dabei ein zuverlässiger Indikator für die pulpale Heilung. Zähne mit einem apikalen Durchmesser größer 1 mm haben auf Grund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Revaskularisation ein geringes Risiko für eine Pulpanekrose [Tsukiboshi, 2002; Thomas et al., 1998]. Jedoch ist die Vitalerhaltung der Pulpa nicht eine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Autotransplantation. So wurden in einer 2014 von Chung et al. veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zu den Ergebnissen der Autotransplantation von Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum sehr niedrige Misserfolgs- und Komplikationsraten in Bezug auf Ankylose und infektionsbedingte Wurzelresorptionen festgestellt. Eine endodontische Behandlung bei transplantierten Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum ist jedoch notwendig, um die Entstehung parodontaler oder pulpaler Erkrankungen zu verhindern oder aufzuhalten [Andreasen et al., 1990; Almpani et al., 2015]. Diese sollte innerhalb der ersten zwei Wochen nach Autotransplantation abgeschlossen sein, um eine entzündlich bedingte Wurzelresorption zu vermeiden [Tsukiboshi, 2012].

Antibiotika

Nach Chung et al. 2014 scheint eine systemische Antibiotikaprophylaxe die Misserfolgsrate nach Autotransplantation bei Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum zu reduzieren und kann auch bei Patienten mit beeinträchtigtem Allgemeinzustand ebenso wie bei gängigen chirurgischen Verfahren empfohlen werden. Hammarstrom et al. und Andreasen et al. weisen in ihren 1986 und 1990 veröffentlichten Arbeiten darauf hin, dass eine systematische Antibiose die infektionsassoziierte Wurzelresorption reduzieren könnte und auch nach den Richtlinien der „International Association of Dental Traumatology“ für die Therapie von avulsierten Zähnen wird die Anwendung einer systemischen Antibiose empfohlen. Hierbei wird speziell auf die positiven Effekte des Doxycyclins auf die parodontale Heilung hingewiesen [Fouad et al., 2020].

Die vorteilhafte topische oder systemische Wirkung von Tetracyclinen auf die Pulpa- und Parodontalheilung ist jedoch nicht eindeutig [Hinckfuss und Messer, 2009; Liu et al., 2019] und auch die Ergebnisse eines systematischen Reviews bei Autotransplantation von Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum können die Empfehlung der Literatur zum prophylaktischen Einsatz von Antibiotika weder bestätigen noch widerlegen. Da die Verwendung von Tetracyclinen auch zu einer Verfärbung von bleibenden Zähnen führen kann, sollten diese bei Patienten unter zwölf Jahren nicht verschrieben werden [Fouad et al., 2020].

Eine klare evidenzbasierte Empfehlung für den routienemäßigen Einsatz einer systemischen Antibiose bei der Autotransplantation von Zähnen kann daher zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausgesprochen werden. Risiken und Nutzen sollten patientenindividuell abgewogen werden.

Schienung

Die Techniken, die zum Schienen der transplantierten Zähne verwendet werden, umfassen Nahtfixation und verschiedene semipermanente Schienungen wie die Verwendung von TTS-Schienen oder Kfo-Drähten. Im Allgemeinen lag die Dauer der Schienung in den meisten Veröffentlichungen zwischen einer Woche und sechs Wochen. Jedoch zeigten sich widersprüchliche Ergebnisse bezüglich des Einflusses von Stabilisierungstechniken auf den Erfolg der Autotransplantation und bis dato existiert keine Studie, die die Wirkung der Schienungsdauer auf die Erfolgsrate untersucht hat [Rohof et al., 2018]. Plotino et al. empfehlen in ihrem 2020 veröffentlichten Review, die Schienungstechnik und -länge in Abhängigkeit von der Primärstabilität des transplantierten Zahnes zu wählen. So reicht bei guter Primärstabilität des transplantierten Zahns eine Nahtfixation mit einer überkreuzten Haltenaht aus. Bei unzureichender Primärstabilität empfehlen die Autoren eine semipermanente Schienung für 14 Tage. Bei starker Mobilität des autotransplantierten Zahnes kann die Dauer der semipermanenten Schienung auf bis zu sechs Wochen extendiert werden. In allen Fällen ist eine Überprüfung der Okklusion unerlässlich, um sicherzustellen, dass sich der Zahn außer Okklusion befindet.

„Zahndummy“ reduziert extraorale Verweildauer

Ein wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg der Zahntransplantation ist die Vitalität des parodontalen Ligaments und seiner Zellen. Je kürzer die extraorale Verweildauer des zu transplantierenden Zahns und je schonender dessen operative Entfernung und Transposition ist, desto geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung. Die Verwendung einer 3-D-gedruckten Replika, wie in Patientenfall 2 beschrieben, ermöglicht Operateuren die exakte Vorbereitung des Empfängerbettes und damit eine maximale Reduktion der extraoralen Verweildauer des Spendezahns. Dies wiederum reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des parodontalen Ligaments. Erste klinische Studien gaben eine wesentliche Vereinfachung der Behandlung durch dieses Verfahren an [Lee at al., 2001; Peña-Cardelles et al., 2021]. Bis dato existieren jedoch keine Studien, die eine Verbesserung der Erfolgsquote belegen. Untersuchungen in diesem Bereich wären daher wünschenswert.

Sinuslift und Autotransplantation gleichzeitig möglich

Wie im Patientenfall 2 dargestellt, ist auch die erfolgreiche Kombination eines Sinusliftes mit einer Autotransplantation möglich. Bis dato existieren hierzu aber keine systematischen klinischen Untersuchungen. In einigen veröffentlichten Case Reports konnte jedoch ein Behandlungserfolg dieses Verfahrens gezeigt werden [Park et al., 2012; Pang et al., 2011].

Fazit

Insgesamt stellt die Autotransplantation von Zähnen eine sehr vorhersagbare Versorgungsvariante dar. So lag die durchschnittliche Erfolgsquote in der systematischen Reviewarbeit und Metaanalyse von Rohof et al. 2018 bei 96,3 Prozent auf zehn Jahre. Auch in der Reviewarbeit von Armstrong et al. 2020, die allerdings lediglich die Transplantation von Weisheitszähnen untersuchten, lag die durchschnittliche Erfolgsquote bei 89,1 Prozent.

Die Autotransplantation von Weisheitszähnen kann auch als eine sehr sichere Behandlungsalternative bei der Therapie von Einzelzahnlücken im Seitenzahnbereich gesehen werden. Nicht nur im Hinblick auf die deutlich geringeren Kosten im Vergleich zu einem orthodontischen Lückenschluss oder einer Implantation sollte daher auch immer diese Behandlungsmöglichkeit in Erwägung gezogen und mit den Patientinnen und Patienten besprochen werden.

Die DVT-Diagnostik und die Verwendung von 3-D-gedruckten Replikas ermöglichen Behandlern hierbei eine deutliche Verbesserung der Operationsplanung und -durchführung.

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Dr. Benjamin Engelke

Gemeinschaftspraxis Dr. Markus Blume, Dr. Benjamin Engelke
Uhlstr. 19-23, 50321 Brühl

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